Teils heiße Luft.....
….teils frischer Wind
(noa) Eigentlich war für diese Seiten eine tabellarische Übersicht über die Wahlprogramme der im Rat vertretenen Parteien vorgesehen. Eine Tabelle haben wir wohl hingekriegt, aber übersichtlich war sie nicht. Da ist es schon einfacher, alle Programme selber zu lesen, als sich aufgrund des Studiums der Tabelle ein Bild von den Programmen zu machen. Die Programme unterscheiden sich nicht nur in ihren Inhalten. Noch unterschiedlicher als die programmatischen Aussagen und die politischen Forderungen sind der Umfang der Programme und der Grad der Konkretisierung der Aussagen.
CDU: Freundlichere Haltung gegenüber Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe; Vorrang der Industrieansiedlung vor dem Umweltschutz; Müllverbrennung; Umlandvertrag nicht verlängern, große Einkaufszentren bauen; auf Großindustrie setzen; keine Tourismuswirtschaft.
SPD: Weitere Entwicklung des Hafenstandortes WHV; Förderung vorhandener und Ansiedlung neuer kleiner und mittelständischer Betriebe; Ausbau der Freizeitwirtschaft; Ansiedlung weiterer Einrichtungen von Forschung und Lehre.
Grüne: Umorientierung in der Wirtschaftsförderung; Verzicht auf Großindustrie, stattdessen ein Gemisch aus vielen kleinen und mittleren Industriebetrieben, Dienstleistung und Freizeit/ Fremdenverkehr; wissenschaftliches und technologisches Potential stärker nutzen.
Frauenliste: Kurzfristige wirtschaftliche Erfolge nicht auf Kosten der Umwelt; Sicherung bestehender und Ansiedlung neuer Betriebe; Ausschöpfung aller Möglichkeiten des „alternativen“ Arbeitsmarktes; intensive Wirtschaftsförderung, diese finanziell und personell besser ausstatten.
FDP: Freihandelszone für die Hafenwirtschaft; Öl-Pipeline Wilhelmshaven-Halle; Förderung der Zusammenarbeit zwischen Instituten, Behörden und Wirtschaft; schnelle Realisierung der Wirtschaftförderungs-Gesellschaft Wilhelmshaven-Friesland.
UWB: Gewerbefreundlicheres Stadtklima: Verbesserung der Infrastruktur, niedrige Grundstückspreise
CDU: Abschaffung der öffentlichen Straßenreinigung; Sanierung des Abwasserkanalsystems, Erhöhung der Reinigungsleistung der Zentralkläranlage; Sanierung des Banter Sees; Erfassung von Altlasten und Beseitigung nach Erstellung einer Prioritätenliste; mengenabhängige Müllgebühr, Getrenntsammlung, Restmüllverbrennung.
SPD: Sicherung des Banter Sees als Naherholungs- und Freizeitgebiet; Ausbau der zentralen Kläranlage; Bau eines Abfallwirtschaftzentrums; Kauf des Bodens in der Nähe der Trinkwasserbrunnen, um die Verunreinigung des Trinkwassers zu verhindern.
Grüne: Ökologische Stadtentwicklung.
Frauenliste: Gegen Ansiedlung von Großindustrieanlagen wie Müllverbrennung und Erzhafen; Ausweitung des Meßnetzes zur Boden-, Luft- und Wasserüberwachung; Banter See regenerieren; Verzicht auf PVC, wo Alternativen zur Verfügung stehen; Erstellung eines Altlastenkatasters, schnellstmögliche Beseitigung der Altlasten, Verursacherprinzip; Vermeidung, Verminderung, Verwertung von Müll, Deponierung des Restmülls auf einer Deponie, die dem jeweiligen Stand der Technik entspricht.
FDP: Grüne Tonne, Recycling von Papier, Glas und evtl. Kunststoff, Erfassung der hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle, Getrenntsammlung an Baustellen, Abfallkataster; Schutz des Trinkwassers durch strenge Erfassung der Einleiter des städtischen Entwässerungssystems, weniger Düngung, weniger Gifte, Reduktion des Wasserverbrauchs; Sanierung des Banter Sees; Schiffahrtsentsorgung.
UWB: Keine Müllverbrennungsanlage bisheriger Technologie; Umrüstung umweltschädlicher Produktionsanlagen auf umweltfreundlichere Technologien; nicht mit Salz streuen.
Alle sechs Parteien sprechen vom Schutz der Umwelt. Nicht alle jedoch sehen Zusammenhänge zwischen zunehmendem Autoverkehr, Verbrauch von Landschaft durch Straßenbau, Umweltverschmutzung.
CDU: Die CDU wendet sich gegen die, die einer „ideologischen Autofeindschaft“ frönen und will die L 810, die Berliner Straße und die Friedenstraße durchbauen, damit die Bewohner der Randgebiete mit dem Auto ins Zentrum fahren können. Der öffentliche Personennahverkehr ist ein „Angebot“.
SPD: Die SPD will die Buslinien unseres Verkehrsbetriebes erweitern.
Grüne: Die Grünen wollen den Individualverkehr in der Innenstadt reduzieren.
