Meta-Morphose
Geschichte und Siegeszug eines Rockmusicals
(iz) Alles begann vor 3 Jahren mit einer Ausstellung im Schlossmuseum Jever. Das Musical „Meta, Norddeich“ knüpft an diese Aufarbeitung vergangener Jugendkultur und den damit verbundenen Hype an. Der Streifzug durch die Musik gewordene Aufbruchsstimmung der 1960er und 70er Jahre ließ die Theatermacher in Geschichte und Gefühle mehrerer Generationen von Menschen unserer Region eintauchen.
Keine Frage: Die Ausstellung „Break on through to the other side“ über die Musikclubs und Diskotheken der Weser-Ems-Region ist für Theaterleute eine Steilvorlage, die ihresgleichen sucht. 2007 eröffnet, wurde die Ausstellung mehrfach verlängert und zählt bis heute über 70.000 BesucherInnen. Exponate, Videos und Katalog liefern schon ohne vertiefende Recherche eine umfassende Stoffsammlung. Ausstellung und Publikum schreien geradezu nach einer Bühnenadaption. Der Verkaufserfolg war absehbar, das Risiko gering. Selbst die grottigste Umsetzung durch eine Laienbühne hätte vermutlich ihre Anhänger gefunden. Doch glücklicherweise haben Profis den Steilpass angenommen. Und natürlich haben sie noch weiter an den Quellen geforscht.
Break on through …
Wer die Ausstellung nicht kennt, sollte dies schleunigst nachholen oder sich zumindest den Katalog dazu besorgen. Niemand, der in unserer Region mal richtig jung gewesen ist oder sich so gefühlt hat (oder heute noch fühlt), wird sich dem Bann entziehen können. Einige Stätten des „Progressiv, Underground oder Subkultur“ existieren bis heute, andere drohten in Vergessenheit zu geraten: Ob „Voom Voom“, „Flash“ oder „Palazzo“ in Wilhelmshaven, das „Tunis“ in Marx, das Alte Fehnhaus (Ostgroßefehn), Newtimer (Zetel), Etzhorner Krug, Ede Wolf, Renaissance (alle Oldenburg) oder die Scala und das Charts im Oldenburger Münsterland: Viele hatten dort ein zweites Zuhause, wo man vor den unverbesserlichen Eltern und Lehrern (fast) sicher war, und fand mit den „ungewöhnlichen Persönlichkeiten und zum Teil skurrilen Protagonisten“, die dort arbeiteten, selbstgewählte Vorbilder.
Meta Rogall nahm darunter eine Sonderstellung ein: Als eine der Ersten hatte sie den richtigen Riecher und den Mut, zu jener Zeit und dazu fern der Metropolen einen Live-Musikclub aufzuziehen. Im Sommer 1960, noch bevor die Beatles ihren ersten Auftritt in Hamburg hatten, verwandelte sie das elterliche Ausflugslokal „Haus Waterkant“ in Norddeich in einen der angesagtesten „Schuppen“ zwischen Amsterdam und Hamburg. Acht Jahre später erkannte sie wieder die Zeichen der Zeit und stellte auf Discobetrieb um, allerdings ohne vollständig auf Livekonzerte zu verzichten. Inzwischen ging man nicht mehr ins “Haus Waterkant“, sondern einfach „zu Meta“. Höchstpersönlich schob die Wirtin einen Kinderwagen voller Getränke durch den Laden. Wer nichts bestellte, bekam was zu hören. (Wem das Taschengeld ausging, der hielt sicherheitshalber eine mitgebrachte leere Bierflasche in der Hand). Bei aller Warmherzigkeit war Meta eine kluge Geschäftsfrau, wenngleich ihr Club ein wichtiger soziokultureller Kommunikationspunkt inmitten des gesellschaftlichen Umbruchs war. Auch die Verträge mit den Musikern waren knallhart. Kost und Logis im Hause wurden von der Gage abgerechnet, außerdem keine „Weibergeschichten“ (außer mit der Wirtin selbst … sagt man). Trotzdem blieben die „Twilights“, die erste Londoner Band, die sie 1965 engagierte, gleich ein ganzes Jahr (Gitarrist Bob Gray ist heute in Schortens verwurzelt). Die Gäste liebten Meta trotz ihrer manchmal schroffen Art, während konservative Kreise das Lokal misstrauisch beäugten. Schließlich wurde dort nicht nur Tabak geraucht und scheußliche „Negermusik“ gespielt. Zwischendurch hatte sie, wie auch andere Betreiber vergleichbarer Lokale, immer wieder Ärger mit den Behörden bis zu einer kurzfristigen Schließung „wegen Drogen“. Zum einmaligen Interieur, das sich, weit entfernt von heutiger durchgestylter Eventgastronomie, eher aus Sperrmüll zusammensetzte, gehörten die selbstgebauten Barhocker aus Pferdesätteln und ein furchtbar fluchender Papagei. Meta Rogall verstarb erst 59jährig im September 1994 an einer Krebserkrankung. Seitdem führt ihr Sohn Sven das Haus unter dem Namen „Meta’s Musikschuppen“ weiter. Eine Fülle von Details mit historischem und Wiedererkennungswert galt es also auf 2 Stunden Spieldauer zu verdichten.
