Olympia-Werke
Sep 011988
 

Quo vadis – OLYMPIA?

Statt Entlassungen neue Produkte

Eine 40.000 DM-Anzeige leistete sich am 4. Januar 1988 die „neugegründete Kraft auf dem Gebiet der Büro- und Kommunikationstechnik“ die AEG Olympia, um zu jubilieren: „Das neue Jahr fängt gut an.“ Wird in der Silvester-Ausgabe 1988 der WZ eine gleichformatige Anzeige stehen: „Das Jahr hört schlecht auf?“

OlympiaHöhen und Tiefen bei Olympia sind die Wilhelmshavener seit Jahren gewohnt, aber nun befürchtet der Betriebsrat, daß der ganze Standort verloren gehen könnte.

„Wie katastrophal die Folgen einer Schließung der Olympia-Werke für den Wirtschaftsraum an der Jade wären, geht aus Untersuchungen hervor, … Im Bereich des Arbeitsamtsbezirks Wilhelmshaven würde die Zahl der Arbeitslosen auf über 13.000 ansteigen. Die Quote, die zur Zeit zwischen 11 und 12% liegt, würde damit auf über 20% hochschnellen.“ So war der Stand im August 1982.

Vorangegangen waren Turbulenzen, die nicht nur in Wilhelmshaven, sondern weit darüber hinaus bekannt wurden. Da wurde der Vorstandsvorsitzende Ludwig Orth hart attackiert, der es zugelassen hatte (aus Unkenntnis?), daß Bilanzen jahrelang frisiert wurden, was schließlich zu seiner „Ablösung“ führte. Auch andere, die bei den Luftgeschäften mitgemacht hatten, schieden auf eigenen Wunsch aus, ließen sich aber ihren Abgang durch hohe Abfindungen oder stattliche Betriebsrenten versüßen. Wie Ex-Vorstandschef Ludwig Orth. Er bekommt von Olympia eine monatliche Rente von 7.000 DM.“ So stand es im „STERN“ im August 1981. Bekommen die seither entlassenen Olympia-Mitarbeiter auch solche Summen wie Orth, der nach seinem „Abgang“ nahtlos eine führende Position bei Standard Elektrik Lorenz (WZ vom 1.9.81) fand?

Dem 1982 drohenden AEG-Konkurs entging Olympia mit Hilfe eines 1,1 Milliarden DM-Kredits eines Konsortiums von Gläubigerbanken. CDU-MdB Erich Maaß, der damals in Sachen Olympia Gespräche mit der niedersächsischen Landesregierung, dem AEG-Telefunken-Vorstandsvorsitzenden Heinz Dürr und dem neuernannten Olympia-Chef Heinz-Werner Krause führte, sah damals keinen Grund, pessimistisch zu sein. „Was wir brauchen, ist Zeit und Vertrauen.“ (WZ vom 21.8.82) Zeit hatten danach zumindest die 700 Mitarbeiter, die damals entlassen wurden.

Zeit hatten auch die Manager. Wie nutzten sie diese, um der angeschlagenen Tante Olympia wieder auf die Beine zu helfen? Sie schliefen. Sie verschliefen nämlich den Einstieg in neue Technologien. Und sie gewöhnten sich an ihre roten Zahlen, glich doch die Mutter AEG die Verluste der Tochter Olympia immer wieder aus.

Um das Vertrauen bemühte sich der AEG-Vorstandsvorsitzende Heinz Dürr. In einer Bilanz-Pressekonferenz Mitte 1985 räumte er ein, daß man bei Olympia für 1985 noch mit Verlusten rechnen müsse, daß 1986 noch viel Mühe aufzuwenden sein werde; daß man jedoch 1987 aus der Talsohle heraus wäre.

In der Tat erfolgten 1986/87 in mehreren Schüben Einstellungen, wenn auch nur (die Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes machte es möglich) mit kurzfristigen Zeitverträgen. Doch Mitte 1987 erklärte Dürr, die Hoffnung, daß Olympia vielleicht schon im Geschäftsjahr 1987 erstmals wieder mit Gewinn arbeiten könne, sei reine Spekulation. Wie recht er hatte! Sieben Monate nach dem „guten Anfang“ des Jahres 1988 erfuhr man in Rundfunk und Fernsehen, später auch in der WZ, daß bei AEG Olympia einschneidende Maßnahmen auf dem Personalsektor bevorstehen. Die Pressesprecherin Eva-Maria Demuth wehrte sich zwar noch dagegen, konkrete Zahlen zu nennen, doch in Gerüchten wurden Zahlen zwischen 1.200 und 1.600 genannt. Aktuell geht es um 240 Mitarbeiter, die in den ersten Monaten 1988 mit Zeitarbeitsverträgen eingestellt worden sind. Für die ersten 113 waren die Verträge auf Ende August befristet, für die Übrigen endet das Vertragsverhältnis gestaffelt bis Ende Dezember. Von diesen 240 Beschäftigten werden nur 140 in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Die ersten 100 Entlassungen stehen also schon fest.

„AEG Olympia sucht nach neuen Produkten“, lautet die Schlagzeile der WZ vom 27.8.88. Es werde gezielt nach „Systemkomponenten“ gesucht, die am Standort Roffhausen in Produktion genommen werden könnten; der Produktionszweig Schreiben müsse um „neue Produkte aus anderen Bereichen“ erweitert werden, heißt es im Artikel. Was meint der AEG-Vorstand mit den „neuen Produkten“?

„Hoffen für Olympia“ überschrieb Carl-Friedrich Ehlers seinerzeit einen Kommentar zur oben erwähnten Bilanz-Pressekonferenz 1985. Er deutete damals an, in welche Richtung die Hoffnung gehen könne, nämlich in Richtung Rüstung. Im Geschäftsbericht des AEG-Telefunken-Konzerns hatte er ausgemacht, daß „Großprogramme für die Verteidigung bestimmend“ seien, und er folgerte: „Und die Verteidigung in Form der Bundesmarine liegt schließlich bei Olympia vor der Haustür. Ob sich da nichts machen läßt?“ (WZ vom 15.5.85)

Es kursieren Gerüchte, daß die Baumaßnahmen, die momentan bei Olympia laufen, darauf deuten, es ließe sich etwas machen. Computergesteuerte Sicherheitsschranken werden an den Eingängen und Zufahrten zum Werksgelände angebracht: nach Abschluß der Arbeiten dürfen die Mitarbeiter nicht mehr mit ihren Pkw aufs Gelände fahren. Begründet wurde diese Maßnahme von Seiten der Geschäftsleitung damit, daß Terroristen eindringen könnten. Wir können uns kaum vorstellen, daß Terroristen vorhaben könnten, bei Olympia Schreibmaschinen zu rauben.

Der Betriebsratsvorsitzende Holger Ansmann bezeichnet die Vermutung, es handle sich hierbei um die Vorbereitung auf eine Umstellung der Produktion auf Rüstungsgüter, als „reine Gerüchte“ und erklärte dem GEGENWIND: „Wir beteiligen uns nicht an den Spekulationen.“ Am wichtigsten sei es im Augenblick, Entlassungen oder gar die Schließung des Werkes zu verhindern. Entlassungen wird es geben – über die 100 genannten hinaus weitere 500.

Welche neuen Produkte in die Palette der Olympia-Werke aufgenommen werden, bleibt abzuwarten – hoffentlich steht der Betriebsrat nicht als nächstes vor dem Problem, Rüstungsproduktion abzuwehren.

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