Little Heroes
Aug 191991
 

Heldenhaftes Publikum

Pumpwerk präsentierte Sommerlochfüller

(iz) Seit der Etablierung der „Maritimen Filmtage“ scheint Wilhelmshaven ein Comeback als Kinostadt zu feiern. So freuten sich unlängst eingefleischte Filmfans auf einen Kurzfilmabend im Pumpwerk, betitelt „Der Jochen präsentiert Little Heroes“. Doch das experimentelle Heldenepos war nicht nur künstlerisch äußerst fragwürdig.

„Der Jochen“, in Wilhelmshaven vertreten durch eine junge Frau, ist nach deren Aussage eine Gruppe von Berliner JungfilmerInnen. Die Herkunft aus der Kunstmetropole bürgt jedoch nicht unbedingt für bahnbrechende künstlerische Darbietungen. Dem spärlichen Publikum stellte sich die Frage, ob technisch·schlichtweg miserable Filmchen – unscharf, unruhig, verwackelt – als Waffe gegen das Publikum eingesetzt werden müssen. Ist doch die Infragestellung eines überkommenen Kunstbegriffes durch Andy Warhol meisterhaft bewältigt worden.
Gerade das Wilhelmshavener Publikum ist durch die Maritimen Filmtage reichlich verwöhnt – ein Sinneswandel ist allein durch unkonventionelle Inhalte möglich, gepaart mit gutem Handwerk und gelungenen technischen Experimenten. Beim „Jochen“ hingegen war es äußerst fragwürdig, ob die Qualität des gezeigten Filmhandwerks gewollt schlecht oder einfach nicht gekonnt war. Hier sei weiterhin auf den Leserbrief (nächste Seite) verwiesen, der das genannte Phänomen treffend beschreibt.
Die Inhalte waren z.T. sogar ganz witzig, aber meistens blieb – entgegen der Ankündigung – das Auge eben doch trocken. Überhaupt nicht witzig war nun ein Streifen, in dem ein etwa 4jähriger Junge, auf Skin oder Neonazi getrimmt, die Hauptrolle spielt. Nachdem er sich im Straßendreck gesuhlt hat, tut er selbiges gemeinsam mit einer 10-12jährigen Darstellerin, bei deren Anblick bzw. Bekleidung jedem Päderasten das Wasser im Munde und anderswo zusammen gelaufen wäre. Nach dem Befingern wird das Mädchen von ihrem Partner mit einer Feder zerstochen, aufgeschlitzt, gemeuchelt, daß das Ochsenblut nur so spritzt.
Als das Fiasko, d.h. der Filmabend, endlich beendet war, wagte Verfasserin der Vertreterin des „Jochen“ ganz naiv die Frage zu stellen, ob der .Film mit dem Zwergenskin als Konfiskat des Jugendschutzes zur Abschreckung gezeigt worden war. Mitnichten, so die Antwort, das hätte ’ne Gruppe von echt duften jungen Leuten aus Berlin gemacht, das sei die authentische Geschichte des Abgangs eines bekannten Neonazis. Aha. Und ob sich keiner gefragt hätte, wie die beiden Kinderdarsteller das ganze verkraften werden? Quatsch, hieß es, den beiden hätte das unheimlich Laune gemacht, echt, die hätten nur gelacht, deswegen hätte man soviel rausschneiden müssen, weil es ein ernster Film sei, und am Schluß, als der Kleine heulen muß, das sei unheimlich schwer gewesen, den zum Flennen zu kriegen …

Wie das hat Verfasserin dann nicht mehr erfragt. Die groß angekündigte Diskussion fiel dann sowieso ins Wasser. Dabei hatten sich tatsächlich interessante Ansätze ergeben. Innerhalb der Jochen-Gruppe scheint mensch sich ja einig zu sein, dass Kinderpornos, von sogenannten Alternativen gemacht, dann eben keine sind, sondern höhere Kunst. In der Diskussion mit Außenstehenden, hier also mit der Handvoll Zuschauer, die heldenhaft bis zum Ende ausgeharrt hatten, wäre ein Ansatz für „Jochen“ gewesen, die Betriebsblindheit zu überwinden. Hier hätte sich die -Chance ergeben, über Altersgrenzen hinweg in gegenseitiger Toleranz verschiedener Kunstauffassungen den Abend zu reflektieren. Doch die gewollt lockere Dame erstarrte blitzschnell zu einer Salzsäule, als ein älterer Zuschauer, selbst Super-8-Fan, sich mit wirklich interessierten und gutgemeinten Fragen und Kritik an sie wandte. Man sah quasi eine Sprechblase mit „der Alte hat doch sowieso keine Ahnung“ über ihrem Haupte schweben. Möge sie in ihren engen Dunstkreis zurückkehren und dort an der eigenen Kunstauffassung ersticken.

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