Musikszene
Jun 101991
 

Der Katalysator

Gegenwind-Gespräch mit Andreas Koût

(iz) Die Stadt kann sich mit ihrer vielseitigen und erfolgreichen Musikszene wirklich sehen lassen. Erfolg ist kein Zufall – doch neben Zusammenarbeit, Fleiß und etwas Glück braucht es auch die Unterstützung offizieller Interessensvertreter. Die Kulturredaktion sprach mit Andreas Koût, Geschäftsführer der Wilhelmshavener Musikerinitiative.

Andreas Koût

Andreas Koût

Gegenwind: Könntest Du zunächst etwas über Geschichte und Struktur der Musikerinitiative erzählen?
Andreas Koût: Die Musikerinitiative wurde 1985 als gemeinnütziger Verein gegründet. Im April 1988 zogen die ersten Bands ins Musikerhaus am Banter Deich ein. Als Nachfolger von Gerd Brandt arbeite ich seit Ende 1989 als ABM-Kraft für die Musikerinitiative, seit Anfang des Jahres mit Unterstützung von Marina Speckmann als Bürokraft.

Gegenwind: Welche Aufgaben kommen der Musikerinitiative bzw. Dir als Geschäftsführer zu?
Andreas Koût: Die Arbeit basiert auf drei Grundpfeilern: 1. Interessensvertretung der Musiker, 2. Verwaltung des Musikerhauses sowie 3. Musikerfortbildung.

Gegenwind: Würdest Du Dich dann als Manager bezeichnen ?
Andreas Koût: Nein. Es geht nicht um Kommerz, sondern gewissermaßen um eine Art lokale Musikergewerkschaft. Man muß sich vergegenwärtigen, daß es sich um vorwiegend jugendliche Amateure handelt.
Gegenwind: … wieviele sind es denn eigentlich?
Andreas Koût: Zur Zeit repräsentiert die Musikerinitiative ca. 70 Bands, insgesamt 180 Musiker. Leute also zwischen 15 und 25, 30 Jahren, wobei mit unserer Arbeit insgesamt etwa 5.000 Leute erreicht werden. In diesem Sinne leisten wir also Jugendkultur- bzw. Sozialarbeit.

Gegenwind: Wie sieht die Vertretung nun konkret aus ?
Andreas Koût: Wir unterstützen bei der PR-Arbeit, erstellen Bandbiographien und -fotos, suchen Aufnahmestudios und erstellen dort Demobänder. Weiterhin pflegen wir Kontakte innerhalb eines Veranstalternetzwerkes im gesamten norddeutschen Raum. U.a. sichern wir dadurch ab, daß Newcomer nicht von schwarzen Schafen unter den Veranstaltern über den Tisch gezogen werden.

Gegenwind: Welche Funktion hat nun das Musikerhaus ?
Andreas Koût: Neben dem Büro sind dort 7 Proberäume, die sich insgesamt 13 Bands teilen. Es ist Anlaufstelle und Kommunikationszentrum für die ganze lokale Musikszene.
Gegenwind: Und wie finanziert sich sowas ?
Andreas Koût: Die Stadt hat das Haus vom Bundesvermögensamt als Eigentümer gemietet. Die Musikerinitiative ist wiederum Untermieter, wobei die Kaltmiete von 6.000 DM jährlich das Kulturdezernat trägt.
Gegenwind: Und der Rest?
Andreas Koût: Der Rest, das sind in dem alten Gebäude monatlich 800 DM Heizkosten und jede Menge Versicherungen. Da sind einmal die Mitgliedsbeiträge, 40 DM pro Person und Jahr …
Gegenwind: … auch nicht die Welt
Andreas Koût: …eben abgestimmt auf den Geldbeutel der überwiegend jugendlichen Mitglieder. Die Bands zahlen je 60 DM pro Monat für die Proberäume. Mein Büro habe ich mir aus der eigenen Tasche eingerichtet.

Gegenwind: Ist ja auch nicht gerade üblich. Wo proben übrigens die anderen Bands, außer den 13 im Musikerhaus?
Andreas Koût: Gute Frage. Wir suchen praktisch ständig nach Proberäumen. Für das Musikerhaus habe ich 18 Bands auf der Warteliste, aber auch die anderen brauchen eben was, wo sie ungestört sind – und auch andere nicht stören.

