Manfred „Mecki“ Gaede †
Mai 302001
 

Ein liebenswerter linker Chaot

Eine Erinnerung an Mecki (Manfred) Gaede

Ein Leben lang mochte Mecki keine Autos. Mit immer neuen politischen Aktivitäten wuchs jedoch auch sein Aktionsradius, so dass er sich schließlich im Alter von 60 Jahren doch noch auf vier Rädern mobilisieren wollte. Ausgerechnet bei einer Fahrstunde hat es ihn erwischt: Mecki erlitt einen Herzinfakt und war sofort tot.

Gaede_MeckiMecki war eine politische wie menschliche Institution in Wilhelmshaven, und wer in den letzten 40 Jahren irgendwo im linken politischen Spektrum tätig war, kam nicht an ihm vorbei.
Als in den siebziger Jahren die Maikundgebungen noch im Kurpark stattfanden (und massenhaft besucht wurden), schmückten in schöner Regelmäßigkeit K-Gruppen in der Nacht zum 1. Mai den Veranstaltungsort mit politischen Parolen – zur Verärgerung der gewerkschaftlichen Sonntagsredner. In dieser schönen Tradition kletterte Mecki mit einigen Genossen auf das Dach der Kurmuschel, um dort „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ aufzumalen. Das war schon nicht ganz einfach, weil man über Kopf malen musste. Zudem musste diese Arbeit bei Annäherung von Polizeistreifen unterbrochen werden. Dass am Morgen des 1. Mai zur allgemeinen Belustigung dort „Proletarier alller Länder… zu lesen war, lag also an den widrigen Umständen und nicht, wie mancher vermutete, am Alkoholkonsum der Künstler.
Wollte man alle politischen Aktionen aufzählen, an denen Mecki beteiligt war, würde ein Buch daraus werden. Obiges Beispiel ist insofern repräsentativ, als dass Mecki stets mit großer Energie und mutig die Dinge in die Hand nahm – und dass irgend etwas dabei immer schief ging …
Mecki war ein großer Theoretiker. Stundenlang konnte man mit ihm vortrefflich vorzugsweise über marxistisch-leninistische Themen streiten, entweder in einer Südstadtkneipe (Esprita) oder in einem seiner völlig chaotischen, mit Flugblättern, Parteiprogrammen und guten Büchern vollgestopften und ständig wechselnden Wohnsitze. Ebenso gut konnte aus dieser Diskussion eine spontane Aktion entstehen. „Weg mit dem § 218“ (mit ätzender Kreide auf den Rasen vor dem Reinhard-Nieter-Krankenhaus gemalt), „Weg mit dem KPD-Verbot“ (mit unverwüstlicher Fahrbahnmarkierungsfarbe quer über die Marktstraße) – an vielen Stellen hat sich Mecki zu Wort gemeldet. Vor kurzem war das Gebäude der WZ Ziel einer Malaktion. Diesmal mit abwaschbarer Farbe gemalt, symbolisierte ein brauner Sockel die unrühmliche Position der Wilhelmshavener Zeitung während der NS-Zeit.
Meckis handwerklich-künstlerische Talente, die Verwendung verschiedenster Medien, von der Malerei und Grafik über den Siebdruck, ermöglichten es ihm, seine Ideen und Ansichten selbst von der Theorie in die Praxis umzusetzen. Dabei hat er die Fortentwicklung moderner Kommunikationsmedien mitverfolgt und sich schließlich auch ins Internet hineingefuchst: seine PDS-Homepage stand kurz vor der Vollendung.
Nicht nur die oben genannten kurzfristigen Aktionen, sondern auch langfristiges Engagement in Gruppenzusammenhängen prägten Meckis politisches Dasein. Am durchgängigsten lebte er seinen Widerstand gegen den Faschismus und Militarismus. So gab es in den Sechzigern noch Skagerrak-Veteranen-Treffen von ewig Gestrigen auf dem Adalbert-Platz – bis einer der Hauptredner einen Eimer Wasser auf den Kopf bekam. Von dem Baum, an dem der Eimer hing, führte die Schnur in Meckis Hand … Danach gab es keine Skagerraktreffen mehr. Auch die Propagandastände der NPD erwiesen sich als wenig standfest, wenn Mecki und seine Freunde auftauchten. Später machte sich Mecki auch Mittel des „Rechtsstaates“ zu nutze, als er die Wilhelmshavener Nazis Hartmut Heger, Robert Bahr und Thorsten de Vries wegen einer Demonstration verklagte.
Das Spektrum seines gesellschaftspolitischen Interesses war bunt und vielfältig: vom antiautoritären Kinderladen in Aldenburg über die alternative Stadtzeitung „Dat Blatt“, Anarchistisches Syndikat, Nicaragua-Komitee, Tauschring… Zusammen mit politischen Freunden versuchte er, den linken Flügel der Wilhelmshavener Grünen zu stärken. Als das misslang, gründete er 1996 den PDS-Kreisverband Wilhelmshaven-Friesland. Seine Bundestagskandidatur wurde von vielen unterstützt, auch wenn sie nicht unbedingt mit der PDS, aber mit Mecki sympathisierten, was auch auf dem Plakat („Einer von uns“) zum Ausdruck kam.
Bürgerliche Normen waren Mecki zuwider, wie man schon seinem Äußeren und seiner Wohnung ansehen konnte – und seinem Auftreten im bürgerlichen Umfeld. So hatte er im Stadttheater ein verbilligtes „Abo S“ und intonierte nach der Aufführung im Theatercafé gern die „Internationale“ – zum Schrecken der gutbetuchten Nachvorstellungssekttrinker. Mecki interessierte nicht, was sich „gehört“. Wenn er für Aktionen etwas benötigte, „besorgte“ er es – einen Sarg aus der Karnevalsrequisite, Straßenmarkierungsfarbe aus einem Bauwagen. Plakatiert hat Mecki nicht bei Nacht und Nebel, sondern am helllichten Tag im Blaumann.
Zum Geld hatte Mecki ein ganz eigenes Verhältnis. Da er schon mit 30 Jahren nach einem Unfall Frührentner wurde, war er zeitlebens mittellos – was ihm wenig ausmachte. Für Sammlungen zu politischen Zwecken hatte er jedoch immer was über – er griff in seine Tasche, und was sich darin fand, kam in den Sammelbeutel, ohne vorher nachzuzählen. An dieser Stelle kommen wir auch vom politischen zum privaten Menschen Mecki Gaede geb. Jendritzki. Vielen jungen Menschen war er immer wieder ein väterlicher Freund, zuletzt, nach dem Ende der „Lesestube“, bot er den Jugendlichen der Autonomen Antifa in seinem PDS-Laden politisches wie menschliches Asyl. Dies ist nur ein Beispiel für seinen undogmatischen Umgang mit verschiedenen linken politischen Lagern – offen und neugierig setzte er sich auch mit Leuten auseinander, die zu einzelnen Dingen abweichende Ansichten äußerten.
Feinfühlig, hilfsbereit, glaubwürdig, undogmatisch, mutig und auf eine sehr gesunde Art verrückt – so bleibt Mecki langjährigen Freunden und Bekannten in Erinnerung.

Die Gegenwind-Redaktion

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