Frauenliste: Die Frauenliste möchte dem öffentlichen Verkehr, den Fußgängern und den Radfahrern Vorrang vor dem Individualverkehr einräumen, das Radwegenetz erweitern und solche Maßnahmen mittragen, die zu Lasten von AutofahrerInnen gehen, wenn sie der Verbesserung des Nahverkehrsangebotes dienen. Sie wird keinen Baumaßnahmen zustimmen, die einen Verbrauch von Landschaft darstellen.
FDP: Auch die FDP will dem öffentlichen Nahverkehr, den Fußgängern und Radfahrern Vorrang vor den Autos einräumen und keine weiteren Straßen und Parkplätze bauen.
UWB: Die UWB äußert sich zu diesem Thema nicht.
Außerdem werden die Parteien am Samstag vor der Wahl in der Marktstraße und auf Marktplätzen an Infoständen anzutreffen sein.
Ganz so schlecht, wie die CDU die SPD macht, kann sie sie wohl in Wirklichkeit nicht finden. Immerhin hat sie für ihr Wahlprogramm ’91 das Motto des ’86er Programms der SPD geklaut: „Klarer Kurs für Wilhelmshaven“.
Einigkeit
herrscht bei den Ratsparteien in einem Punkt: In Wilhelmshaven müssen mehr Kindergartenplätze geschaffen werden. Weitgehend einig sind sie sich auch in der Forderung nach Erhaltung der Grundschulstandorte.
Herausragend sind alle Programme, jedes auf seine Art. In einem Preisausschreiben „Wer bastelt ein besonderes Wahlprogramm?“ bekommen deshalb alle Parteien von uns einen 1. Preis, jeweils unter verschiedenen Gesichtspunkten.
Der Platz 1 in Sachen Beschimpfung des politischen Gegners gebührt konkurrenzlos und eindeutig der CDU. An mindestens sieben Stellen nimmt die Abgrenzung von den Vorstellungen der anderen Parteien und die Absage an die Wünsche der Wilhelmshavener Bevölkerung den Charakter einer Schlammschlacht an. Da gibt es Sprüche wie: „Manche wirtschaftliche Aktivität ist bedauerlicherweise daran gescheitert, dass mit vielerlei künstlichen Bedenken, u.a. unter dem Mantel von Natur- und Umweltschutz, nicht zeitgerecht die notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden“ oder „Die CDU hat sich stets zur Bundeswehr bekannt. Dies bereits zu einer Zeit, als maßgebliche Repräsentanten der Wilhelmshavener SPD die Niederlegung von Kränzen und Kreuzen vor dem Wilhelmshavener Marinearsenal als ihren angemessenen Ausdruck des Verhältnisses zur Bundeswehr ansahen“ usw.
Die F.D.P. hat sich den Platz 1 in puncto „Dem Volke aufs Maul schauen“ verdient. Krönender Abschluß ihres Wahlprogramms ist ein Gedicht, das bei vielen WilhelmshavenerInnen zweifellos gut ankommen wird, ähnelt es bezüglich des streckenweise holprigen Versmaßes doch sehr den Samstags-WZ-Familienanzeigen vom Schlage „Kaum zu glauben, aber wahr, der Basti wird heut‘ 100 Jahr!“
Die Frauenliste bekommt von uns den 1. Preis für Klarheit in der Aussage. Die Frauen schreiben in ihrem Programm sehr klar und unmißverständlich, wofür und wogegen sie sind und verzichten auf die bei den anderen Parteien offensichtlich sehr beliebten Gemeinplätze.
Die SPD bekommt ihren 1. Preis in Form eines goldenen Pflastersteins. In ihren Programmen für die einzelnen Wahlbezirke bricht sie alle Rekorde in Sachen Pflasterung von Straßen.
Platz 1 für die Grünen für die konsequenteste Einhaltung des Mottos „In der Kürze liegt die Würze“: Statt lang und breit zu erklären, was sie wollen, verweisen sie bezüglich einiger Bereiche der Politik kurz und entschlossen auf die Landespolitik und fordern deren Umsetzung auf kommunaler Ebene.
Redlich verdient sich die UWB den goldenen Gartenzwerg als 1. Preis: Ihr Umweltprogramm gipfelt in der einzigen konkreten Forderung nach giftfreier Beseitigung der insektenfreundlichen Spontanvegetation (sie nennt sie „Wildwuchs“).
Die Wilhelmshavener Frauen sollten im Falle eines Wahlsieges der CDU Minderheitenschutz für sich fordern. Für die CDU, die im Vorwort zu ihrem Wahlprogramm bekennt, ihre „Politik nicht an kleinen Minderheiten, sondern an den Bedürfnissen und Wünschen der großen Mehrheit der Wilhelmshavener Bevölkerung“ zu orientieren, existieren Frauen offenbar nur, insofern sie junge Mütter, Tagespflegemütter oder Ratskandidatinnen der CDU sind. Sprachgebrauch ist sehr verräterisch! Die weibliche Form taucht im CDU-Programm einzig bei dem Wort „Kandidatinnen“ auf. Ansonsten gibt es in diesem Programm nur den Bürger.
Minderheitenstatus nach einem CDU-Sieg auch für alle Frauen und Männer, Mädchen und Jungen, die Sport treiben, ohne in einem Sportverein zu sein: Zur Sportförderung fällt der CDU die finanzielle Unterstützung der Arbeit der Sportvereine ein; Förderung des Breitensports ist nicht vorgesehen.
Sorry, the comment form is closed at this time.