Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht, 9. November 1938
Die Hölle der Mädchen
am 5. November 2004, 20.00 Uhr, Einlass 19.30 Uhr
Vortragssaal der Volkshochschule Wilhelmshaven, Virchowstraße 29
Veranstalter: Antifaschistisches Bündnis Wilhelmshaven, DGB Wilhelmshaven
1943 – Jugendkonzentrationslager Uckermark. Hier sitzt, mit vielen anderen jungen Mädchen aus Deutschland und den besetzten Gebieten Europas, Helene Weiland ein. Eine Denunziantin hat sie bei der Gestapo angezeigt. Der Verdacht der Rassenschande genügt, um sie auf unbestimmte Zeit in die „Hölle der Mädchen“ zu verbannen. Helene überlebt: sie ist körperlich und geistig stark, denn sie verfügt über Glauben, Hoffnung und eine gesunde Portion Hass, der sie das Grauen ertragen lässt.
Sie beginnt, Briefe an ihre beste Freundin Elli zu schreiben, die sie jedoch nicht abschicken darf und unter einer losen Diele in ihrer Baracke versteckt. Diesen Briefen in Tagebuch-Form vertraut sie die Vorgeschichte ihrer Inhaftierung, die Erlebnisse im Lager und ihre veränderte Wahrnehmung des Deutschen Vaterlandes an.
Reinhard Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes erhebt im Dezember 1939 erstmals die Forderung nach speziellen Lagern für: „verwahrloste Jugendliche“.
In der Sitzung des Reichsverteidigungsrates vom 01.02.1940 beklagen Minister der unterschiedlichsten Fachgebiete, Staatssekretäre und hohe Beamte die kriegsbedingte „Verwilderung“ der Jugend, die Zunahme jugendlichen Unfugs sowie ein Ansteigen der Jugendkriminalität. Sie fordern Gegenmaßnahmen. Der „Reichsführer-SS“ Himmler unterstützt die Forderung Heydrichs. Das Reichskriminalpolizeiamt (RKPA) in Berlin wird daraufhin beauftragt, „polizeiliche Jugendschutzlager“ zu errichten. Polizei, und SS haben damit ihr angestrebtes Ziel erreicht: Sie können auffällige und missliebige Mädchen und Jungen willkürlich inhaftieren. Die Haft wird durch bloße Verwaltungsanweisungen des RKPA scheinbar legitimiert, ein gerichtliches Urteil als nicht notwendig erachtet. Die Justizbehörden protestieren zunächst gegen das fehlende Mitspracherecht und erhalten nach jahrelangen Kompetenzstreitigkeiten lediglich die Möglichkeit, Jugendliche für die Haft in Moringen und Uckermark „vorzuschlagen“. Auch die Hitler-Jugend und die Gestapo können nun Einweisungen veranlassen. Damit gibt sich die Justiz zufrieden. Sie ordnet sich dem Polizeistaat unter. Der Willkür von Polizei und SS sind damit Tür und Tor geöffnet.
Sabine May, geboren 1975 in Hamburg. Ihrer Ausbildung zur Schauspielerin an dem renommierten H.B.Studio in New York ließ Sabine Mai eine Reihe von Zusatzstudien bei namhaften Dozenten folgen, was vielleicht nicht ganz unerheblich zuder bemerkenswerten Vielseitigkeit dieser jungen Künstlerin beigetragen hat.
Daniel Haw, geboren 1958 in Hamburg. Nach dem Studium an der SCHOOL OF DRAMATIC ARTS in Riverside (California, USA) in den Fächern Schauspiel und Regie, folgten Schauspiel-Engagements sowie Regiearbeiten an diversen Bühnen, Gastauftritte in Filmen und TV. Seit 1998 leitet Daniel Haw das THEATER SCHACHAR. Seine Theaterstücke liegen im Thespis-Verlag Berlin vor.
