Fast wie ein Krimi
Der schnelle Weg ins Pflegeheim
(noa) Bis zum Juli dieses Jahres lebte die jetzt knapp 85jährige Magda.A. allein in ihrer Wohnung. Ihre Nichte Margret R. besuchte sie täglich, verrichtete die Hausarbeiten, die die alte Dame nicht mehr alleine schaffte, führte sie spazieren, kaufte für sie ein, erledigte alle finanziellen Transaktionen für sie.
Nach einem Sturz im Oktober letzten Jahres sah es so aus, als müßte die alte Dame nun doch in ein Pflegeheim doch die Nichte schaffte es in Zusammenarbeit mit einem mobilen Hilfsdienst und einer von ihr engagierten Pflegerin, ihre Tante wieder so weit aufzubauen und zu aktivieren, daß sie schließlich sogar wieder zu kurzen Spaziergängen allein das Haus verlassen konnte. Bis zum Juli …
An einem Donnerstag im Juli begann dann eine Geschichte, die sich fast wie ein Krimi anhört: Frau R. war wie täglich bei ihrer Tante Magda. Nach dem Essen „stylte“ sie die alte Dame für ihren Spaziergang und ging dann um 15 Uhr in ihre eigene Wohnung. Für 16.45 Uhr hatte sie den ersten Besuch einer neuen Pflegerin, die sie nach dem Wegzug ihrer bisherigen Hilfe eben engagiert hatte, verabredet. Doch diese Pflegekraft kam in diesem neuen Job nie zum Zuge. Sie traf die alte Dame nicht zu Hause an.
In der kurzen Zeit zwischen 15 Uhr und 16.45 Uhr nämlich war die Tante von drei Damen aus der Wohnung geholt worden, von denen sie eine als Mitarbeiterin des Besuchsdienstes der Stadt kannte. Die beiden anderen Damen waren Frau M., die Inhaberin eines privaten Seniorenpflegezentrums, und eine ihrer Mitarbeiterinnen. Als Frau R am frühen Abend die Wohnung ihrer Tante wieder betrat, fand sie lediglich einen handgeschriebenen Zettel vor. „Sehr verehrte Frau R“, las sie, „hiermit teile ich Ihnen mit, daß sich Frau A. in unserem Hause befindet. Wir haben bereits über die Stadt das Vormundschaftsgericht eingeschaltet. Alles weitere werden Sie über die Altenhilfe erfahren können … “
Nun konnte sich Frau R nicht vorstellen, wie das zugegangen sein konnte. Tante Magda konnte zwar mit ihrer täglichen Hilfe noch allein wohnen, aber daß sie ohne Wissen ihrer Nichte und hinter deren Rücken ihre Übersiedlung in ein Pflegeheim vorbereitet und organisiert hat, dazu war die alte Dame dann doch schon zu tüddelig. Frau R. ’s einzige Erklärung: Das war eine Entführung!
Sie fuhr äußerst erregt zu der auf dem Zettel angegebenen Adresse, um ihre Tante zu suchen. Diese saß denn auch in dem Pflegeheim im Kreise anderer älterer Herrschaften. Es gelang Frau R. jedoch nicht, ihre Tante wieder nach Hause zu bringen. Sie wurde von den anwesenden Pflegekräften zurückgehalten. Von irgendwo aus dem Haus hörte sie eine Stimme. die, wie sie später erfuhr, Frau M., der Inhaberin des Pflegeheims gehörte: „Schmeißt sie raus! Wartet, ich hole die Polizei!“
Ich habe Frau M. selber nie kennengelernt“, sagt Frau R. „Auch als die Polizei kam, ließ sie sich nicht blicken. Stattdessen sagten ihre Mitarbeiterinnen aus, ich hätte eine von ihnen verprügelt.“ Tante M. erklärte den Beamten, sie sei für drei Tage zur Probe im Heim. Frau R. flog aus dem Haus und bekam auch Hausverbot. Ein direkter Kontakt zu ihrer Tante Magda war ihr damit nicht mehr möglich.
