Widersprüche
(jm) Die Bedarfsanalyse für einen deutschen Tiefwasser-Container-Terminal enthält sich widersprechende Aussagen
Im Oktober hat die Gutachterfirma Planco Consulting GmbH bekanntlich auf Grund einer Bedarfsanalyse den Bau eines Tiefwasserhafens in der Deutschen Bucht empfohlen. Eine stichwortartige Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse liegt jetzt vor.
Um diese beurteilen zu können, muss allerdings das gesamte Gutachten zuzüglich Anlage – wie von Hamburg gefordert – veröffentlicht werden. Davon wollen Bremen und Niedersachsen allerdings nichts wissen. Dessen ungeachtet wurden die Ergebnisse unter Hervorhebung ausgewählter, Tiefwasserhafen-förderlicher Aussagen fast einhellig von der Presse begrüßt. Aber man kann das herausgegebene Papier auch anders lesen, indem man einige im Endbericht verstreute Kernaussagen zusammenfasst:
Zur Entwicklung der Containerschiffsflotte herrscht weitestgehend Einigkeit, dass Schiffsgrößen von 10.000 TEU bis 12.000 TEU erwartet werden können.
· Eine Reihe von Reedereien wird sich in den nächsten Jahren auf Schiffsgrößen um 6.000 TEU im Europa-Asien-Verkehr beschränken.[1]
· Derzeit ist Rotterdam der einzige Nordrangehafen, der für diese Schiffe seewärtig ohne Probleme erreichbar ist.
· Der Einsatz größerer Hauptschiffe wird mittelfristig erwartet; es wird auf die vorhandenen Hafenrestriktionen hingewiesen.
· Allerdings sind solche Schiffe mit tiefgangsbedingter reduzierter Auslastung nicht wirtschaftlich einsetzbar.
Durch obige Zusammenführung von PLANCO-Thesen bestätigt sich, was andere diesbezügliche Fachinstitute und Analysten schon vorher geäußert haben:
- Nur im Europa-Ostasien-Verkehr ist mit dem Einsatz einer neuen Generation von Containerschiffen zu rechnen, die die jetzigen Schiffsdimensionen übertreffen würden.
- Das Arbeitspferd im Europa-Ostasien-Verkehr wird das 6.000 – 8.000 TEU-Schiff sein.
- Die Indienststellung von 10.000 – 12.000 TEU-Schiffen wird zwar erwartet, diese würden jedoch allenfalls durch ihre Rarität im Transportgeschäft auffallen, weil es nur kleine Nischen gibt, in denen sie wirtschaftlich einsetzbar wären.
Eine von mehreren Voraussetzungen wäre, dass möglichst nur ein Haupthafen mit kürzester Abfertigungszeit pro Kontinent angelaufen zu werden braucht und dort völlig entladen und anschließend wieder randvoll beladen werden kann.
Ob es in der von beinharten, mit Steuergeldern angeheizten Infrastrukturwettwerb gekennzeichneten Nordrange einem Hafen gelingt, soviel Ladung auf sich zu ziehen, ist mit einem dicken Fragezeichen zu versehen. Innerhalb der Transportkette würde der Einsatz solcher sogenannter Mega-Carrier eh nur eine Kostenverlagerung von diesen Sauriern auf die Häfen, die längeren Hinterlandtransportwege und die sich ausweitenden Zubringerdienste per Küstenschiff bedeuten.
Vor einer solchen Partialoptimierung der Transportketten zu Gunsten des Reeders warnt denn auch das Kieler Weltwirtschaftsinstitut (s. Gegenwind Nr. 163).
Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) – Mitunterzeichner sowohl der Analyse der Entwicklungspotentiale als auch der Machbarkeitsstudie für einen Container- und Mehrzweckhafen in Wilhelmshaven – berichtet dazu folgendes: Unter den Bedingungen von Fall 1 (dem positivsten Scenario) werden 8.000 TEU-Schiffe diese Trades bis 2020 dominieren. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, daß bis zum Ende des Analysezeitraums auch Schiffe mit einer Kapazität von 10.000 TEU+ auftreten. Konkrete Hinweise gibt es hierfür jedoch nicht.