Erstmalig wird das jüdische Theater Schachar aus Hamburg in Wilhelmshaven das Stück „Die Hölle der Mädchen“ zeigen. Geschrieben hat das Stück Daniel Haw, Direktor und Gründer des ersten jüdischen Theaters in Norddeutschland. Es eignet sich besonders dafür, jungen Menschen zu vermitteln, welche Folgen das verbrecherische Regime der Nationalsozialisten für einzelne Menschen hatte. Es ist eine pädagogische Erfahrung, dass Jugendliche einen besseren Zugang zur Geschichte Deutschlands zwischen 1933 und 1945 entwickeln, wenn sie ihnen anhand persönlicher Biografien nahe gebracht wird. Mit den Worten des Autors Daniel Haw heißt das: „Eine Sechzehnjährige beginnt sich für Geschichte zu interessieren, sobald sie Vergleiche zu ihrem Leben anstellen kann. Die Geschichte rückt ihr näher und wird greifbarer, wenn sie von einer Sechzehnjährigen erfährt, die aufgrund einer abstrusen Rassentheorie nach Auschwitz deportiert wurde, die in das Jugend-KZ kam, weil sie wiederholt Jazz hörte, kommunistische Eltern hatte, einen Juden liebte oder sich einfach nur renitent verhielt.“ Im Mittelpunkt der szenischen Lesung steht das Mädchen Helene Weiland, die sich aufgrund einer Denunziation 1943 im Jugendkonzentrationslager Uckermark befindet.
Wir laden Sie – gerne auch in Begleitung junger Menschen – zu dieser Aufführung des Theaters Schachar herzlich ein.
Veröffentlichung des jüdischen Theaters Schachar ausHamburg:
„Die Hölle der Mädchen“ von Daniel Haw das Mädchen-KZ Uckermark – eine szenische Lesung mit Musik
Das Thema Jugend im Nationalsozialismus, das von den Kulturschaffenden leider nicht oft und intensiv genug behandelt wurde, ist für uns, dem ersten jüdischen Theater Norddeutschlands, von besonderer Brisanz: Entwicklungen politischen Bewusstseins innerhalb einer Gesellschaft müssen von der Jugend getragen werden, wenn sie Zukunft und Bestand haben sollen. Die „jugendliche“ Aussage: „Nicht schon wieder Drittes Reich, das kenne ich doch; davon will ich nichts mehr hören!“ ist das Produkt eines fatalen Erziehungsfehlers. Was kann man von jungen Menschen erwarten, die sechs Millionen Tote als langweilige Last empfinden oder als „moralische Keule“ wie Herr Walser?
Wie muss Geschichte vermittelt werden, ohne Überdruss zu erzeugen? Anders gefragt: was bereitet denn Überdruss? Wir sind der Meinung, Zahlen, Fakten, historische Zusammenhänge werden erst dann interessant, wenn den jungen Menschen die Möglichkeit der Identifizierung möglich ist. Eine Sechzehnjährige beginnt sich für Geschichte zu interessieren, sobald sie Vergleiche zu ihrem Leben anstellen kann. Die Geschichte rückt ihr näher und wird greifbarer, wenn
sie von einer Sechzehnjährigen erfährt, die aufgrund einer abstrusen Rassentheorie nach Auschwitz deportiert wurde, die ins Jugend-KZ kam, weil sie wiederholt Jazz hörte, kommunistische Eltern hatte, einen Juden liebte oder sich einfach nur renitent verhielt. Persönliche Biografien fördern zweifellos historisches Interesse und Verständnis.
Diesem Gedanken folgend, schrieb der Hamburger Autor und Leiter unseres Theaters Daniel Haw 1999 – als Auftragswerk der Universität Hamburg im Rahmen der „Wehrmachtsausstellung“ – die dramatische Collage „Die Hölle der Mädchen“ – das Mädchen-KZ Uckermark. 1943 – Jugendkonzentrationslager Uckermark. Hier sitzt, mit vielen anderen jungen Mädchen aus Deutschland und den besetzten Gebieten Europas, Helene Weiland ein. Eine Denunziantin hat sie bei der Gestapo angezeigt. Der Verdacht der Rassenschande genügt, um sie auf unbestimmte Zeit in die „Hölle der Mädchen“ zu verbannen. Helene überlebt: sie ist körperlich und geistig stark, denn sie verfügt über Glauben, Hoffnung und eine gesunde Portion Hass, der sie das Grauen ertragen lässt. Sie beginnt, Briefe an ihre beste Freundin Elli zu schreiben, die sie jedoch nicht abschicken darf und unter einer losen Diele in ihrer Baracke versteckt. Diesen Briefen in Tagebuch-Form vertraut sie die Vorgeschichte ihrer Inhaftierung, die Erlebnisse im Lager und ihre veränderte Wahrnehmung des Deutschen Vaterlandes an.
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