Nahverkehr
Jul 212004
 

Nicht unterkriegen lassen

Eine starke alte Dame tritt den Stadtwerken auf die Füße

Mit dem neuen Buslinienplan wurde den Bewohnern des Karl-Hinrichs-Stifts die Haltestelle vor der Haustür genommen. „Nur 160 Meter sind es zur Haltestelle Göker-/ Friedenstraße“ versuchten die Stadtwerke die Senioren zu beruhigen. „Die das sagen, fahren selbst mit dem Auto. 160 Meter sind auf jeden Fall zuviel“ hält Ursula Harmsen dagegen, „den meisten Bewohnern tut jeder Schritt weh.“ Seit April wartet die 81-Jährige, die die Interessen ihrer MitbewohnerInnen im Heimbeirat vertritt, auf ein Gespräch mit Herrn Ahlers von den Stadtwerken.

Nur zweimal täglich hält die Linie 1 jetzt noch am Haltepunkt „8a“ vor der Altenwohnanlage, montags bis samstags vormittags und am frühen Nachmittag. Sonntags nie. Und nur Richtung ZOB. Wer mit Einkäufen beladen zurück kommt, muss von der Frieden-/Gökerstraße besagte Strecke laufen. Wer außerhalb der „8a-Zeiten“ in die City will, muss noch etwas weiter und dabei Frieden- und Gökerstraße überqueren.
Es ist ja nicht so, dass alte Menschen keine Termine hätten. „Oft müssen wir schon vor 9 beim Arzt sein“ erklärt Frau Harmsen. Da ist die Abfahrt am Punkt „8a“ um 9.30 Uhr zu spät. Zudem sind die zwei Abfahrtszeiten für Umsteiger am Bismarckplatz mit bis zu 18 Minuten Wartezeit verbunden. „Wenn tagsüber wenigstens stündlich ein Bus vorm Haus halten würde, wäre uns schon sehr geholfen.“
Bewohner des Pauline-Ahlsdorff-Hauses und des Wohnstifts am Rathaus werden tagsüber im 20- bis 30-Minuten-Takt bedient. Die Senioren im Lindenhof (Siedlerweg) können auch alle 20 Minuten vor der Tür in den Bus steigen, allerdings nur Richtung Norderneystraße. Wollen sie Richtung ZOB, müssen sie entweder eine Ehrenrunde drehen, also bis zur Endstation und dann zurück Richtung Hauptbahnhof, oder etwa 300 m zur nächsten Haltestelle laufen.
Das Taxi ist für die regelmäßige Nutzung keine Alternative. „Die kleinste Wohnung kostet schon fast 1200 Euro monatlich“, rechnet Frau Harmsen vor. „Wer nur eine Witwenrente hat, behält kaum was übrig“. Sie selbst bekommt zum Glück eine eigene Rente, weil sie berufstätig war. „Ich bin sehr politisch erzogen worden“ sagt sie. Sie versteht nicht, dass sich die jüngere Generation fast widerstandslos die sozialen Errungenschaften wegnehmen lässt, für die sie mit gekämpft hat. Und beantwortet die Frage nach ihrem Vornamen mit „Ursula, die Bärenstarke“. Wir sind zuversichtlich, dass sie nicht locker lassen wird, bis ein Vertreter der Stadtwerke bei ihr auf der Matte steht. Und werden sie unterstützen, damit im neuen Herbstfahrplan der kleine Schlenker der Linie 1 zum Haltepunkt „8a“ von der Ausnahme zur Regel wird. (iz)

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