Nationalpark-Haus Dangast
Jun 092004
 

König Tide ist vogelfrei

Kritik an der Kündigung von Dirk Roschkowski

(hk) Freunde und Stammgäste des Nationalpark-Hauses Dangast waren zum Saisonbeginn gelinde gesagt überrascht, dort nicht mehr von dessen langjährigem Leiter begrüßt zu werden. Unbefriedigende Antworten auf die Frage nach seinem Verbleib veranlassten einige, der Sache auf den Grund zu gehen.

Seit der Eröffnung 1988 hatte Dirk Roschkowsi das Infozentrum in dem historischen ehemaligen Schulgebäude geleitet. Anfang des Jahres erhielt er seine Kündigung zum 30.6.2004 – einen Zweizeiler ohne Begründung. Sein Arbeitgeber ist die „Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste“ (SDN), die gemeinsam mit der Stadt Varel das Haus betreibt.
Früher unterhielt die SDN, jeweils gemeinschaftlich mit der Standortgemeinde, mehrere der Wattenmeer-Infohäuser in Niedersachsen. Dann kündigte eine Gemeinde nach der anderen die Zusammenarbeit auf. Zuletzt wechselte das Haus in Greetsiel zum NABU und das auf Baltrum zum BUND. Schließlich gab es nur noch 1,5 Angestellte – Roschkowski und eine Sekretärin – in der SDN-Geschäftsstelle – und keinen Betriebsrat mehr.
Bei der Güteverhandlung vorm Arbeitsgericht erfuhr Roschkowski vom Richter, er sei „vogelfrei“: Wegen der geringen Betriebsgröße der SDN genießt er selbst nach über 15 Jahren Tätigkeit keinen Kündigungsschutz. Notgedrungen stimmte er einem Abwicklungsvertrag zu, seit Ende März ist er freigestellt, bis Ende Juni die Kündigung wirksam wird. Vorerst sollen ihn eine Saisonkraft und eine Praktikantin ersetzen. Zum 1. Juli soll die Stelle neu besetzt werden.

Kündigungsgründe bleiben im Dunkeln

Jörg Frerichs, Leiter des Vareler Umweltamtes in Personalunion mit dem stellvertretenden Vorsitz der SDN: „Die Kündigung war zur Sicherung des Hauses unumgänglich.” Neben „vielen Unstimmigkeiten und Querelen der letzten Jahre“ hätte Roschkowski vor allem „mangelnde Kooperationsbereitschaft bei der Umsetzung von zukunftsweisenden Konzepten für das Haus“ gezeigt.
Das ist Kritikern zu schwammig. In einem Leserbrief an den Friesland-Boten (FRIEBO vom 26.4.2004) fragt das Ehepaar Weinhold aus Büppel, „ob denn in den letzten Jahren die von Herrn Roschkowski vorgelegten Veranstaltungsprogramme vom Vorstand beanstandet worden sind, auf Wirtschaftlichkeit geprüft und Schwerpunkte angemahnt wurden? Hat der Vorstand vielleicht selbst erkannt, dass er sich nicht genug gekümmert hat und nun einen „Schuldigen” sucht? Gibt es Kompetenzgerangel? … Kaum nachvollziehbar ist es, dass ein Arbeitgeber 15 Jahre benötigt, um festzustellen, die Position mit der „falschen Person“ besetzt zu haben, und dieser dann ohne Angabe von Gründen kündigt. Ist es Feigheit? Unmenschlich ist es allemal, und wir wünschen keinem der Vorstände, dass es ihm einmal so ergeht – auch nicht Herrn Frerichs (aber ihn sichert ja der Tarifvertrag).“
Für Alexander Sehnert aus Büppel sind „zwischenmenschliche Disharmonien“ ausschlaggebend (FRIEBO 4.5.2004), und er fragt sich, „ob Betrug vorliegt, wenn Besucher von Veranstaltungen des Nationalpark-Hauses gegen volle Gebühren nicht mehr von einem Diplom-Biologen mit 15-jähriger Berufserfahrung betreut werden, sondern lediglich von unerfahrenen Ersatzkräften. Wem also sollen die verfügten Maßnahmen, die selbst der eigenen Institution schaden, wirklich dienen? “ Ein Bauernopfer möglicherweise? Andernorts hat man sich von der SDN getrennt, weil man unzufrieden mit der Arbeit des Verbandes war. Schiebt man rechtzeitig alle Schuld auf den Leiter der Einrichtung, ist die Gefahr erst mal gebannt.

