Sozialer Mietwucher
Der Arbeitskreis „Wohnraum für alle“ weist auf eine bisher kaum beachtete Form des Mißbrauchs von Sozialhilfeleistungen hin
(ub) Wenn unsere Kommunalpolitiker nicht gerade von – für hiesige Verhältnisse gigantischen Millionenprojekten wie etwa der „Expo am Meer“ oder dem schönen neuen Einkaufszentrum am Bahnhof schwärmen, reden sie vom Sparen. Noch ist unklar, wie der längst überfällige Haushaltsplan für das Jahr 1994 aussehen wird. Eins jedoch ist sicher, die Ausgaben für Sozialhilfeleistungen werden, wie in den Jahren zuvor, einen Großteil des Budgets verschlingen.
Sicher ist auch, daß in den Bereichen, die nicht zu den kommunalen Pflichtaufgaben gehören, der Rotstift Zuschüsse und sonstige Zuwendungen empfindlich streichen wird. Unantastbar, weil dem Bereich der Pflichtaufgaben zugehörend, sind die Ausgaben nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Und trotzdem – da gehen die Ratsvertreter von CDU und SPD d’accord – läßt sich dieser Ausgabeposten eindämmen, wenn gegen „Mißbräuche bei der Gewährung von Sozialhilfe“ (CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Uwe Biester gegenüber der WZ am 2.2.95) intensiv vorgegangen wird.
Der Arbeitskreis „Wohnraum für alle“ setzt sich mit dem dafür zuständigen Beratungs- und Prüfdienst der Stadtverwaltung kritisch auseinander und weist auf einen bisher weitestgehend unbeachteten Sozialleistungsmißbrauch hin. Die Stellungnahme des Arbeitskreises zu öffentlich diskutierten Maßnahmen gegen „Sozialhilfemißbrauch“ veröffentlichen wir im Folgenden.
„Die Fraktionen von CDU und SPD haben sich bei ihren Bemühungen, den Haushalt der Stadt zu konsolidieren, in den letzten Wochen verstärkt dem neben den Personalkosten der Stadt größten Ausgabeposten, der Sozialhilfezahlung zugewandt. Einhellig wird der von der Stadtverwaltung eingerichtete Prüf- und Beratungsdienst begrüßt, dessen hauptsächliche Aufgabe es zu sein scheint, Sozialhilfeempfängern Mißbrauch, sprich Betrug, beim Erlangen von Sozialhilfezahlungen nachzuweisen. „Die finanzielle Schieflage der Stadt“ (so Dr. Biester, CDU, in der WZ vom 2.2.95) kann und darf nicht dazu führen, daß die ärmsten Mitglieder unserer Gesellschaft zu Sündenböcken gemacht werden.
„Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Empfängern der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht“ (§ 1 BSHG). Die leider immer größer werdende Zahl von Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, erfahren eine zusätzliche Diskriminierung durch das ständige Gerede vom Sozialhilfemißbrauch, den diese angeblich betreiben. Der Beratungs- und Prüfdienst täte gut daran, statt dessen den von einigen privaten Hausbesitzern vermieteten Wohnraum näher zu beleuchten.
Der Arbeitskreis „Wohnraum für alle“ weist seit Jahren daraufhin, daß besonders Sozialhilfeempfänger in zum Teil völlig überteuerten und trotzdem teilweise eklatant schlechten Wohnverhältnissen leben müssen. Einige Hausbesitzer haben sich offensichtlich darauf spezialisiert, völlig runtergekommene „Wohnungen“ an Sozialhilfeempfänger zu vermieten, wohl wissend, daß das Sozialamt die Mietkosten pünktlich und regelmäßig zahlt. Sozialhilfeempfänger sind oftmals gezwungen, „Wohnungen“ anzumieten, wo jeder einigermaßen betuchte Bürger sich mit Grausen abwenden würde. Angesichts der Tatsache, daß etwa die Hälfte der an einen mittellosen Mitbürger gezahlten Sozialhilfe für Mietkosten verbraucht wird, dürfte hier ein weites Feld zur Ermittlung von „Mißbrauch“ zur Verfügung stehen.
Wenn sich, wie jetzt Ratsfrau Aljets, Kommunalpolitiker für die Aufstockung des Beratungs- und Prüfdienstes der Stadtverwaltung einsetzen, regt der Arbeitskreis „Wohnraum für alle“ an, den Aufgabenbereich dieser Stelle im oben genannten Sinne neu zu definieren.“ (Arbeitskreis „Wohnraum für alle“)
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