Die nächste Nachricht über Tante Magda war die Fotokopie eines von der Heimleiterin Frau M. von Hand geschriebenen und von Tante Magda unterschriebenen Antrages an das Amtsgericht: „Sehr geehrte Herren, hiermit beantrage ich für mich eine Betreuung durch das Amtsgericht Wilhelmshaven. Eile ist geboten, da ich über meine finanziellen Einkünfte etc. Auskunft haben möchte, die mir meine Nichte, die zur Zeit Vollmacht hat, verweigert. Ich bitte um den Besuch einer zuständigen Amtsperson. Meine derzeitige Adresse … “
Als Frau R. , die schon seit 1993 für ihre Tante die Miete, Versicherungen etc. zu zahlen gewohnt war, am 11.Juli versuchte, Geld vom Konto der alten Dame zu holen, bekam sie den Bescheid, daß die EC-Karte ungültig sei. Die wollen an Tantes Geld, war ihr Verdacht, und so wandte sie sich an einen Anwalt. Dessen Rat, unbedingt den Kontakt zu ihrer Tante zu halten, war nun gar nicht so leicht zu befolgen, da sie das Seniorenpflegezentrum ja nicht betreten durfte.
Über gemeinsame Bekannte und Verwandte erfuhr Frau R. in der Folgezeit wenigstens, wie es ihrer Tante ging. So hörte sie z.B., daß ihre Tante zunächst kein Zimmer hatte. Sie schlief in einem anderen Haus um die Ecke und hielt sich nur tagsüber im Pflegezentrum auf. Nach einigen Tagen konnte sie das Zimmer einer anderen Dame beziehen, die ihrerseits in das andere Haus gebracht wurde und kurz danach verstarb. Von einem alten Schulfreund der alten Dame erfuhr sie, Frau R., daß Magda A. nicht im Pflegeheim bleiben wollte. Um auf eigene Faust das Heim zu verlassen und in ihre Wohnung zurückzukehren, dazu war die alte Dame aufgrund ihrer Verwirrtheit nicht in der Lage, und ihre Schlüssel hielt die Heimleiterin unter Verschluß.
Als Frau R. ihre Tante Ende Juli zufällig in der Nähe des Pflegeheims in Begleitung der Dame vom Besuchsdienst traf, berichtete sie ihr, daß sie einen Anwalt eingeschaltet habe, um ihr die Heimkehr zu ermöglichen. „Die haben hier aber auch einen guten Anwalt“, war die Antwort ihrer Tante.
Dies war der vorerst letzte direkte Kontakt zwischen Tante und Nichte. Frau R. sah die alte Dame erst Ende Oktober im Krankenhaus wieder. Frau A. war gestürzt und hatte einen Schädelbruch erlitten. Das Pflegezentrum hatte ihr, der nächsten Angehörigen der Kranken, nichts darüber mitgeteilt; sie hatte zufällig von einer Nachbarin erfahren, daß ihre Tante schon fast drei Wochen stationär behandelt wurde.
Nach Abschluß der Krankenhausbehandlung konnte Frau R. ihre alte Tante nach Hause holen. Jetzt war Frau A. tatsächlich ein Pflegefall. Sie kann gar nichts mehr allein machen. Mittlerweile ist sie in dem neuen Pflegeheim in Friedeburg untergebracht.
Frau R. und den anderen Verwandten von Frau A. bleibt jetzt noch die Räumung der nicht mehr benötigten Wohnung überlassen. Mit dem Geld von Frau A. haben sie nichts mehr zu tun, das erledigt jetzt der vom Gericht bestellte Betreuer. Sie sind erleichtert, daß die alte Tante jetzt ihre Ruhe hat. Eine Dokumentation über den ganzen Vorgang haben sie dem Oberstadtdirektor, dem Sozialminister und dem Amtsgericht übergeben.
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