Mauer des Schweigens

Wolfgang Half aus Dangast, seit 15 Jahren SDN-Mitglied, forderte bei der Jahreshauptversammlung der SDN am 16. April in Jever, die Kündigung Roschkowskis auszusetzen und die Gründe offen zu legen. Von den anwesenden Mitgliedern enthielten sich vier der Stimme, die anderen stimmten dagegen. „Das war insofern nicht verwunderlich, als dass die Mitglieder, die aus ganz Norddeutschland kamen, über den Sachverhalt selbst nicht ausreichend informiert waren. Sie waren daher auf die meines Erachtens einseitige Darstellung des stellvertretenden Vorsitzenden der SDN und Vareler Stadtplaner, Jörg Frerichs, angewiesen”, ist Half erbost.
Der FRIEBO fragte nach einer Stellungnahme der Nationalparkverwaltung. Die ist zwar Zuwendungs-, aber nicht Arbeitgeber für die Angestellten der Nationalparkhäuser und hielt sich raus. Ebenso der Vareler Bürgermeister Wolfgang Busch, der sich nur als Vermieter des Hauses an die SDN sieht.
Iko Chmielewski, Mitglied des Vareler Stadtrates, hatte beantragt, dass im Verwaltungsausschuss die Hintergründe für Roschkowskis Entlassung dargelegt werden. Die Verwaltung erklärte sich für nicht zuständig. „Aus den durch die Presse bekannt gewordenen ‚Fakten‘ ergibt sich für mich jedenfalls keine logische Erklärung für diese personelle Entscheidung. Unstrittig scheint mir, dass das didaktische Konzept des bisherigen Leiters in hervorragender Weise die Nationalpark-Idee gefördert hat und Herr Roschkowski bei Einheimischen und Gästen einen durchweg positiven Eindruck hinterlassen hat. Weshalb die Kündigung des Einen und die Neueinstellung eines Anderen wirtschaftliche Vorteile bringen soll, ist für mich zumindest erklärungsbedürftig”, so Chmielewski in seinem Antrag.

Verträge überprüfen

Wirtschaftlich wäre es insofern, wenn die Ersatzkraft schlechter vergütet wird, während die SDN gleichbleibende Zuschüsse vom Land kassiert. Ähnlich sieht es Hanso Janßen, grüner Landtagsabgeordneter für den Landkreis Friesland. „Das Land trägt mit 80 Prozent den Löwenanteil der Kosten, die Stadt trägt die Kosten des Hauses und die SDN bestimmt im Wesentlichen die Inhalte und kann in Personalfragen schalten und walten wie sie will … Wenigstens zukünftig muss in den Verträgen für das Land ein stärkeres Mitspracherecht in Sach- und Personalfragen festgelegt werden“, so Janßen im FRIEBO vom 26.4.2004. Für ihn „bleibt offen, ob tatsächlich sachbezogene Gründe oder aber persönliche Differenzen zwischen dem Vorstand der SDN und dem Hausleiter zur Entlassung geführt haben … Aber vielleicht soll ja auch der Schwerpunkt des Hauses noch weiter in Richtung Küstenschutz verschoben werden.“

Geplante Demontage?

