Kommt die FSRU von der Resterampe?
Die Deutsche Umwelthilfe schlägt Alarm: Uniper plant, mit dem LNG-Terminal Wilhelmshaven große Mengen umweltschädlicher Biozide ohne Umweltprüfung in die Nordsee einzuleiten. Entspricht das gecharterte Umschlagschiff überhaupt dem Stand der Technik?
Beim Betrieb des schwimmenden LNG-Terminalschiffs (FSRU) „Höegh Esperanza“ in Wilhelmshaven sollen große Mengen an umweltschädlichem Chlor ins Meer geleitet werden dürfen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert, die bisher unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfungen unverzüglich für alle geplanten LNG-Projekte nachzuholen und den Betrieb nur zuzulassen, wenn der Eintrag von Bioziden auf das absolut notwendige Minimum reduziert wird. Chlor wird als Biozid eingesetzt und soll den Bewuchs der Regasifizierungsanlagen durch Muscheln oder Seepocken verhindern. Per Elektrochlorierung wird in den Seewassereinlässen der FSRU für eine kontinuierliche Abgabe von Hypochlorit gesorgt, in der Folge gelangt dieses Biozid in die Nordsee. Gerade wegen dieser Einleitung des Biozids hatte die „Höegh Esperanza“ an ihrem vorherigen geplanten Einsatzort am Crib Point LNG Projekt im australischen Bundesstaat Victoria im Jahr 2021 keine Betriebserlaubnis erhalten. In der Umweltprüfung der dortigen Behörden, die der DUH vorliegt, war die „Esperanza“ durchgefallen. Das gesamte LNG-Projekt wurde daraufhin abgesagt.
Die in Deutschland geplanten LNG-Terminalprojekte profitieren allesamt von verschiedenen Ausnahmeregelungen, die im LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) formuliert wurden. Für die schwimmenden Terminalschiffe zählt dazu auch die Streichung zur verpflichtenden Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Durch weitere Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz wurde jüngst festgelegt, dass auch die Einleitung schädlicher Abwässer in der Regel als unschädlich für das jeweilige Gewässer gilt. Eine Pflicht zur individuellen Prüfung einer solchen Einleitung auf die Umwelt ist damit nicht mehr nötig. Dies hatte die DUH bereits im Gesetzgebungsverfahren bemängelt. Für den Biozid-Eintrag durch die „Höegh Esperanza“ und die Wirkung auf die umliegenden Schutzgebiete wurden zwar einzelne Untersuchungen durchgeführt, jedoch wurde eine Konzentrationswirkung der Schadstoffe nur für einen Zeitraum von zwölf Wochen berechnet. Tatsächlich hat Uniper jedoch einen unbegrenzten Betrieb des LNG-Terminalschiffes beantragt, so dass mit einer langfristigen Wirkung gerechnet werden muss. Auch wurden keine tatsächlichen Messwerte, sondern nur Annahmen für die Emissionen der „Höegh Esperanza“ verwendet. Dies muss mit einer vollständigen Umweltverträglichkeitsprüfung unverzüglich nachgeholt werden.
Dazu Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „In Wilhelmshaven und an den übrigen LNG-Standorten droht ein schleichender Chemieunfall. Laut Antragsunterlagen möchte Uniper mit seinem LNG-Terminalschiff zehn Mal so viel Biozid in die Nordsee einleiten, wie die australischen Behörden zuvor an vergleichbarem Standort für vertretbar gehalten haben. Genau für solche Fälle ist die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen. Es erweist sich jetzt als schwerer Fehler, dass die Bundesregierung wichtige Umweltvorgaben leichtfertigt aufgegeben hat. Die Einleitung von Chlor hat gravierende Folgen: Die Abbauprodukte stehen mit der Entstehung von Krebs, Mutationen und auch der Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfunktionen in Verbindung. Das alles soll in unmittelbarer Nähe von Wattenmeer und Jade als besondere Schutzgebiete von internationaler Bedeutung geschehen. So wichtig die Herstellung von Versorgungssicherheit ist: Wir dürfen die Augen vor möglichen Umweltfolgen der LNG-Anlagen nicht verschließen. Die Behörden und Betreiber müssen alles daran setzen, die Umweltfolgen der Anlagen auf das absolut notwendige Minimum zu reduzieren.“
Constantin Zerger, DUH-Leiter Energie und Klimaschutz: „Die Bundesregierung droht hinter internationale Umweltstandards zurückzufallen. Die ‚Höegh Esperanza´ hat sie offenbar von der Resterampe, nachdem das LNG-Terminalschiff in Australien keine Umweltzulassung erhalten hatte. Es ist davon auszugehen, dass im Bundeswirtschaftsministerium diese Vorgeschichte bekannt war: Gleich durch mehrere Gesetzesänderungen wurde der Weg für die Einleitung von Biozid durch die schwimmenden LNG-Terminalschiffe gezielt freigeräumt. Offen ist dabei, ob auch das für Meeresschutz zuständige Bundesumweltministerium sowie der Bundestag in diese Pläne des Wirtschaftsministeriums eingeweiht und sich den Folgen ihrer Zustimmung bewusst waren. Wir fordern die Bundesregierung jetzt auf, diese Gesetzesänderungen wieder rückgängig zu machen und dafür sowohl das LNG-Beschleunigungsgesetz als auch das Wasserhaushaltsgesetz zu novellieren. Keinesfalls dürfen diese verheerenden Beispiele Schule machen.“
Hintergrund:
Das Projekt in Wilhelmshaven wird durch das kürzlich verstaatlichte Unternehmen Uniper vorangetrieben, die „Höegh Esperanza“ ist dafür vom Bundeswirtschaftsministerium gechartert worden. Die australischen Behörden hatten bei der Verweigerung der Genehmigung darauf hingewiesen, dass andere LNG-Terminalschiffe deutlich geringere Mengen an Biozid einleiten und die „Höegh Esperanza“ deshalb nicht dem Stand der Technik entspräche.
Die Antragsunterlagen von Uniper sowie die Umweltbewertung der australischen Behörden liegen der DUH vor.
Kontakt:
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer
0160 90354509, mueller-kraenner@duh.de
Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz
0160 4334014, zerger@duh.de
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