Marinemuseum
Aug 011997
 

Im nächsten Jahr soll in Wilhelmshaven ein „Museum zur deutschen Marinegeschichte“ eröffnet werden. Motor des Projekts ist der Förderverein „Deutsches Marinemuseum e. V.“, der von hochkarätigen Persönlichkeiten aus Wilhelmshaven geleitet wird: Konsul Meyer, Kapitän zur See a. D. Nippe, Stadtrat Graul und Sparkassendirektor Grapentin. Unterstützt wird der Verein durch einen Beirat aus Museumsfachleuten, Vertretern der Marine, der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, unter ihnen unter anderem der Oberbürgermeister, der Oberstadtdirektor, der Kulturdezernent, die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU im Stadtrat, der Standortälteste, der Präsident des deutschen Marinebundes und der Geschäftsführer des Allgemeinen Wirtschaftsverbandes Wilhelmshaven.

Komisskoppseligkeit

Werbebroschüre fürs Marinemuseum lässt Schlimmes ahnen

(hp/iz/hk) „Das wird schlimm“ titelte der GEGENWIND in der letzten Ausgabe eine erste Analyse des Konzeptes für das Marinemuseum und kam zu dem Ergebnis: Es ist gar kein Konzept erkennbar. Der Militärgeschichtliche Arbeitskreis Wilhelmshaven (MAW) geht noch einen Schritt weiter: Die Beschränkung auf scheinbar unverfängliche Aspekte der Marinegeschichte ist kein Ausrutscher, sondern Programm des Museums-Fördervereins.

Vor uns liegt ein Faltblatt, in Farbe gedruckt und professionell gestaltet: „Willkommen an Bord im Förderverein Deutsches Marinemuseum e.V.“ Museumsidee, Standort, geplante Ausstellung und der Verein selbst werden mit Fotos und griffigen Texten skizziert. Hiermit präsentieren sich Verein und Museum zum Zwecke der Mitgliederwerbung. „Kommen auch Sie an Bord“, heißt es da. Doch wohin geht der Kurs?
Auf der ersten Seite prangt in kolorierter und collagierter Nostalgie ein kaiserlicher Marinesoldat, dessen Reichskriegsflagge durch das dahinter gelegte Weinlaub wie ein bacchantisches Friedenszeichen erscheint. Die deutsche Marinegeschichte scheint auch sonst ein durchweg freundliches Männervergnügen gewesen zu sein: festliche Stapelläufe, qualmende Schornsteine, Takelage, wichtige Persönlichkeiten in entsprechenden Posen, das Werfttorgebäude mit Pferd davor.
Geschichte wird durch Abziehbildchen ersetzt, z.B. bewundert man den Kreuzer „Prinzess Wilhelm in Ostasien“, wie er inmitten von Dschunken malerisch vor einer blauen Küste dahindampft. Kein Hinweis darauf, dass dieses Schiff 1897 den Abtritt von Tsingtao an das Kaiserreich erzwang. Und wäre nicht ohnehin beim Komplex Kolonialgeschichte die berüchtigte, präfaschistische „Hunnenrede“ von Wilhelm II. angebrachter gewesen? (Oder soll die sanfte Anspielung auf den netten Beginn der gegenseitigen Beziehungen just vor 100 Jahren das Hafenbüro Tsingtaos in Wilhelmshaven schonen?)
Wir sehen dann den „Korvettenkapitän Max Schulz, 1917“, schön mit Orden behängt. Irgendeinen Kriegshelden musste man wohl ins Faltblatt bringen – doch wen da nehmen? (Man wollte kaum darauf hinweisen, dass der nach Schulz benannte Zerstörer durch eigene Fliegerbomben 1940 auf der Doggerbank versenkt wurde.) Schön auch, den „Leichten Kreuzer Köln“ beim Stapellauf in Wilhelmshaven 1928 bewundern zu dürfen. Kein Wort über die „Westentaschenschlachtschiffe“ dieser Jahre, mit denen die Auflagen des Versailler Vertrages umgangen werden sollten.