Glücksgriff Bartsch
Mit Hauptdarstellerin Angelika Bartsch hat die Landesbühne einen Glücksgriff getan. Der Oberspielleiter kannte sie aus seiner früheren Arbeit als Mrs Peachum in der Dreigroschenoper. Schon Figur, Frisur und Maske schaffen ein sehr authentisches Bild, aber Ziel sollte nicht sein, musikalisch gesprochen, Meta zu „covern“ (also krampfhaft zu kopieren), sondern mit eigenen Mitteln einen „Tribute“ für Meta Rogall zu schaffen – was gelungen ist. „Frau Bartsch bringt viel mit, aber ist auch offen für die gemeinsame Entwicklung der Rolle“, schwärmen Regisseur und Dramaturg. Angelika Bartsch ist eine „Die“, aber keine „Diva“. Sie spielt, auch gesanglich, in einer anderen Liga als das Stammensemble, aber keinen absichtlich an die Wand – sie ist Teil eines Teams, das sie mitzureißen versteht. Richtig zeigen darf sie ihr Können allerdings nur zeitweise. Vor allem der erste Teil des Musicals ist stellenweise ziemlich flach und klamaukig. (Merke: Der echte Ostfriese beherrscht den feinen Humor und muss nicht zur Zote greifen!) Insgesamt gehen die Bewertungen der Zuschauer weit auseinander. Von totaler Begeisterung (die gefühlte Mehrheit) bis zu „doof, albern, überflüssig“ war alles zu hören. Die Erfolgs-Entscheidung fällt letztlich am Kartenschalter: Bei Redaktionsschluss waren sämtliche Vorstellungen ausverkauft (bis auf Restkarten für die Aufführungen im Kurtheater Norderney am 15.02. und 23.03.2010). Gelungen ist auf jeden Fall das Bühnenbild, plakativ und klar wie der Norden selbst. Ein sehr grüner gerader Deich vor einem sehr blauen oder sehr nächtlichen Himmel, dazwischen ein sehr authentischer Schafzaun mit Wollresten. Die Gratwanderung zwischen Symbolik und Klischee gelingt jedoch nicht immer. Der geflügelte Strandkorb auf dem „Stairway to Heaven“ hat schon was von einem surrealistischen Radziwill-Gemälde; der bayerische Tourist auf der Suche nach dem Wasser war doch eher abgedroschen. Über die wunderbare musikalische Begleitung durch vier junge Musiker aus Oldenburg gibt es nichts zu diskutieren. Regisseur Ingo Putz ist erst Mitte dreißig und selbst Musiker. Er musste gleichzeitig ein Stück Biografie erzählen, um die Erwartungen der „Meta“-Fans zu bedienen, und ein wichtiges Stück Kulturgeschichte der Nachkriegszeit thematisieren. Mit wieviel Liebe und Enthusiasmus er sich auf seine Aufgabe gestürzt hat, zeigt sich im kleinsten Detail bis hin zum Programmheft, das einer Schallplatten-Single nachempfunden ist, mit Fotos aus der Sturm- und-Drang-Zeit der Beteiligten. Die Premiere ging mit Zugaben und Session mit Bob Gray fließend in eine ausgelassene Party mit DJ Wolle Willig über. Dabei entstanden nette Videos von rockenden Intendanten und Oberbürgermeistern, die wir gegen eine angemessene Spende gern bei Youtube einstellen und gegen eine noch großzügigere Spende gern wieder löschen.
(Foto:Landesbühne)
Literaturtipps: Werner Jürgens „Komm wir geh´n zu Meta…“ und „Break on through to the other side“, Katalog zur Ausstellung im Schlossmuseum Jever.
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