Miethöchstgrenzen
Sep 032008
 

Höchste Zeit

Die Stadt muss endlich von ihren „Miethöchstgrenzen“ für Erwerbslose abrücken

(noa) „Der Rat der Stadt möge beschließen: Die Sätze für Kosten der Unterkunft für Arbeitslosengeld II- und Sozialgeld-EmpfängerInnen sowie für EmpfängerInnen von Grundsicherung werden per sofort auf die Höhe der Werte der Wohngeldtabelle (rechte Spalte) plus 10 % erhöht.“ So lautet der Antrag, den LAW-Ratsherr Johann Janssen in der Ratssitzung am 21. Mai stellen wollte.


Janssen zog den schon eingereichten Antrag damals zurück, weil in dieser Sitzung die Ansiedlung eines Kohlekraftwerkes behandelt wurde und viel Zeit und Aufmerksamkeit schluckte. Stattdessen war dieser Antrag Thema im Ausschuss für Soziales und Gesundheit am 26. Juni.
Dort erläuterte 1. Stadtrat Jens Stoffers „umfassend die rechtliche Situation hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und berichtete von der Auslegungsbedürftigkeit des unbestimmten Rechtsbegriffes der Angemessenheit der Unterkunftskosten“, wie das Protokoll der Sitzung vermerkt. Er verwies auf zwei in näherer Zukunft anstehende Termine, die hoffentlich hier Aufschluss geben würden: Am 30. September will die Bund-Länder-Kommission sich mit der Frage befassen, und irgendwann im Herbst wird beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ein im Juni unterbrochenes Verfahren fortgesetzt.
Nachdem schon die Richter am Sozialgericht Oldenburg ein wenig ungehalten sind, dass immer wieder Hartz IV-Berechtigte aus Wilhelmshaven auf Zahlung ihrer vollen Unterkunftskosten klagen müssen (sh. z.B. GW 235, „Genervt“), will nun das Landessozialgericht endlich die Berechnungen der Stadt Wilhelmshaven, die eine „Miethöchstgrenze“ festgelegt hat, überprüfen. Nun muss ein LSG-Richter viele dicke Aktenordner aus Wilhelmshaven studieren.
Was dabei herauskommen wird, muss man einfach abwarten. Doch egal, ob das LSG zu dem Schluss kommt, dass diese Berechnungen stimmig seien oder nicht – es ist eine Tatsache, dass in Wilhelmshaven sehr viele Hartz IV-Berechtigte mit dem, was ihnen die Stadt für die Unterkunft zugesteht (und was das Job-Center dann bewilligt), ihre Miete und ihre Heizkosten nicht tragen können und deshalb Teile ihres Regelsatzes, der für den Lebensunterhalt gedacht ist, dazulegen müssen. Frau Große Bockhorn von der Wilhelmshavener Zeitung hat der Sozialausschusssitzung beigewohnt und „viel Verständnis“ der AusschusskollegInnen für Janssens Antrag herausgespürt, doch: „Es sei aber noch zu früh für eine Entscheidung.“ (sh. WZ v. 15.07.08, „Böser Wille oder Rechtsunsicherheit?“)
In der LAW, für die Janssen im Rat sitzt, fand man, dass es nicht zu früh, sondern höchste Zeit ist. Immerhin ist Hartz IV seit dreieinhalb Jahren in Kraft, und so lange schon bekommen die von diesem Gesetz Betroffenen ihre Miete nicht voll erstattet. Und wenn die Stadt „auf neue Leitlinien“ hofft, dann ganz bestimmt nicht, um freudig, wenn diese Leitlinien (sei es durch ein LSG-Urteil, sei es durch Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission) dann da sind, diesen Menschen endlich die Miete voll zu erstatten, sondern um weiter darauf zu beharren, dass hier aber die Mieten billiger seien. Aber die Tatsache, dass zahlreiche Erwerbslose seit dreieinhalb Jahren ihren Regelsatz nicht voll für das, wofür er gedacht ist – wofür er sowieso schon nicht reicht – einsetzen können, zeigt, dass die Mieten hier eben doch nicht so billig sind.
Außerdem entsprechen „Miethöchstgrenzen“ weder dem Buchstaben noch dem Geist des Gesetzes. Gezahlt werden sollen die Kosten der Unterkunft, sofern sie angemessen sind, und deshalb sollen die Kommunen keine Höchstgrenzen, sondern Richtwerte ermitteln. Und wenn eine konkrete Miete über dem Richtwert liegt, dann soll von diesem Richtwert auch abgewichen werden, und zwar ohne Heckmeck auch mal um 10 %. Das empfiehlt jedenfalls der „Deutsche Verein für private und öffentliche Fürsorge e.V.“, dessen Empfehlungen seit Jahrzehnten von Sozialhilfeträgern sehr ernst genommen und auch öfter mal von Sozial- und Verwaltungsgerichten in die Urteilsfindung einbezogen werden. Das Sozialgericht Oldenburg, das wie viele andere Sozialgerichte durchgängig „rechte Spalte Wohngeldtabelle plus 10 %“ zu seiner Marge gemacht hat, könnte ebenso gut die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Begründung heranziehen.
Deshalb hat die LAW beschlossen, nicht zu warten, sondern einen entsprechenden Antrag schon in der Ratssitzung am 17. September zu stellen. Damit nicht wieder (wie in der Ausschusssitzung) „die verwaltungsfeindliche Wortwahl des Herrn Janssen … bemängelt und als unangemessen eingestuft“ werden muss, wird der ursprüngliche Antragstext allerdings noch redaktionell bearbeitet.

 

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