Die Lage des Nationalpark-Hauses an der Durchgangsstraße zum Strand hat sich über die Jahre als der Besucherfrequenz abträglich erwiesen. Für die Qualität der Umweltbildung ist aber weniger die Menge von Besuchern erheblich als die Intensität, mit der sie betreut werden. Wer begeistert mit neuen Erlebnissen im Gepäck nach Hause zurückkehrt, ist ein vielfacher Multiplikator. Im fernen Hannover sieht man das anders: Eine Lichtschranke, die im Jahr 50.000 Besucher zählt, inklusive derer, die nur ein Klo suchen, und rein- und rausflitzender Kinder, ist bedeutsamer als 5.000 BesucherInnen jährlich, die wirklich geistig und emotional anwesend waren.
Nun bietet sich jenen, die Werte nur in Zahlen messen können, die Chance, mit dem ungeliebten Naturpädagogen auch gleich ein lästiges Bollwerk des Naturschutzes loszuwerden. Vor einigen Jahren wurde bereits ein „Küstenschutzforum“ angebaut, mit dem III. Oldenburgischen Deichband als Betreiber. Vielleicht behält Hanso Janßen recht, dass demnächst die Deichgrafen das Sagen haben im jetzigen Nationalparkhaus.

 

Kommentar:

Eine Naturexkursion mit Dirk Roschkowski ist etwas ganz Besonderes. Seine vielseitigen Kenntnisse vermittelt er als der ausgeprägte Gefühlsmensch, der er ist. Kinder, Eltern und andere Wissbegierige lieben ihn dafür – und die Natur, die er repräsentiert. Neben dem liebevollen Spitznamen „König Tide“ zeugen zahlreiche Reaktionen von Gästen und Einheimischen davon, dass er hochwertige Arbeit geleistet hat.
Das interaktive Naturerlebnis findet in Dangast nicht vor Computern und High-Tech-Installationen statt, sondern in Marsch und Moor, Watt und Salzwiese. Bürokraten können damit nichts anfangen – oder ist es gar Neid, der sie bewegt? Roschkowski, sagen Bekannte, kann auch sehr unangenehm werden – weil er ein sehr aufrichtiger Mensch ist. In den Machtspielchen eines komplizierten Konstruktes, in dem jeder die Zuständigkeit auf andere schieben kann, hat ihm das leider nichts genützt. Er hat einen Job verloren, der für ihn immer mehr als das war – er hat den Nationalparkgedanken gelebt. Zurück bleibt ein arbeitsloser Endvierziger, Vater zweier schulpflichtiger Kinder. Hoffentlich bietet das Leben ihm und seiner Familie eine zweite Chance.

Hannes Klöpper

 

 

Wer ist die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.? 

Seit 25 Jahren haben sich in der SDN Naturschutzvereine, Kommunen und Landkreise aus dem Küstenbereich der Nordsee, Institute, Verbände und Einzelpersonen zusammengeschlossen, um parteiübergreifend Probleme des Nordseeschutzes aufzugreifen und einer Lösung zuzuführen. Über den wissenschaftlichen Beirat und auf Fachtagungen und Kolloquien arbeitet die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. Themen auf, die bislang nur wenig im Bewusstsein der Öffentlichkeit waren, jedoch für das Ökosystem Nordsee von gravierender Bedeutung sind. … Ziel der SDN ist es, alle behandelten Themen durch entsprechende Veröffentlichungen bei Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Öffentlichkeit soweit ins Bewusstsein zu rücken, dass Denk- und Entscheidungsprozesse ausgelöst werden. Dem gleichen Ziel dienen die von der SDN zum Teil seit über 10 Jahren unterhaltenen Nationalpark-Informationshäuser an der Küste Niedersachsens und auf Baltrum (Anm. d. Red.: aktuell wird nur noch das Haus in Dangast von der SDN betrieben): Fachliche Information für eine breite Öffentlichkeit – insbesondere Feriengäste – über den Wert, aber auch über die Gefährdung und über Lösungsansätze des Nordseeschutzes.
Gekürzt aus der Selbstdarstellung der SDN auf http://www.sdn-web.de

 

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