Nord-West Ölleitung
Nov 021992
 

Ölgötzen

In Sachen Nord-Ost-Pipeline kennt die NWO keine Parteien mehr, sondern nur noch Wilhelmshaven

(jm/hk) Ein Trugschluß lag laut der Nord-West Ölleitung GmbH (NWO) der Meldung im GEGENWIND 109 „Die Chancen für eine Rohölpipeline …“ zugrunde. Darin wurde die Rohölversorgung der neuen Bundesländer durch die GUS-Staaten über Rostock aus ökologischen Gründen befürwortet. Es kam auf Anregung der NWO zu. einem langen Gespräch. Als NWO-Pumpenmänner kamen zum Einsatz die Herren Holzhausen (Verwaltungsleiter), Bonitz (Öffentlichkeitsarbeit) und Beck (Betriebsrat). Als Verteilschieber schufteten die GEGENWIND-Redakteure Klöpper und Martin. Im folgenden fassen wir die wichtigsten Punkte des Interviews zusammen.

NWO: Das Raumordnungsverfahren für die Nord-Ost-Pipeline (NOP) läuft. Es ist aber noch keine Investitionsentscheidung gefällt. Denn die bei den Konsortien in Schwedt und Leuna haben noch keinen Beschluß gefaßt, über welchen Hafen sie die Rohölversorgung der Raffinerien in den neuen Bundesländern bewerkstelligen werden. Das ist der Sachstand!
Als Varianten haben sich herauskristallisiert: hier die NOP in Wilhelmshaven – und von Rostock aus die Rostock-Heinersdorf Pipeline (RHP). Wobei man wissen muß, daß die Tanker nach Rostock rund um Jütland und durch den Großen Belt – eine schmale, schwierige Zufahrt zur Ostsee mit hoher Verkehrsdichte, z.B. durch schnellen Fährverkehr, fahren müßten. Wir sind da schon bei einem ökologischen Problem und es hat uns schon etwas irritiert, daß Sie schreiben, die ökologischen Probleme sind hier größer als bei der Rostock-Variante.

Gegenwind: Da steht noch was davor, nämlich, daß die Lieferung für Rostock in erster Linie über die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) laufen sollte. Das wurde uns von der Rostocker Stadtverwaltung mitgeteilt.
NWO: Das mag Wunschdenken der Rostocker Hafenverwaltung sein. Die Rohölmengen, die die neuen Bundesländer aus der GUS beziehen, werden über die Druschba-Pipeline transportiert, nicht per Schiff. Es ist absolut hirnrissig, ein Schiff zu benutzen, wenn ich eine Pipeline als Transportmöglichkeit habe, schon von den Kosten her.
Die bei den Konsortien in Schwedt und Leuna kalkulieren insgesamt einen Bedarf von zwanzig Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr. Zehn Millionen sollen weiter auf dem Landweg per Druschba-Pipeline aus der GUS kommen und weitere zehn Millionen sollen per Schiffstransport über den Atlantik bzw. aus der Nordsee angeliefert werden.

Gegenwind:Unser Gedankenansatz ist, daß Raffinerien, die traditionell von Osten her versorgt wurden, weiterhin von dort versorgt werden. Das ist ökologisch die beste Lösung, weil die Pipelines da schon liegen. Außerdem wird der GUS so am besten geholfen, wieder auf die Beine zu kommen.
NWO: Die Gesellschafter, die sich da drüben eingekauft haben…
Gegenwind: Wer ist denn das?
NWO: Veba, DEA, Thyssen, ELF, AGIP, Total; das sind die in Schwedt und Leuna vertretenen Firmen. Die wollen aus der Abhängigkeit von der GUS kommen. Man hat feststellen müssen, daß die Lieferungen aus der GUS auf sehr schwachen Beinen stehen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, will man sich eine westliche Anbindung schaffen. Aber wie stellen Sie sich dazu eine Lösung vor?

Gegenwind: Die erweiterte Bundesrepublik wird über vier Regionen mit Rohöl beliefert: zunächst über die Nordseehäfen Rotterdam, Wilhelmshaven und Hamburg, dann den Ölhafen Fos-sur-Mer bei Marseille, weiter über Genua und Triest, schließlich direkt aus der GUS via Druschba-Pipeline. Von Versorgungsrisiken kann also keine Rede sein.gw111_pipeline
NWO: Es sieht aber so aus, als ob die Leute da drüben ein zweites Standbein haben wollen, weil die Ölmengen aus der GUS schon zurückgefahren wurden. Die wollen auch ihre Arbeit behalten. Oder würden Sie gerne von einer Seite abhängig sein?
Gegenwind: Die sind nicht von einer Seite abhängig. Von der Pipeline, die von Triest nach Bayern geht, sind die nur einen Katzensprung entfernt. Es ist doch technisch überhaupt kein Problem, zeitweilige Versorgungsengpässe der GUS zu überbrücken.
NWO: Ich habe so ein bißchen das Gefühl, daß Sie nach dem Sankt-FloriansPrinzip handeln: Von überall her soll geliefert werden, bloß nicht von Wilhelmshaven.·

Gegenwind: Wir wollen Ihrem Projekt nur das Umweltmäntelchen entreißen. Schließlich hat man der Öffentlichkeit seinerzeit schon die Norddeutsche Ölleitung (NDO) von hier nach Hamburg als Umweltpipeline verkauft.
NWO: Hätten Sie es lieber gehabt, daß die Schiffe weiter durch die Eibe fahren?
Gegenwind: Fahren sie ja! Verschwiegen wurde, daß ein Anschluß der Hamburger SHELL-Raffinerie überhaupt nicht vorgesehen war, obwohl ausgerechnet dort bis heute die größten und gefährlichsten Tanker auf der Elbe hinfahren.

