NPD-Demo 5
Apr 012004
 

Besser ging’s nicht

Das „Wilhelmshavener Bündnis gegen Rechts” wurde vom Antifaschistischen Bündnis und DGB Wilhelmshaven ins Leben gerufen. Seit Jahresanfang trafen sich AntifaschistInnen aus Stadt und Region, um zu beraten, wie man dem Naziaufmarsch öffentlichkeitswirksam entgegentreten könnte. Der Kreis stand jedem offen, wovon verdeckte Ermittler der Polizei regen Gebrauch machten. Einige Tage nach dem 20.3. zogen die TeilnehmerInnen eine kritische Bilanz der eigenen und anderen Aktivitäten.

npd_aufmarsch_2Polizeisprecher und andere hatten behauptet, das Bündnis, namentlich DGB-Sekretärin Dorothee Jürgensen, sei „mit der Organisation der Gegendemonstration überfordert” gewesen. Es wurde jedoch gar keine Demo, sondern nur eine Gegenkundgebung organisiert. Dazu konnte jede/r kommen (soweit die Polizei nicht „aussortierte”), ob er/sie nun an den Vorbereitungen teilgenommen hatte oder nicht. Dass sich nach Abschluss der offiziellen Kundgebung, d. h. der vorbereiteten und spontanen Redebeiträge, die Menge rasch zerstreute, lag vor allem an ergiebigen Regenfällen. Die kann selbst eine machtvolle Gewerkschaft weder auf Monate vorhersehen noch verhindern, geschweige denn freiwillig gekommenen BürgerInnen vorschreiben, dass sie zu bleiben oder was sie sonst zu tun haben, oder gar daran hindern, sich dem Naziaufmarsch zu nähern.
Das Bündnis war sich einig, dass Frau Jürgensen fleißig und effektiv gearbeitet hat – von Gesprächen mit „ihrem Kontaktbeamten” bis hin zum Kaffeekochen für durchgefrorene Bündnismitglieder nach Abreise der NPD.
Auch einen weiteren Vorwurf eines Polizeichefs gegen Frau Jürgensen wies das Bündnis entschieden zurück. Am späteren Nachmittag versuchten Polizeibeamte mehrfach, ins DGB-Haus einzudringen, vermutlich um noch einige AntifaschistInnen einzukassieren. Erst drei Blaue, dann vier Grüne, die einen 14-Jährigen vor der Tür verhafteten. Als gegen das Hausrecht des DGB nichts auszurichten war, wurden zwei Zivile vorgeschickt, die vorgaben, als Mitglieder der GdP dort die Toilette benutzen zu wollen. Ihr tatsächliches Ansinnen und andere Möglichkeiten in der Nähe, um mal „auszutreten”, sprachen dagegen, sie einzulassen. Der Staatsschutz will das jetzt zum Staatsakt bis zur Polizeigewerkschaft aufblasen – mit der der DGB im Gewerkschaftsalltag stets gern und gut zusammen arbeitet.
Ansonsten bewertete das Bündnis den Polizeieinsatz sehr differenziert. Es gibt nicht „den & die PolizistIn”, dort ist menschlich und politisch ein Querschnitt durch die Bevölkerung vertreten. Unter den Jüngeren waren viele gerade aus der Polizeischule gekommen und etwas aufgeregt, aber es gab immer wieder erfahrene Vorgesetzte, die übereifrige MitarbeiterInnen zur Besonnenheit brachten. Im Großen und Ganzen hielt man sich an die Devise „Einzelpersonen werden durchgelassen”, wobei es einen Altersbonus gab – junge Menschen galten meist als verdächtiger.
Gelegentlich war am Rande der Demo sogar ein sachliches bis freundliches Gespräch mit Beamten möglich. Hier und da mussten Einsatzkräfte über Witze der Nazigegner herzlich lachen. Auf der anderen Seite gab es auch unangenehme Vertreter in Uniform, bis hin zu „die (Antifaschisten) sollte man alle vergasen.”
Der „effektive logistische Aufwand” der Polizei war von vornherein durch die (im Doppelsinn) überwältigende Anzahl von BeamtInnen, verbunden mit Erfahrungen aus anderen Stationen der Nazikampagne, von Erfolg gekrönt. Ein paar Dutzend Festnahmen von Antifaschistinnen waren nicht nachvollziehbar, aber vermutlich für die Erfolgsbilanz und Rechtfertigung des Polizeieinsatzes erforderlich.
