Männergewalt 3
Nov 021992
 

Ist Männergewalt therapierbar?

Über die zweite Veranstaltung zur Männergewalt

(noa) Anders als am 20. September ging es in der zweiten Talkrunde der Veranstaltungsreihe zur Männergewalt kontrovers zu. Am 3. November ging es im Pumpwerk um die Frage „Männergewalt – therapierbar?“ Dr. Michael Heilemann und Nora van der Starre, beide tätig in der Jugendstrafanstalt Hameln, berichteten von der Arbeit mit jungen Vergewaltigern und Sexualmördern.

Zwei Merkmale zeichnen nach Heilemann die Vergewaltiger aus: Frauenfeindlichkeit und eine extrem große Differenz zwischen Ideal-Selbst und Real-Selbst. Die Therapie besteht folgerichtig zum einen in einer Korrektur des Frauenbildes, zum anderen in einer Verkleinerung der großen Kluft zwischen der Idealvorstellung und dem geringen Selbstwertgefühl. Diese Arbeit wurde in sogenannten Geschlechtsrollenseminaren geleistet, an denen neben je vier bis fünf Sexualstraftätern bis zu zehn TherapeutInnen – professionelle und ehrenamtliche – teilnahmen.
Und an diesem Punkt brach die Kontroverse auf. Unter den ehrenamtlichen TherapeutInnen waren nämlich u.a. Frauen, die (stellvertretend für die Opfer und als potentielle Opfer) die Gewalttäter mit deren falschem Frauenbild („Frauen sind immer geil, geben es aber nicht zu, mann muß sie aufs Kreuz legen und es ihnen besorgen; das kann mann gegen ihren Willen tun, weil sie nicht gleichberechtigt sind…“) konfrontierten und ihnen sagten, wie Frauen in Wirklichkeit sind und fühlen.
„Wir wollen diese Männer nicht therapieren“, „warum sollen die Frauen, die von Männergewalt betroffen sind, diese Arbeit leisten?“, „die Männer sollen sich selber darum kümmern, daß sie gesund werden“, so und ähnlich lauteten die empörten Einwände von Frauen aus dem Publikum.
Nach den für jede Frau entlastenden Ausführungen von Burkhard Oelemann am 20. September „Männergewalt ist ein Männerproblem und kann nur von Männern gelöst werden“ – kam die Darstellung des Geschlechtsrollenseminars bei vielen Frauen offensichtlich so an, als wollten die VertreterInnen des Hamelner Projekts die Männer aus dieser Verantwortung nun wieder entlassen. Diesen Eindruck konnte Heilemann bei den Zwischenruferinnen auch nicht ausräumen, indem er darauf hinwies, daß Frauen angesichts von 400.000 Vergewaltigungen pro Jahr ein unmittelbares Interesse daran haben, die wenigen verurteilten und damit greifbaren Gewalttäter, die sich zu einer Therapie bereit erklären, zu verändern, es andererseits bislang nur wenige Männer gibt, die das für den Vergewaltiger typische Frauenbild nicht auch haben („Jeder Mann ist ein potentieller Vergewaltiger“ , so Heilemann).
Schade, daß dies Mißverständnis nicht ausgeräumt werden konnte – die Angriffe waren so vehement, daß Nora van der Starre sich genötigt sah, sich vor den Frauen dafür zu rechtfertigen, daß sie an dem Projekt mitarbeitet.
Die Geschlechtsrollenseminare sind übrigens mittlerweile vom Justizministerium (da arbeiten überwiegend Männer!) verboten worden, da sie für die Vergewaltiger und Frauenmörder so hart seien, daß sie eine doppelte Bestrafung darstellen.

Veranstaltungshinweis: Die dritte und letzte Talkrunde aus der Veranstaltungsreihe zur Männergewalt findet am 19. November um 20 Uhr im Pumpwerk statt. Vorgestellt wird dann das US-Projekt „Der Mann muß gehen, die Frau kann bleiben“.
Literaturhinweis: Hanne Tügel und Michael Heilemann (Hrsg.), Frauen verändern Vergewaltiger, Frankfurt/Main 1987

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