Dauerbrenner
Immer noch gilt: Ein Mietspiegel muss her!
(noa) Was hat die wunderschöne alte Stadt Freiburg/Breisgau mit unserem noch recht jungen Wilhelmshaven, dessen Schönheiten man erst nach und nach entdecken kann, gemeinsam? – Nein, das wird kein Preissausschreiben; die Antwort folgt sogleich.
„Jährlich werden … Hunderte von ALG II-Bedarfsgemeinschaften schriftlich oder mündlich aufgefordert, ihre Wohnkosten zu senken bzw. in Wohnungen umzuziehen, die den festgesetzten Anforderungen entsprechen.“ Dieser Satz klingt so, als stamme er aus einer Stellungnahme der Arbeitsloseninitative Wilhelmshaven/Friesland. Tut er aber nicht. Er steht in einem Papier mit dem Titel „Die Chancen von BezieherInnen von ALG II auf dem freien Wohnungsmarkt in der Stadt Freiburg“, das der „RUNDE TISCH zu den Auswirkungen der Hartz-Gesetze in Freiburg“ herausgegeben hat. Dieses Papier stellt das „Ergebnis einer Auswertung von Wohnungsanzeigen in Freiburg“ dar.
Die Langzeitarbeitslosen in Freiburg schlagen sich mit dem gleichen Problem herum wie die hier in Wilhelmshaven: Sie bekommen von ihrer ARGE nicht die tatsächlichen Wohnkosten erstattet und müssen einen Teil ihres ohnehin dürftigen Regelsatzes für die Miete aufwenden, was sie in noch größere Armut treibt. Interessanterweise hat die ARGE in Freiburg ganz ähnliche Miethöhen wie das Job-Center Wilhelmshaven „aus den Wolken abgelesen“, wie Werner Ahrens von der ALI es vor einiger Zeit ausgedrückt hat: 252,90 € für eine, 337,20 € für zwei, 421,50 € für drei, 505,80 € für vier und 590,10 € für fünf Personen. Und auch in Freiburg gibt es Wohnungen zu den festgesetzten Konditionen nicht in ausreichender Zahl.
In Wilhelmshaven gibt es eine Liste vom Job-Center, die Wohnungen „nachweist“, die den von ihr fixierten Mietobergrenzen genügen. Eine vor Monaten vorgenommene Überprüfung durch die ALI führte zu dem Schluss, dass es ein ganz schönes Gedrängel geben muss, wenn 5000 BewerberInnen sich um ca. 100 Wohnungen kloppen. Trotzdem verwendet das Job-Center diese Liste (bzw. Neuauflagen davon) weiterhin, sogar als Argument gegenüber dem Sozialgericht Oldenburg. Im November-Gegenwind konnten wir von ersten rechtskräftigen Urteilen dieses Gerichts berichten. Sie sagen übereinstimmend: Die Liste des Job-Centers Wilhelmshaven kann nicht herangezogen werden, um die zu erstattenden Kosten der Unterkunft zu ermitteln, da sie nicht den Kriterien des Bürgerlichen Gesetzbuches für einen Mietspiegel genügt.
Den Gegenwind-LeserInnen, die annahmen, nun werde das Job-Center endlich ohne Heckmeck ihre Kosten der Unterkunft bis zur Höhe der Werte aus der rechten Spalte der Wohngeldtabelle bewilligen (wozu das Sozialgericht Oldenburg das Job-Center in den jüngst entschiedenen Fällen verdonnert hat), wurde dieser Zahn allerdings erst einmal gezogen. Das Job-Center bewilligt weiterhin nur gemäß ihren „Wolkenzahlen“. „Und was ist mit den Urteilen?“, fragten einige Alg II-EmpfängerInnen ihre FallmanagerInnen. „Wir wissen nichts von Urteilen“, bekamen sie als Antwort. Wir wissen nun natürlich nicht, ob sie „von oben“ dazu angewiesen wurden, sich unwissend zu stellen, oder ob die Information, dass ihre Dienststelle jüngst ein paar Prozesse verloren hat, ihnen vorenthalten wurde. Es geht also weiter wie bisher: Man bekommt einen Bewilligungsbescheid, legt Widerspruch ein, bekommt einen Widerspruchsbescheid, klagt beim Sozialgericht und bekommt irgendwann sein Recht.
Oder: Man glaubt seinem Fallmanager, knapst sich den fehlenden Mietanteil von anderen Dingen ab, geht etwa nicht zum Arzt oder isst weniger oder was auch immer, und das Job-Center freut sich.
Ein großer Unterschied besteht zwischen Wilhelmshaven und Freiburg: Freiburg ist eine altehrwürdige Universitätsstadt, und wissenschaftliches Arbeiten ist dort viel mehr Leuten geläufig als hier. Und so hat der „RUNDE TISCH“ eine fundierte Untersuchung zu den tatsächlichen Freiburger Mieten durchgeführt.
Aber davon kann man ja lernen. In der ALI-Monatsversammlung November regte Werner Ahrens an, dass ALI-Mitglieder einen Arbeitskreis bilden, die nach dem Freiburger Vorbild das Mietpreisniveau in Wilhelmshaven ermittelt.
Die Werkzeuge dafür sind dieselben, die die Stadt Wilhelmshaven als Partner der Arbeitsagentur in der ARGE auch benutzt. Es sind Wohnungsanzeigen in der lokalen Presse. Das entspricht auch der Situation eines Arbeitslosen, der alle ihm zugänglichen Medien nutzt. Die Freiburger haben sie drei Monate lang ausgewertet. Dieser Zeitraum „wurde im Sinne aussagekräftiger Ergebnisse gewählt; er ist angesichts des Zeitdrucks, dem sich ein Erwerbsloser ausgesetzt fühlt, eigentlich eher zu lang angesetzt.“ Wenn man aber auf Ergebnisse aus ist, die Hand und Fuß haben und die z.B. vor Gericht oder bei Behörden bestehen können, muss man schon gründlich arbeiten.
Am 2. Januar trifft sich die Gruppe um 10 Uhr
im Gewerkschaftshaus (Weserstraße 51).
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