Nordseepassage
Feb 272002
 

Lack ab – Glantz weg

Welche Zukunft hat die Nordseepassage?

(iz) Die Halbwertzeit eines Managers in Wilhelmshaven ist auffallend kurz. Nachdem zuletzt WPG-Geschäftsführer Martin Linne nach einem knappen halben Jahr das Weite suchte, hat nun Christian Glantz, Geschäftsführer der Nordseepassage, plötzlich und unerwartet seinen Job geschmissen. Was beiden – und weiteren Kurzzeit-Promis in WHV – gemeinsam ist: Wenn sie kommen, werden sie hoch gelobt; wenn sie gehen, wird sich ausgeschwiegen.

Offen bleibt, ob Glantz rechtzeitig ging, ehe er gegangen wurde. Auch wenn Wachpersonal und eine strenge Hausordnung die Ordnung äußerlich aufrecht erhalten, sind Fluktuation und Leerstände unter den etwa 60 Ladenlokalen in der Passage unübersehbar. Die Schaufenster des verschwundenen Café Florian sind zwar nicht mit Zeitungen, aber mit Plakaten zugeklebt, die für das Frühjahr den Einzug des „Café und Bar Celona“ verheißen. Bei „Baxter Skate + Fashionwear“ ist es ebenfalls zappenduster. Der Reiseausstatter „unterwegs“, dem es erfreulicherweise gut geht, kann sich über gleich zwei günstige Ausstellungsfenster freuen: Im Untergeschoss füllt er die Front der ehemaligen Bärenapotheke, im Obergeschoss kaschiert er das Fehlen des verschwundenen Camel-Shops mit Trekkingartikeln. Der derzeitige Leerstand entspricht etwa dem zur Neueröffnung der Passage. Soll an all dem Christian Glantz schuld sein, und wird unter dem neuen Management alles besser? Der GEGENWIND befragte Geschäftsleute der Nordseepassage. Dass die sich nicht alle grün sind, war schon klar, als Kritik an unterschiedlichen Mietpreisen laut wurde. Es liegt auf der Hand, dass Mieter von Kleinstflächen pro m² mehr bezahlen als Riesenläden, denn an der Infrastruktur müssen sich alle beteiligen. Marktwirtschaftlich ist nachvollziehbar, dass große Filialisten bessere Preise aushandeln können als kleine Lokalmatadoren. Bemängelt wurde unter Geschäftsnachbarn die mangelnde Solidarität bei Gemeinschaftsaktionen, viele denken nur an das individuelle Wohl. Knallharte Kritik gab es für den Bereich der Gastronomie. Hier ist ein Trend zu beobachten, den Leckermäuler auch im übrigen Stadtgebiet feststellen: Einstieg auf hohem Niveau hinsichtlich Essen und Service – und nach wenigen Wochen oder Monaten ein rasanter Abfall ins Unzumutbare, sprich: Die Pleite haben sich die Gastronomen selbst zuzuschreiben. Herr Glantz, wurde uns berichtet, sei kein einfacher Mensch, aber man könne durchaus mit ihm klarkommen. Das kann auch unsere Redaktion bestätigen, hat er uns doch – nachdem zunächst ein Wachmann unseren Mitarbeiter der Räume verwiesen hatte – eine Erlaubnis zum Fotografieren (leerstehender Geschäfte!) in der Passage erteilt. Seine Vorgängerin, wurde berichtet, suchte allerdings mehr den persönlichen Kontakt zu den einzelnen Geschäftsinhabern. Solche Kommunikation ist für solch ein Gemeinschaftsprojekt ein wesentlicher Faktor, dessen Fehlen jetzt bemängelt wird. Immerhin hat sich unter Glantz das gläserne „Herz“ der Stadt nebenbei zu einer Kultur- und Begegnungsstätte entwickelt, mit regelmäßigen Ausstellungen, Musikveranstaltungen und Festen. Dem zollte auch OB Menzel in seiner ansonsten peinlichen Rede zur Eröffnung der aktuellen Ausstellung (s. Meldung in dieser Ausgabe) Respekt. Auch wenn viele das historisches Bahnhofsgebäude immer noch missen; auch wenn der gelbliche Klinkerklotz äußerlich immer eine Zumutung bleiben wird und, im Ensemble mit Parkhaus und Kinopolis, das Stadtzentrum brutal teilt statt gliedert: Man hat sich daran gewöhnt, warm und trocken einzukaufen und den Zügen nachzuwinken, die die Provinz gen Oldenburg verlassen. Um den Preis, dass gewachsene Einkaufsmeilen wie die Gökerstraße und die Marktstraße (die von Westen her jetzt schon bis hinter Leffers betroffen ist) immer stärker ausbluten. Dieser Fluch, der von der Passage ausgeht, fällt jetzt auf sie selbst zurück. Wenn dort irgendwann Totentanz herrschte, wären alle Opfer, die dem Konsumtempel dargebracht wurden, auch noch vergebens gewesen.


In der ursprünglichen Fassung dieses Artikels stand noch der Satz: „Bric + Brac ist nur noch per Telefon erreichbar.“ Doch da haben wir nicht richtig hingeguckt:

BRIC & BRAC lebt!

Manchmal sieht man den Wald vor Bäumen nicht: Nach unserem sorgenvollen Schaufensterbummel in der Nordseepassage haben wir versehentlich ein Geschäft „totgesagt“, das erfreulicherweise immer noch dort ist. Falsch ist, dass BRIC & BRAC in der Passage „nur noch telefonisch erreichbar“ ist. Richtig ist, dass BRIC & BRAC seit der Geschäftseröffnung am 15.10.99 während der üblichen Öffnungszeiten noch nicht eine Sekunde geschlossen war. Richtig ist, dass BRIC & BRAC im ehemaligen Ladenlokal der Firma Seemann jetzt eine ständige Antiquitäten-Ausstellung des Hauptgeschäftes unterhält, das 30 m weiter südlich nach wie vor geöffnet ist. Die (tatsächlichen) Leerstände in der Passage haben uns wohl so schockiert, dass wir im Aushang (mit Telefonnummer) den Hinweis auf das Hauptgeschäft überlesen und uns vor Drucklegung nicht mehr persönlich vom Fortbestand von BRIC & BRAC in der Passage überzeugt haben. Unser Versehen hat zu einigen Irritationen geführt, für die wir uns beim Geschäftsführer, den MitarbeiterInnen und der Kundschaft hiermit entschuldigen möchten. Auch für uns war es ärgerlich, sollte der Artikel doch für eine lebendige Innenstadt – sei es in der Passage, der Marktstraße oder anderen etablierten Einkaufsvierteln – plädieren. Wir freuen uns, dass BRIC & BRAC nach wie vor in der Passage schöne Einrichtungs- und Geschenkartikel anbietet und wünschen diesem und allen anderen mittelständischen Betrieben in Wilhelmshaven weiterhin viel Erfolg! (iz)

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