Ortstermin
Okt 132010
 

Vielfach verwirbelt

LBU und NABU waren zur Baubesichtigung auf der Niedersachsenbrücke

(jm) Auf Grund von Hinweisen, dass an der Niedersachsenbrücke nur noch Kohlefrachter bis 50.000 Tonnen Tragfähigkeit festmachen dürften, sowie über Auskolkungen1) im Bereich der Niedersachsenbrücke wandte sich der „Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen e.V.“ (LBU) mit darauf abzielenden Fragen an die Hafengesellschaft „Niedersachsen Ports GmbH & Co. KG“ (NPorts). Diese Fragen wurden freundlicherweise schnell und umfassend beantwortet.

So erfuhr der LBU u.a., dass die Bauarbeiten an dem durch den Bau des JadeWeserPorts erforderlich gewordenen strömungsabschirmenden Verbau der Niedersachsenbrücke insoweit abgeschlossen seien, dass die Schiffe wieder unter den gegebenen Bedingungen abgefertigt werden könnten.
Während der Bauphase hätten sich die auf die Festmachertrossen wirkenden Kräfte der abgefertigten Kohleschiffe geringfügig erhöht. „Sie lagen innerhalb der zulässigen Toleranzen. Insofern ergab sich zu keiner Zeit die Erfordernis, die maximal zulässigen Schiffgrößen zu reduzieren.“ Auskolkungen würden nur am südlichen Ende der Umschlagbrücke beobachtet, wodurch eine Gefährdung ihrer Standsicherung nicht zu besorgen sei.
Abschließend wurde der LBU-Vertreter zu einer Baustellenbesichtigung eingeladen, die dann auch jüngst unter Teilnahme dreier weiterer Personen – darunter ein Vertreter des NABU –  durchführt wurde.
Zunächst wurde die Durchflussöffnung zwischen dem JadeWeserPort (JWP) und dem Knie zwischen Auffahrt und Umschlagbrücke (Jetty) der Niedersachsenbrücke in Augenschein genommen. Mittendrin steht das Seewasser-Entnahmebauwerk der IVG Caverns GmbH (IVG), von wo aus das Jadewasser zur Ausspülung weiterer Kavernen zum Etzeler Salzstock gepumpt wird. In diesem Bereich können strömungsbedingte Auskolkungen nicht ausgeschlossen werden. Deshalb muss die JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG (JWPR) das Bauwerk durch den Einbau von Wasserbausteinen gegen Unterhöhlung sichern. Bislang seien dort aber noch keine strömungsinduzierten Kolkbildungen festgestellt worden. Weitere Informationen wären allein bei der JWPR und der IVG verfügbar.
Übrigens: Die aus den Kavernen ausgespülte Sole wird zur Zeit noch gut sichtbar mittig der Brückenzufahrt zum Jetty über zwei Abflussrohre eingeleitet. Es ist jedoch vorgesehen, die Soleeinleitung in den Bereich der Durchflussöffnung zu verlegen, wo sie besser fortgespült werden kann.
Die seeseitige Spundwand zur Abschirmung des infolge des Verbaus durch den JWP von der Landseite her unter der Umschlagbrücke hindurchfließenden Ebbstroms ist fertig eingebaut. Sie reicht nach Süden noch 80 Meter über die eigentliche Umschlagbrücke in den Bereich des Leinenstegs hinaus.

Zu den Baumaßnahmen nimmt NPorts wie folgt Stellung:

Der Ausbau der Niedersachsenbrücke gewährleistet
a) die Annahme und Abfertigung von Massengutfrachtern mit einem Tiefgang von bis zu 18,5 m,
b) die Sicherstellung der Standfestigkeit der bestehenden Umschlagbrücke,
c) eine sichere Schiffsliegeposition durch die strömungsabschirmende Wirkung der Spundwand und
d) den Aufbau und den Betrieb leistungsfähiger Entladegeräte auf dem neuen seeseitigen Kranbahnbalken.
Das ca. 380 m lange Bauwerk ist bautechnisch als kombinierte Spundwand mit einem massiven Stahlbetonholm ausgebildet. Die kombinierte Stahlspundwand besteht aus durch Schrägpfähle rückverankerte Tragbohlen und Füllbohlen.

