Späte Einsicht – wider Willen
Voslapper Groden wird endlich unter Naturschutz gestellt
(red) Seit fast fünf Jahren ist bekannt, dass der Voslapper Groden nach Europäischem Recht unter Naturschutz gestellt werden müsste: In unserem Artikel „Alle Vögel sind schon da“ (GW 165, Februar 2001) stellten wir die fachlichen und rechtlichen Hintergründe allgemeinverständlich dar. Kommunalpolitik und Hafenlobby haben’s bis heute nicht kapiert und bewarfen Naturschutzfachleute immer wieder öffentlich mit Dreck. Seit die Landesregierung unlängst die Unterschutzstellung anleierte, blieb den Spöttern das Hohnlachen im Halse stecken.
Die Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort hat in einer Presseerklärung bereits den plötzlichen Sinneswandel der Politik bekannt gemacht (GW 212 „JadeWeserPort oder JadeWeserFort ??“) Offen blieb, wie dieser zu Stande kam. Des Rätsels Lösung lautet in Kurzform:
Eine Delegation der Hafenlobby war in der Angelegenheit in Brüssel vorstellig geworden, wo den Teilnehmern unmissverständlich mitgeteilt wurde: Wenn ihr die Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht erfüllt, gibt’s auch keine europäischen Gelder für den Hafenbau. So einfach ist das.
Schritt eins lautete: Niedersachsen meldet den Voslapper Groden in Brüssel als Vogelschutzgebiet und damit als Teil des europäischen Schutzgebiets-Netzes NATURA 2000. Schritt zwei: Das Vogelschutzgebiet muss durch den Mitgliedsstaat rechtsverbindlich gesichert werden. Von verschiedenen Möglichkeiten wurde in diesem Fall die Sicherung als Naturschutzgebiet gewählt und bereits ins Rollen gebracht. Laut Umweltminister Sander werden „in der Regel die wertvollsten Kernbereiche von NATURA 2000-Flächen als Naturschutzgebiete
ausgewiesen“ (Presseerklärung vom 24.11.2005) Bereits Mitte November fand hierzu im Ratssaal eine Veranstaltung statt, in der Fachleute der Landesnaturschutzverwaltung über Hintergründe und Ablauf des Verfahrens informierten. Die Herren Menzel, Frank, Niemann & Co. nahmen’s schicksalsergeben hin und kriegten den Mund nicht wieder zu. Denn eine zweite, schon seit langem bekannte Klausel haben sie bis heute nicht kapiert:
Wenn ein Mitgliedsstaat nämlich meint, es sei die einfachste Lösung, der EU zu verheimlichen, dass auf einer geplanten Gewerbefläche Vogelarten brüten, die nach EU-Recht geschützt sind, hat er sich geschnitten: Wenn Brüssel davon Wind kriegt, drohen erstens happige Vertragsstrafen, zweitens ein sofortiger Stopp des Bauvorhabens. Wird hingegen die Fläche ordnungsgemäß dem naturschutzrechtlichen Verfahren unterzogen, dann (und nur dann) kann auch eine Ausnahme für die gewerbliche Nutzung erteilt werden. Unter der Bedingung, dass das öffentliche Interesse an der Überbauung höher einzustufen ist als das Naturschutzinteresse, und dass für die zerstörten ökologischen Werte ein Ausgleich oder Ersatz (Kompensation) erfolgt.
„Das haben wir doch schon Dutzend Mal gelesen“ werden aufmerksame LeserInnen jetzt stöhnen. Stimmt. Nicht nur im GEGENWIND haben wir das, beginnend mit dem legendären „Alle Vögel sind schon da“-Artikel, mehrfach erklärt. Auch die Naturschutzverbände, namentlich die hiesige Kreisgruppe des BUND bis hin zum BUND-Landesverband nebst WWF, AKN und anderen haben immer wieder geduldig versucht, diese Zusammenhänge klar zu machen.
Aus taktischer Sicht hätte man die Hafenlobby ins offene Messer laufen lassen können; in dem Bestreben, geltendes EU-Recht vor Ort auch umzusetzen, kam jedoch immer wieder der Wink mit einem riesigen Zaunpfahl. Der verwandelte sich allerdings in ein dickes Brett vor den Köpfen von Politik und Wirtschaft. Die Naturschützer hatten sich für eine offene und faire Umgangsweise entschieden, die ihnen seitens Wirtschaft, Politik und Lokalpresse wiederholt und nicht selten unterhalb der Gürtellinie als „Verhinderung wirtschaftlicher Entwicklung“ angekreidet wurde. Die wertbestimmenden Vogelarten Rohrdommel, Blaukehlchen und Tüpfelsumpfhuhn wurden zu Feindbildern erklärt und ihre Bedeutung ins Lächerliche gezogen.
