Nahverkehr
Mrz 302006
 

Grüne Welle

Auch das Busbeschleunigungsprogramm macht das Busfahren nicht nennenswert attraktiver

(noa) Etwas vergrätzt sind die BusfahrerInnen Wilhelmshavens über den Artikel „Bus fährt – Personenwagen steht“ in der „WZ“ vom 16. März. Der Betriebsleiter der Stadtwerke, die den Busverkehr in Wilhelmshaven betreiben, habe erklärt, die langen Rotphasen für PKW als Folge der Ampelbeeinflussung durch die Busse gingen auf „Fehler durch ‚menschliches Versagen’“ zurück, hieß es da.

Wie bitte? Fummeln die Busfahrer etwa an ihren Geräten rum, um die Standzeiten der Autofahrer an der Ampel zu verlängern? Nein, sagt uns Gerold Ahlers, da seien seine Worte im Bericht über die Sitzung des Bauausschusses falsch wiedergegeben worden. Tatsächlich habe er von „menschlicher Unzulänglichkeit“ gesprochen und damit gemeint, im Stress des Jobs könne es schon mal passieren, dass ein Busfahrer vergisst, vor Antritt der Fahrt die Buslinie und die Fahrtrichtung einzugeben, und dann springt nach der Passage des Busses die Ampelschaltung nicht sofort in den normalen Rhythmus zurück, sondern es dauert länger.
Auf einigen Strecken gibt es jetzt also das „Busbeschleunigungsprogramm“ durch die Ampelbeeinflussung. Das könnte die Attraktivität des Busfahrens erhöhen. Vor knapp zwei Jahren fragten wir uns anlässlich der neuen Fahrplangestaltung: „Lohnt sich das Umsteigen?“ (GW 200) Jetzt, da auf einem Teil der Buslinien die Fahrt erheblich zügiger geworden ist, könnte man diese Frage schon eher bejahen, vor allem, wenn man dem Busfahren das Autofahren durch die Gökerstraße gegenüberstellt. Da kann es einem neuerdings schon passieren, dass man aus Richtung Süden kommend in Höhe des Marinearsenals die rote Ampel an der Kortekreuzung sieht, ein paar Meter später erlebt, wie sie auf Grün umspringt und sich schon freut, es aber doch nicht schafft, da nur der Wagen vor einem durchkommt und dann von links ein Bus passiert; dass man dann halt an der roten Ampel steht und beim nächsten Grün nur 100 Meter weit kommt, weil an der nächsten Ampel auch gerade ein „beschleunigter“ Bus, diesmal von rechts, die Ampel beeinflusst hat. Doch wenn man das ein paar Mal erlebt hat, tüftelt man sich einfach eine andere Strecke zu den häufig angesteuerten Zielen aus und umgeht so den innerstädtischen „Stop and Go“-Frust. Das Umsteigen lohnt sich für die meisten Leute in Wilhelmshaven eben immer noch nicht, und das liegt, um die Worte eines Wilhelmshavener Busfahrers zu benutzen, am „fehlenden politischen Willen“ zum ÖPNV.
„Wenn Kühe ihre Kälber melken“, so nannten wir in der Ausgabe 201 im Artikel „Frust und Geblubber“ das Bestreben der Stadt, den Busverkehr aus den roten Zahlen zu holen und sogar 2 Mio. Euro jährlich aus ihm rauszuholen. Es wird wohl kaum eine Stadt geben, in der der ÖPNV kostendeckend oder gar profitabel ist. Doch als ein Teil der Daseinsvorsorge muss es ihn geben, und die Attraktivität einer Stadt ist u.a. eben auch davon abhängig, ob man ohne Auto einigermaßen günstig von einem Ort zum anderen kommt. Und davon sind wir in Wilhelmshaven immer noch weit entfernt. So schrieb vor einigen Wochen eine besorgte Mutter in einem Leserbrief, dass ihre beiden Töchter öfter mal zu Fuß von der Schule nach Hause müssen, weil der Bus hoffnungslos überfüllt ist und kein zweiter zur Verfügung steht. Und ein Schüler erzählt uns, dass ältere Leute an der Bushaltestelle auf den nächsten Bus warten, weil sie eh keinen Sitzplatz kriegen würden – er persönlich verstehe die Sorge der älteren Leute jedoch nicht, denn auch wenn man vor Schulbeginn und nach Schulschluss im Bus stehe, könne man unmöglich umfallen.(!) Da wird an der falschen Stelle gespart.
Gespart wird auch beim Personal. Die Fahrbetriebsgesellschaft, von der wir im o.a. Artikel berichtet haben, hat mittlerweile 18 Beschäftigte. Diese tun die gleiche Arbeit wie ihre 36 Kollegen, die noch Angestellte der Stadtwerke sind, aber zum halben Lohn. Und eine Busfahrerstelle ist sogar noch billiger: Drei Rentner, 65 bis 72 Jahre alt, mit je einem 400 Euro-Job teilen sich diese Stelle.
Während das Personal billiger wird, muss es mehr leisten. Klar, das Busbeschleunigungsprogramm ist auch für die Fahrer angenehm. Nicht mehr an roten Ampeln anhalten zu müssen, reduziert den Stress dieses sehr anstrengenden Berufes. Doch während der Fahrt Fahrkarten zu verkaufen – was verboten, aufgrund der Fahrplanzeiten aber oft unumgänglich ist – oder auf die Pause nach 41/2 Stunden zu verzichten – was ebenfalls gesetzwidrig ist, aber doch immer mal wieder vorkommt – macht Stress.
Auch der Betriebsleiter, Herr Ahlers, weiß das. Er sagt uns, dass es nicht vorkommen darf, dass während der Fahrt Fahrkarten verkauft werden oder dass ein Fahrer seine vorgeschriebene Pause nicht bekommt, und auf die Vorhaltung, dass Fahrer aber berichten, dass so etwas passiert, wiederholt er, dass es nicht vorkommen darf. Und der Krankenstand, nach Auskunft von Busfahrern etwa 20 %, sei so hoch im Moment nicht.
Auch die Einschätzung, dass ein ÖPNV keine Überschüsse erwirtschaften kann und dennoch vorgehalten werden muss, findet Herrn Ahlers’ Zustimmung. Warum er dann im Bauausschuss für das Busbeschleunigungsprogramm mit der Einsparung von bis zu zehn Fahrerstunden täglich und damit bis zu 70.000 Euro jährlich geworben hat? Nun, das Land bezuschusst das Ampelbeeinflussungsprogramm mit 200.000 Euro. Da muss man halt zeigen, dass diese Investition sich lohnt.
Zehn Fahrerstunden täglich, das ist mehr als eine Stelle. Doch das bedeutet nicht, so Gerold Ahlers, dass ein Fahrer entlassen wird. „Wir haben viele Überstunden. Die können dann reduziert werden.“ – Wie die vielen Überstunden wohl zustande kommen, wenn der Krankenstand niedrig ist?

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