Kein Foto von Adolf Hitler, der 1932 – also vor der Machtübergabe und ohne ein Staatsamt innezuhaben – auf der „Köln“ in Wilhelmshaven mit Ehrenbezeugungen empfangen wurde, wie sie nur einem Staatschef vorbehalten waren. Er erläuterte geneigten Marinevertretern seine revanchistische Politik, die sich im späteren NS-Flottenbauprogramm niederschlug. Von Hitlers spektakulärem Auftritt existieren Fotos.
Weiter geht es mit dem attraktiven Foto des „Linienschiffs Schleswig-Holstein in Wilhelmshaven, 3. Einfahrt, 1935“. Dieses Schiff gab 1939 beim Überfall auf Polen die ersten Schüsse des 2.Weltkriegs ab. Kein Wort darüber, kein Foto davon. Nahtlos folgt dann das Kapitel Bundesmarine mit einem Foto der 4. Einfahrt von heute.
Über den geplanten Bereich „Sozial- und Alltagsgeschichte“ sehen wir nichts – außer dem Werfttor. Unter welchen unmenschlichen Arbeitsbedingungen Wilhelmshaven aus dem Schlick gestampft wurde – auch darüber fehlen Fotos. Dagegen werden die Typenbezeichnungen der Schiffe immer genau angegeben. Es ist natürlich wichtig zu wissen, dass z.B. die Schleswig-Holstein kein „Leichter Kreuzer“ gewesen ist. Der Ausstellungsbereich „Die Technik der Marine“ soll offenbar Blickfang sein, wie schon das bereits ausgestellte U-Boot verrät: Faszination Technik statt Aufklärung.

Überall werden die Brüche, Katastrophen und wirklichen Entwicklungslinien der deutschen Geschichte verschwiegen. Als ob es keine aggressive wilhelminische Flotteneuphorie und den Nationalsozialismus gegeben hätte. Man wundert sich, dass das Hakenkreuz der „Schleswig-Holstein“ nicht wegretuschiert wurde. Nichts über die beiden verlorenen Kriege: kein zerstörtes Wilhelmshaven, keine demontierte Werft, keine Kriegsschuld. Wo ist ein Foto von den ermordeten Juden der Stadt Libau, die 1941 unter Marinekommandantur stand? Wo sind die Hinweise auf die Exekutionen Tausender desertierter Marinesoldaten während der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs? Oder, um auch einmal etwas Positives zu nennen, wo bleibt die Meuterei der Matrosen 1918 vor Wilhelmshaven, die Initialzündung der Ersten deutschen Demokratie und das geschichtliche Ereignis der deutschen Marine?

Kommentar

Der Prospekt gehört eingestampft!

Nimmt man das Faltblatt ernst, könnte das angekündigte „Lernen aus der Vergangenheit“ wohl etwa anders gemeint sein. In Bild und Text wird eine problemlose Kontinuität „von der Flotte des Deutschen Bundes 1848 bis zu den aktuellen Marineaufgaben im Rahmen der bundesdeutschen Außen- und Verteidigungspolitik“ behauptet. Beiläufig erfährt man so auch, dass die Bundesmarine wieder Aufgaben der Außenpolitik zu erfüllen hätte. Für den Förderverein scheint das Grundgesetz, nach dem Militäreinsätze der Bundeswehr (außer im Verteidigungsfall) „dem Frieden der Welt zu dienen“ (GG) haben und nur im Rahmen der UNO stattfinden dürfen, nicht zu gelten. Diese nicht verfassungskonforme Auffassung schlägt auch im Ausstellungsbereich „Deutschland und die Weltmeere – 150 Jahre deutsche Marine“ durch. Es ist nach der Lektüre des Faltblatts nur noch fraglich, ob Kaiser- oder NS-Zeit als das Rollenmodell für den Aktionsradius der Gegenwart gemeint sind.
Bemüht man sich andernorts, die deutsche Militärtradition kritisch für eine breite Öffentlichkeit aufzubereiten, scheint in Wilhelmshaven alles anders zu sein. Die Macher vom Förderverein haben laut eigener Angabe „nur ein Ziel: Sie wollen ein Museum zur Deutschen Marinegeschichte in Wilhelmshaven einrichten.“ Man ist nach Lektüre des Prospekts geneigt zu ergänzen – „egal um welchen Preis.“ Man hat den Eindruck, dass eine ganz bestimmte Klientel in den Verein gelockt werden soll. Eine dermaßen verantwortungslose Werbung, die sofort eingestampft gehört, lässt auf erhebliche staatsbürgerliche Defizite im Verein schließen. Schlimm, dass auch prominente SPD-Vertreter das mitzuverantworten haben. Wenn das Museum so wird wie seine Visitenkarte, ist eine militärische Kultstätte zu befürchten. Es ist nur zu hoffen, dass die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Museums sich gegen dieses ungelüftete Amalgam aus historischer Bewusstlosigkeit, nostalgischer Kommisskoppseligkeit und hemdsärmeligem Stadtmarketing werden behaupten können.

Hartmut Peters

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