Schließlich hatten die Verbände die Faxen dicke und legten in Brüssel Beschwerde ein. Solche Beschwerden wegen Verletzung des EU-Naturschutzrechtes durch die Bundesrepublik Deutschland – eines der reichsten EU-Länder – stapeln sich in Brüssel, und nicht jede wird angenommen. Die Beschwerde bezüglich Voslapper Groden war jedoch schwergewichtig genug und wurde angenommen, was wiederum der damalige WZ-Chefredakteur Jürgen Westerhoff nicht wahrhaben wollte. „Verbände gegen Jade-WeserPort“ titelte er am 9.7.2003 und jubilierte, die Landesregierung werde die Beschwerde schon aus der Welt schaffen. Vor ihm lag aber eine Presseinformation, der klar zu entnehmen war, dass die Beschwerde längst angenommen war und sich zudem nicht auf den Containerhafen, sondern den Voslapper Groden bezog.
Wir geben’s jetzt auf. MenzelFrankNiemann werden auch in 20 Jahren das EU-Recht nicht verstanden haben, weil sie es nicht verstehen wollen. Weil es nicht in ihr Weltbild passt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Sie müssen es ja auch nicht verstehen. Jetzt kam die „ordere mufti“ aus Hannover, und diese Kröte müssen sie einfach schlucken. Auch die „WZ“ berichtete auf der Titelseite (12.11.2005) knochentrocken über die Beschlüsse aus Hannover, ohne ihre vorangegangenen Hasstiraden gegen Naturschutzfachleute nochmals aufleben zu lassen.
(Jeversches Wochenblatt 10.11.2005)
Die Kollegen vom „Jeverschen Wochenblatt“ (10.11.2005) haben zumindest im Ansatz verstanden, dass es rechtlich gesehen nur scheinbar einen Widerspruch zwischen Ökologie und Ökonomie gibt: „Das Umweltministerium bereitet inzwischen die entsprechenden Unterlagen vor, denn – so widersprüchlich das klingt – erst dadurch ergibt sich die Möglichkeit, von einer Unterschutzstellung des Grodens auf Grund wirtschaftlicher Interessen abzusehen.“ Im Ansatz. Denn es wird vorerst nicht von einer Unterschutzstellung „abgesehen“ – aber diese kann später aufgehoben werden.
Erstens: Wilhelmshaven wird in einer Rekordzeit sein zweites Naturschutzgebiet (NSG) erhalten, mit einer Größe von fast 800 Hektar. Wir erinnern uns: Jahrelang kämpften die hiesigen Naturschutzverbände darum, den „Bordumer Busch“ als erstes W’havener NSG auszuweisen. Bis dahin war die Jadestadt niedersachsenweit das Schlusslicht in Sachen Schutzgebiete. Mit dem zweiten, riesigen Schutzgebiet „Voslapper Groden“ wird sie statistisch einen gewaltigen Sprung nach vorn machen.
Zweitens: Bis der Containerhafen erst mal gebaut ist und die direkt angrenzenden Flächen im angrenzenden „Hafengroden“ mit hafenbezogenem Gewerbe gefüllt sind, werden Jahre ins Land gehen. Vorher besteht, auch rechtlich gesehen, kein Anlass, den Schutzstatus aus wirtschaftlichem Interesse aufzuheben. Wolfgang Franks Ankündigung „Hinterland des Hafens wird schon ab 2004 vermarktet“ (WZ vom 13.11.2003) hat sich ohnehin schon erledigt.
Drittens: Wenn es denn soweit ist, muss ein entsprechendes Genehmigungsverfahren eingeleitet werden. Erfahrungsgemäß wird die Wirtschaft ihre Ansprüche durchsetzen können, gleichwohl wird sie sehr sorgfältig nachweisen müssen, dass der Eingriff in Natur und Landschaft an dieser Stelle unvermeidbar und dann auch andernorts zu kompensieren ist. Die Aussage „Rohrdommel hat verloren – EU will Ausnahmeregelung zustimmen“ (JWB, aaO) ist deshalb etwas kurz gegriffen.
Derweil überlegt die Betonfraktion schon, wie sie auf technokratischem Wege mit den gefiederten „Störfaktoren“ umgehen will: Ein riesiger Damm soll das geplante NSG von der Bahnlinie entlang des Grodens abschirmen, und es wird fröhlich diskutiert, ob sich eine Rohrdommel nun vom Zugverkehr stören lässt oder nicht.
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