Müll zu Müll
Dez 131994
 

Paragraphen-Müll

Fördern Abfallgesetze das Sankt-Florians-Prinzip?

(iz) Unter dem Titel „Umweltschweine gefährtet und tonnenweise Müll gesammelt“ bejubelte die WZ Anfang November eine Aktion, bei der 300 Beteiligte aus zahlreichen Vereinen und Verbänden im ganzen Stadtgebiet Haus- und Sondermüll in der Landschaft einsammelten. Das läßt vermuten, daß Bürgerinnen, die sich in das ordnungswidrige und umweltgefährdende Fehlverhalten Dritter einmischen, gesellschaftlichen und juristischen Rückhalt bekommen. Ein ortsansässiger Betrieb musste sich eines Besseren belehren lassen.

Ende Juli dieses Jahres meldete die Firma GWV der Polizei, daß vor dem Tor ihres Betriebsgeländes an der Industriestraße 58 ordnungswidrig Müll abgeladen worden sei. Nacheinander erschienen Polizei und Zoll und durchwühlten die Sacke gründlich, bis der Inhalt gleichmäßig verstreut war. Und wurden fündig: zwischen Haus- und Sperrmüll, Elektroschrott, Reinigungsmitteln und Lacken fanden sich Adreßaufkleber.

Im Interesse der Allgemeinheit hätte der Müll sofort entfernt werden müssen – gerechterweise durch die Verursacher. Im Falle, daß man ihrer nicht habhaft werden kann, besteht rechtlich die Möglichkeit der „Ersatzvornahme“: die Stadt beseitigt den Schaden auf eigene Kosten, die den Verursachern anschließend in Rechnung gestellt werden. Hauptsache, die Gefahr ist gebannt; danach ist genug Zeit. die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Anfang November gammelte der Müll immer noch vor sich hin. So wurde der GEGENWIND um Recherche gebeten. Tatsächlich waren die ordnungswidrigen Abfallbeseitiger ermittelt worden. Sie reagierten jedoch weder auf die Vorladung zur Anhörung noch kamen sie der Aufforderung nach, den Müll zu entfernen, trotz Androhung eines Zwangsgeldes von 1000.- DM oder alternativ Ersatzhaft. Seit Mitte September ruhte der Vorgang in den Akten.

Des Rätsels Lösung: Die beiden Verursacher sind Sozialhilfeempfänger. bei denen nichts zu holen ist. Eine Ersatzhaft anstelle des Zwangsgeldes erübrigt sich, da der erzieherische Wert zweifelhaft ist und der Müll dadurch immer noch nicht entfernt wäre.

Doch soweit denkt der Gesetzgeber gar nicht: laut Abfallgesetz kann er sich am derzeitigen Grundstücksbesitzer schadlos halten, wenn der eigentliche Verursacher personell oder finanziell nicht dingfest gemacht werden kann. Wer aus Verantwortungsbewusstsein wilde Müllkippen meldet, kann nachher selbst der Gelackmeierte sein, Sofern sein Grundstück betroffen ist!

Müll zu Müll gesellt sich gern

Die eigentliche Sauerei ist jedoch, daß erst Monate bürokratischen Stillhaltens vergehen, ehe sich was bewegt. Mittlerweile hat sich die Sache quasi schon erledigt, weil sich die umweltschädlichen Inhalte der vergammelten Behälter einschließlich des Kühlschranks, der zu dem gefährlichen Sortiment gehört, längst in Luft. Boden und Grundwasser verflüchtigt haben. Und die Untätigkeit der Behörden zieht weitere Probleme nach sich: Inzwischen haben sich im angrenzenden Gelände noch einige alte Matratzen und sonstiges Gerümpel dazugesellt. Nach Auskunft der GWV-MitarbeiterInnen ist dies auch ein beliebter Platz, um ausrangierte Autos abzufackeln. Die aufgrund entsprechender Beobachtungen ergangenen Meldungen an die Behörden verhallten bislang ebenfalls im Nichts.

Gute Tat oder Ersatzhandlung?

Was haben denn die Müllsammler am 5. November gemacht? Da werden Kinder auf giftige Sonderabfälle losgelassen, deren sich gedankenlose Erwachsene entledigt haben. Der pädagogische Ansatz solcher Aktionen beschränkt sich auf die fleißigen SammlerInnen,

die ohnehin ein ausgeprägtes ökologisches Bewußtsein haben. Die Verursacher können sich weiterhin „guten Gewissens“ dieser für sie kostengünstigen Entsorgungsart befleißigen, hat doch OB Menzel eine Fortsetzung dieser Aktionstage angekündigt. Die Sammlungen als solche sind sehr öffentlichkeitswirksam; sie verkommen aber zur Farce. wenn nicht gleichzeitig intern mit allen Mitteln gegen die „Umweltschweine“ vorgegangen wird.

Neue Wege beschreiten

Die Deponiegebühren sind mittlerweile so hoch, daß nicht nur SozialhilfeempfängerInnen ihren Müll illegal entsorgen. Das soll unsere beiden Sünder nicht entschuldigen; Umweltbewußtsein geht alle sozialen Schichten gleichsam an. Es gäbe so einfache und unbürokratische Wege, den Mißstand zu lösen. ohne daß eine der beteiligten Parteien Verursacher, Stadt oder Grundstücksbesitzer- über die Gebühr belastet wird. mit einer ungleich wirkungsvolleren erzieherischen Wirkung als Behördenschreiben und Zwangsgelder: Den Verursachern wird erneut nahegelegt, den Müll wegzuräumen – da sie sich bisher nicht gemeldet haben. sollten sie wohl schleunigst persönlich aufgesucht werden. Falls sie nicht mehr über das Fahrzeug verfügen, mit dem sie den Müll an den Tatort gekarrt haben, wird eines von der Stadt gestellt. Die Entsorgungskosten werden gestrichen, dafür wird eine Menge Verwaltungsaufwand gespart.

Träumerei? Was, wenn die beiden Verursacher sich weigern? Nach Bundessozialhilfegesetz können „Sozi“-EmpfängerInnen zu gemeinnützigen Arbeiten verdonnert werden. Grundsätzlich ist dieser Vorbehalt des Gesetzgebers sehr zweifelhaft; bevor jedoch die Regelungen des Abfallgesetzes den Grundstücksbesitzer menschlich gesehen noch härter treffen, wäre über eine Zwangsverpflichtung der wirklich Schuldigen nachzudenken. Lieber eine Stunde schuften als Haft oder Zwangsgeld…

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