Bei Überschreitung eines bestimmten Pegelstandes taucht jede zweite Spundwandbohle unter Wasser, sodass der Tidestrom durch die so entstehenden Lücken hindurchfließen kann. Es wurde beobachtet, dass mit fortschreitender Zeit das ablaufende Wasser der Ebbtide auf ganzer Länge immer stärker durch diese Spundwandlücken gurgelte und von den hierdurch erzeugten Turbulenzen eine Schar von Möwen angelockt wurde. Dies warf die Frage auf, wie sich der so entstehende Strömungsdruck  auf die Festmacherleinen eines mit dem Jetty vertäuten Kohlefrachters auswirkt.
Dazu erklärten die Nports-Vertreter, dass die Sicherheit, Leichtigkeit und Leistungsfähigkeit der Schifffahrt dadurch nicht beeinträchtigt sei. Die Leinenzugkräfte würden schon seit langem regelmäßig gemessen und man läge auch jetzt noch weit unter der rechnerischen Belastungsgrenze. Das während der Hochwasserphase durch die Spundwandöffnungen fließende Wasser würde sich nur gering auf die entstehenden Leinenzugkräfte auswirken. Schwachpunkt sei allerdings der Zustand der Festmacherleinen an Bord der längsseits liegenden Schiffe. Deshalb werden belastbare Festmacherleinen auf dem Jetty vorgehalten. Bislang war das Leinenmaterial durch die Hafenaufsicht nicht zu beanstanden. Landseitig vorgehaltenes Leinenmaterial musste daher bisher nicht für die Vertäuung zur Verfügung gestellt werden. Die Verfügung neuer Leinen obliegt im Bedarfsfall der Hafenbehörde.
Als der LBU daran erinnerte, dass schon mal ein Kohlefrachter von der NSB losgerissen hat, wurde dem entgegengehalten, dass dies schon 20 Jahre her sei. Ursächlich für den Vorfall sei ein seeschiffseitiger Bedienungsfehler gewesen, der sich bisher nicht wiederholt habe.

Fragen nach dem Wind- und Strömungsdruck während und nach Sturmflutsituationen wurden folgendermaßen beantwortet:
„Die Längenausdehnung der Spundwandkonstruktion (ca. 380 m) wurde auf der sicheren Seite liegend aus den Ergebnissen hydronumerischer Rechenmodelle und physikalischer Naturmodelle abgeleitet. Im Ergebnis sind daher kaum erhöhte Trossenzugkräfte im laufenden Betrieb feststellbar. Kritische Zugkräfte wurden bei Weitem nicht erreicht.“
„Nach unseren fachlichen Bewertungen sind für den Sturmflutfall ausreichende Reserven gegeben. Das Notfallmanagement sieht im Bedarfsfall das Festmachen mit weiteren Leinen vor. Das kontrollierte Wegschleppen und Begleiten durch Schlepper war seit Inbetriebnahme der Niedersachsenbrücke nicht erforderlich und kann im Notfall durch die Hafenbehörde verfügt werden. Der geringe zu verzeichnende Zuwachs der Trossenzugkräfte im Ausbauzustand lässt erwarten, dass dies auch zukünftig nicht der Fall sein wird.“
Zum Abschluss der Besichtigung wurde nochmals ein Blick auf die Durchflussöffnung zwischen JWP und Niedersachsenbrücke geworfen. Infolge des sich verstärkenden Ebbstroms durchströmte das Wasser jetzt kraftvoll den Engpass und ergoss sich, vielfach verwirbelt, seewärts ins offene Jadegewässer.

1) Das Wort Kolk, regional auch Kulk, bezeichnet kleine Vertiefungen (so genannte Auskolkungen) am Grund strömender Gewässer, sowie kleiner Seen.

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