Auch rechnet das ISL nicht damit, dass die Schiffe zukünftig nur noch einen Haupthafen pro Kontinent zum Löschen und Laden anlaufen werden, wie aus einer Tabelle in der Machbarkeitsstudie hervorgeht: Danach wird in einem eventuellen JadeWeserPort mit einem Containerumschlag von 4.800 TEU pro Jumbo kalkuliert. Das sind 2.400 zu ent- und 2.400 zu beladende Normcontainer – also nur 30% der Lösch-/Ladekapazität eines „8.000ers“ bzw. 20% eines „12.000ers“.
Nicht überprüfbar sind die von PLANCO erstellten Transportkostenberechnungen, solange – wie eingangs erwähnt – die vollständige Bedarfsanalyse unter Verschluss ist. Doch die vorliegenden diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse von PLANCO lassen sich kommentieren: Zunächst einmal wird darin festgestellt, dass auch für den Einsatz von Mega Carriern Multiportstrategien ökonomischer sind, als Hub and Spoke Strategien – soll heißen, dass es sich besser rechnet, Containerjumbos mehrere Häfen anlaufen zu lassen, als die Ladung auf einen Hafen zu konzentrieren, zu welchem sie erst über weite Distanzen über See und Binnenland heran- und fortgeschafft werden müsste. Aber dabei stoßen die ins Gespräch gebrachten Mega Carrier wieder an die oben beschriebenen Wirtschaftlichkeitsgrenzen.
Doch die These von der vorteilhaften Multiportstrategie deckt sich frappierend mit der ISL-These, dass die Containerjumbos in einem zukünftigen JadeWeserPort nur Teilladungen umschlagen würden. Und das könnten sie schließlich auch weiterhin in Bremerhaven und Hamburg tun. Wozu brauchen wir denn da einen Tiefwasserhafen?
Nun erklärt PLANCO, dass die 12.000-TEU-Schiffe deutsche Häfen derzeit nur mit einer Stellplatzauslastung von maximal 70% anlaufen (könnten). Derzeit liegen jedoch Anträge beider Häfen vor, die Wassertiefe um 1,20 m zu erhöhen. (…) Nach dem eventuellen Ausbau der Seezufahrten erscheint eine Stellplatzauslastung von bis zu 80% möglich.
Angesichts der von PLANCO dokumentierten wirtschaftlichen Überlegenheit der Multiportstrategie haben Bremerhaven und Hamburg also nicht zu befürchten, von den prophezeiten 12.000 TEU-Schiffen abgehängt zu werden; sie würden – wie es schon immer war – wegen ihrer Endlage in der Nordrange weiterhin teilbeladen angelaufen und wieder verlassen werden.
Durch nicht nachvollziehbare Berechnungen von Einzelfällen sucht PLANCO trotzdem nachzuweisen, dass ein deutscher Tiefwasserhafen für Containerschiffe gebraucht wird und stellt folgende „Kann-Behauptung“ auf: Die bisher dargestellten Überlegungen zeigen, daß wenn große Containerschiffe deutsche Häfen nicht mehr anlaufen mit deutlichen Veränderungen der Transportabwicklung gerechnet werden muß, die zu Marktanteilsverlusten der deutschen Häfen führen können.
Solche im PLANCO-Endbericht zu Tage tretenden Widersprüche können ohne Veröffentlichung des Gesamtgutachtens nicht aus der Welt geschafft werden.
[1] Nur für dieses Fahrtgebiet kämen Schiffe dieser Größe überhaupt in Frage. Das liegt zum einen daran, dass bei anderen Kontinentalverbindungen nicht genug Ladung anfällt, um diese Schiffe zu füllen und zum anderen, dass solche Schiffe bei Einsatz auf kürzeren Seedistanzen unwirtschaftlich sind.
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