Gegenwind: Um das eigene Niveau zu steigern, sind neben harter Probearbeit Fortbildungen wichtig, die Du eingangs angesprochen hast. Wie läuft das ab?
Andreas Koût: Momentan bieten wir monatlich einen Workshop zu verschiedenen Themen an, z.B. Gesang oder Gitarre. Wir machen ein niedrigschwelliges Angebot einmal finanziell, auf Jugendliche abgestimmt, für 2 Tage 10 DM bzw. 20 für Berufstätige …
Gegenwind: … können davon hochwertige KursleiterInnen bezahlt werden?
Andreas Koût: Hier schießt die Landesarbeitsgemeinschaft Rock in Niedersachsen was zu. Niedrigschwellig ist auch das Einstiegsniveau, vor dem Hintergrund, daß wir Freizeitkultur bieten wollen, die Leute sollen durch Spaß an der Sache lernen können. Entsprechend der Nachfrage würden wir gern öfter was anbieten, aber auch hier hapert es wieder an den Räumen – wir müssen uns mit den Workshops quer durch die Stadt bewegen.

Gegenwind: Hat diese ganze Arbeit auch was mit den Musiktagen zu tun ?
Andreas Koût: Die Wilhelmshavener Musiktage werden gemeinsam koordiniert vom Kulturdezernat, der Freizeit GmbH und der Musikerinitiative, wobei wir vor allem den Rockbereich abdecken.

Gegenwind: Durch die konstruktive, organisierte Zusammenarbeit hat die lokale Musikszene nicht nur sich selbst, sondern auch das kulturelle Image der Stadt ein ganzes Stück nach vorn gebracht. Da kann man ja wohl erwarten, daß Rat und Verwaltung voll dahinter stehen, daß es so eitergeht.
Andreas Koût: Wie’s momentan aussieht, wird meine Stelle nach insgesamt zwei Jahren am 21.12. dieses Jahres auslaufen …
Gegenwind: … und es gibt keine Absichtserklärung bezüglich Deiner festen Übernahme?
Andreas Koût: Bisher nicht.

Gegenwind: Das heißt, die Musiker werden sich dann selbst ohne Unterstützung, neben Schule, Ausbildung oder Beruf bzw. Proben, um die Koordination kümmern müssen?
Andreas Koût: Mehr als das wird fehlen. Wie gesagt, ich verstehe mich nicht als Macher für die Musiker, sondern als Katalysator für ihre Arbeit, ich leiste konkrete Beratungsangebote. Und nicht nur für sie, sondern für die große Zahl von Jugendlichen, die sich mit dieser Kulturform identifizieren. Das Pumpwerk z.B. wird gerade jetzt nach dem Umbau noch stärker die Leute ab 30 ansprechen. Das manifestiert sich darin, daß das Kling-Klang – schon seit längerem – als Auffangbecken für die Jüngeren fungiert.

Gegenwind: Wäre denn im Falle einer festen Übernahme der Stellen (Koût und Speckmann) durch die Stadt eine eigenverantwortliche Tätigkeit wie jetzt weiter möglich?
Andreas Koût: Ideal hierfür wäre das Modell „Kunsthalle“, d.h. die Stelle wird von der Stadt bezahlt, die Verantwortung für Einstellung und Tätigkeit der Angestellten liegt jedoch bei einem freien, sachkompetenten Träger, dem „Verein der Kunstfreunde“ bzw. hier der Musikerinitiative.

Gegenwind: Und was hast Du bzw. die Musikerinitiative unternommen, um den Verantwortlichen in der Stadt die Notwendigkeit des Fortbestandes Deiner Tätigkeit nahezubringen?
Andreas Koût: Ich habe unter anderem ein 12seitiges Konzept zur Popularmusikförderung in Wilhelmshaven entwickelt und als Antrag bezüglich Personalstellen und Sachmittel den betreffenden Stellen vorgelegt und warte jetzt auf ein konkretes Feedback.

Gegenwind: Wir danken für das Gespräch.

Auch die Redaktion ist gespannt auf das Feedback von Menzel, Iwersen, Adam, Fraktionen, Ausschußvorsitzenden, Ratsfrauen und –herren, Schreiber und weiteren aus der Sozial-, Jugend- und Kulturverwaltung, denen der Antrag vorliegt. Wir werden zu gegebener Zeit auf das Thema zurückkommen.

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