Unter anderem wurden Nazis, die Foto- und Filmaufnahmen von Antifas machten, von der Polizei geschützt. Verhaftet wurde nicht, wer sich widerrechtlich das persönliche Bild eines anderen aneignete, sondern derjenige, der sich dagegen wehrte. Dabei sollte die Polizei wissen, dass die Nazis solche Fotos gern auf ihre so genannten „Todeslisten” stellen. Im Zuge der Gefahrenabwehr für die betroffenen BürgerInnen müssten solche Portraitaufnahmen polizeilich unterbunden werden.
Gegen den privaten Sicherheitsdienst in der Nordseepassage war die Polizei allerdings eine Pazifistentruppe. Statt der sonst vereinzelten Herren im schwarzen Zweiteiler war ein ganzes Korps im Kampfanzug angereist, um nach eigenem Gutdünken und mit teilweise brutalen Methoden Besucher der „Mall” auszusortieren. Am Vorabend sah jemand einen der schwarzen Sheriffs in angeregtem Gespräch mit dem lokalen Alt-Rechten Dieter Jochade. Noch nach dem Abzug der Nazis wurden Einzelne, die im Obergeschoss erleichtert der Nordwestbahn mit braunem Inhalt nachschauten, unter Androhung von Hausverbot (oder unterschwellig weiteren „Maßnahmen”) des Hauses verwiesen. Im Unterschied zu Mitarbeitern anderer Dienstleister trugen diese hier keine Namensschilder. Da man gerne wissen will, wer einen da gerade wie einen Kinderschänder behandelt hat, fragt man eben und kriegt zur Antwort: “Mein-Name-geht-dich-Scheißdreck-an”. Ziemlich langer und ungewöhnlicher Name.
Da geht man halt woanders was essen und trinken. Mitglieder des City-Interessenvereins werden sich über die zusätzlichen Kunden freuen, Gastronomie und Einzelhandel in der Nordseepassage wird durch derartiges (gelinde gesagt) unprofessionelles Verhalten dauerhaft Schaden zugefügt. Da kann Passagenmanager Hoffmann sich lange gegen Gewalt aussprechen (unlängst in einem WZ-Gespräch) – solange „sein” Sicherheitsdienst, wie schon an anderen Tagen beobachtet, harmlose Obdachlose brutal aus der Passage drängt oder an Tagen wie dem 20.3. massenhaft Kunden vergrault, hat er irgendwas falsch gemacht.
Was wurde noch berichtet? In den Tagen vorm „Nazi-Samstag” wurden Mitarbeiter der Polizei dabei beobachtet, wie sie öffentliche Räume (Cafés etc.) in der Innenstadt „verwanzten”. Auch Richtmikrofone wurden benutzt, um zu hören, wie (bestimmte) BürgerInnen zum Naziaufmarsch stehen. Über die an höheren Gebäuden längs der Nazi-Marschroute angebrachten Kameras hatten wir schon berichtet. Haussuchungen hat es auch gegeben, unter anderem in einer größeren Wohnanlage an der Rheinstraße.
Solange keine Gewalt gegen Personen oder Sachen geplant oder ausgeübt wird, ist es jedoch nicht strafbar, sich gegen Nazis zu stellen. Einige Teilnehmer der Bündnistreffen bedauerten, dass man nicht mit noch mehr Menschen gewaltfrei, durch Sitzblockaden, den Naziaufmarsch blockiert hätte. Wer in anderen Städten dabei war oder Berichte darüber gesehen hat, weiß aber, dass selbst diese Form des Widerstands nicht gern gesehen und „im Zweifelsfall” mit Polizeiknüppeln aufgelöst wird.
Das, was das Bündnis geplant hatte – eine Kundgebung und das, was sich viele TeilnehmerInnen heimlich gewünscht hatten – viele BürgerInnen kommen spontan und stellen sich friedlich, aber laut den Nazis entgegen – hat funktioniert.
Wenn die Nazis, wie angedroht, im nächsten Jahr wiederkommen, werden es hoffentlich noch viel mehr Menschen sein.

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