NWO: Dann veröffentlichen Sie doch, dass es ökologisch sinnvoll ist, daß sich die SHELL an die NDO anschließt.
Gegenwind: Das ist damals schon geschehen. Da haben Sie sich aber nicht gerührt. So läuft das nun mal unter den Konkurrenzbedingungen in der Privatwirtschaft.
NWO: Es wäre auch für unser Unternehmen von Vorteil, wenn wir den SHELL-Umschlag abwickeln könnten. Aber wie hätten Sie’s denn lieber? Planwirtschaft haben wir doch drüben gehabt – 40 Jahre!

Gegenwind: Wenn die Pipelines, genau wie Kabel-, Schienen- und Straßennetze, unter eine Regie kämen, dann könnte nicht mehr jeder Ölkonzern sein eigenes Süppchen kochen, sondern müsste sich in eine Gesamtkoordination einfügen. Dann hätten wir diese Pipeline-Diskussion überhaupt nicht.
NWO: Das mag aus ihrer Sicht richtig sein.

Gegenwind: Nochmal zur Umwelt: Sehen Sie denn keine ökologischen Probleme, wenn bei Realisierung der NOP nahezu die doppelte Anzahl von Tankern durch den Nationalpark Wattenmeer zu Ihnen schippert?
NWO: Wir sehen nicht diese Probleme, weil hier eine sichere Fahrrinne vorhanden ist.
Gegenwind: Auch nicht für den Supertanker, der da gerade mit 19,73 m Tiefgang draußen an Ihrem Löschkopf liegt?
NWO: Nein, sonst wär‘ er ja nicht hier.

Gegenwind: Meinen Sie nicht, daß das Havarierisiko auf der Jade mit zunehmendem Schiffstiefgang exponentiell ansteigt?
NWO: Daß wir größeren Schiffsverkehr bekommen, ist eindeutig klar. Daß wir das handhaben können, haben wir schon vor vielen Jahren bewiesen, als die Radarkette noch nicht so verfeinert gewesen ist wie jetzt. Auch das Lotswesen ist damals noch nicht so ausgeprägt gewesen.

Gegenwind: Es hat ja damals mehrere Havarien gegeben. Daß die in den achtziger Jahren ausgeblieben sind, mag zum Teil an den von ihnen angesprochenen Verbesserungen liegen. Menschliche und technische Fehler an Bord kann man dadurch aber nicht abstellen. Und dieses Schiff, das da vor Ihrem Fenster liegt, füllt – wenn es abgeladen die Jade befährt – 20 Prozent der ihm zur Verfügung stehenden Fahrrinnenbreite aus.
NWO: Das heißt ja nicht, daß wir regelmäßig solche Schiffe bekommen werden. Schön, Ihre Idealversion ist die Druschba! Aber lassen wir uns doch auch mal auf die Realitäten ein: Wenn Rostock den Zuschlag bekommt, dann müßten wir davon ausgehen, daß ganz automatisch eine ökologische Variante mit reinkommt, weil dann 120.000-Tonnen-Schiffe durch den Belt fahren müßten.

Gegenwind: Das mag aus ihrer Sicht richtig sein. Sie haben ja auch ein ganz bestimmtes Interesse.
NWO: Unser Interesse ist sehr lokaler Art, weil unser Unternehmen mit vierzehn Millionen Tonnen Umschlag pro Jahr an der Untergrenze, d. h. an der Schmerzgrenze liegt. Da mögen Sie möglicherweise sagen, o.K., dann ist hier ein Unternehmen weniger. Aber wir sind soweit, daß wir jede Tonne Umschlag zusätzlich brauchen, um die Wirtschaftlichkeit dieses Unternehmens zu garantieren.
Wir haben im letzten Jahr über 13 Millionen DM Verlust gemacht und die Verluste der nächsten Jahre sind vorprogrammiert. D.h., wenn es uns nicht gelingt, hier zusätzlichen Umschlag herzubekommen, sieht es möglicherweise um dieses Unternehmen, den Öl- und Tiefwasserhafen – da freuen sich sicher einige drüber in Wilhelmshaven – sehr schlecht aus. Das sind 140 Arbeitsplätze zuzüglich 150 Kontraktoren – in dieser Größenordnung muß man damit rechnen – zuzüglich Steuern und und und …

Gegenwind: Sind wir jetzt mit dem Thema durch? (Allgemeines Nicken) Dann auf Wiedersehen!

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