Ökosiedlung
Jan 111995
 

Bürger-Initiative unerwünscht?

Städtische Vorgaben gefährden das Konzept der Ökosiedlung Aldenburg

(iz) „Nicht rechtzeitig in die Puschen gekommen“ sind nach Aussagen der Stadt die Initiatoren des Modellprojekts Ökosiedlung Aldenburg. Diese haben in Wirklichkeit in kaum mehr als einem halben Jahr ihre Idee zur Planungsreife vorangetrieben. Das soll die Stadt erstmal nachmachen. Stattdessen hat sie mit gestohlenen Fragmenten des Konzepts die Fläche in einem öffentlich ausgelegten Bebauungsplan einer konventionellen Bebauung preisgegeben.

Ende Juli 1994 hat das erste Treffen der „Interessengemeinschaft Ökosiedlung Aldenburg“ stattgefunden. Die Absichtserklärung wurde diskutiert und Arbeitsgruppen festgelegt. Mitte September wird die Absichterklärung mit finanzieller Beteiligung verabschiedet. Einen Monat später wird ein Gemeinschaftskonto eingerichtet; fünf Arbeitsgruppen werden gebildet. Zu diesem Zeitpunkt sind zehn Familien an der Gemeinschaft beteiligt. Kurz darauf finden erste Gespräche mit Baudezernent Kottek und Hochbauamtsleiter Dr. Sommer statt. Auf dem Ökomarkt wird das Konzept vorgestellt und findet den Beifall der anwesenden Mitglieder des Bauausschusses: Es wird betont, daß die Fläche bewußt für die Interessengemeinschaft bzw. deren Konzeption vorgehalten und deswegen ein Bebauungsplan nicht vorzeitig ausgelegt werden soll.
Anfang Dezember wird der städtebauliche Entwurf einem versierten Hamburger Architekten übertragen – Abgabetermin Mitte März 95. Die Gemeinde Schortens und die Stadt Jever laden die Interessengemeinschaft, der jetzt schon 15 Familien angehören, zu Vorträgen über das Konzept ein.

OekosiedlungAnfang Februar 95 legt die Stadt den Bebauungsplan Nr. 51 – nördlich Friedhof Aldenburg – öffentlich aus. Als Ziel und Zweck der Planung wird die „Ausweisung eines Wohngebietes vorzugsweise für eine Bebauung nach ökologischen Gesichtspunkten“ genannt. Damit steht die Fläche jedem Planungsträger bzw. Investoren offen. Der Vorbehalt „vorzugsweise“ wird nicht zufällig erwähnt. Die Interessengemeinschaft erfährt von der Auslegung und der Kritik der Stadtverwaltung aus der Presse.
Termingerecht stellt Professor Ingo Gabriel von der Hamburger Hochschule für Architektur einen bemerkenswerten Entwurf vor. Dieser geht nun zwangsläufig in die öffentliche Ausschreibung. Verbindliche Zusagen seitens der Interessengemeinschaft, auch finanzieller Art, liegen vor. Ob dieses professionelle Angebot gegenüber anderen Planungen, die vordergründig billiger erscheinen, eine Chance hat, bleibt abzuwarten. SPD-Ratsherr Karl-Heinz Föhlinger will „keine Extrawurst für Ökologen mit Torfklosett in Aldenburg“. Für ihn steht im Vordergrund, „Besserverdiener“ in das Gebiet zu ziehen, die möglichst hohe Grundstückspreise bezahlen sollen.
Rückenwind erhalten die Ökoplaner zumindest von der CDU Wiesenhof, die eine unzureichende Einbeziehung der Interessengemeinschaft in städtische Planungen kritisiert und die Umsetzung eines „echten Ökokonzeptes“ unter den derzeitigen Vorzeichen bezweifelt.

 

Ökosiedlung Aldenburg: Das Konzept der Interessengemeinschaft

 

Die 3 ha große Fläche auf einer ehemaligen Wurt, derzeit intensiv genutzter Acker, soll umwelt- und ressourcenschonend zum Lebensraum für etwa 150 BewohnerInnen entwickelt werden.

Das Konzept ist lebens- und zeitnah. Die Siedlung ist nicht der müsli-essenden Öko-Klischeefamilie mit Birkenstocksandalen und Komposttoilette vorbehalten. Ganz bewußt hat die Gruppe unter Mitwirkung ihres weltoffenen Architekten auch Alte, Singles oder „Yuppies“ mit eingeplant. Die Sozialstruktur bietet auch Platz für integrative Wohngemeinschaften mit Behinderten oder Jugendlichen in schwierigen Lebensumständen.

Geplant ist nicht eine elitäre Insel; bewusst wird die Öffnung nach außen und die Verflechtung mit angrenzenden, gewachsenen Siedlungen (Stadtparkkolonie, Wiesenhof, Aldenburg und das noch junge Gebiet westlich der Kurt-Schumacher-Straße) gesucht Deren Bewohnern stehen gemeinschaftliche Einrichtungen wie der geplante Kindergarten, der Bioladen oder. der kommunikative Waschsalon mit Café gleichfalls offen.

Alte Leute werden nicht zwangsintegriert; sie können den Kontakt mit der Jugend suchen, sich aber – wie es früher schon üblich war – in die wohlverdiente Ruhe des „Altenteils“ zurückziehen. Der Schritt zurück – oder vorwärts – zur Großfamilie läßt sich nach Jahren des Singledaseins nicht übers Knie brechen.

Nicht gewünscht ist der motorisierte Durchgangsverkehr. Die Erschließung der Grundstücke auch für Versorgungs- und Rettungsfahrzeuge ist,  entgegen den starren Vorstellungen der städtischen Planer, mit dem pfiffigen Entwurf von Ingo Gabriel auch anders möglich.

Imke Zwoch

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top