Was ist links?
Steht die Wilhelmshavener Linke vor der Spaltung?
(hk/iz) Mit traumhaften Ergebnissen zur Landes- und Bundestagswahl ließ die Linke in Wilhelmshaven aufhorchen. In der Südstadt kam sie bei der Landtagswahl 2008 auf satte 21%, und bei den Erststimmen kam die Linke-Kandidatin Anette Nowak auf 10,6%. Mit 11,3% ließ die Linke Grüne (7,7) und FDP (8,1) schwach aussehen. Keine zwei Jahre später geht ein tiefer Riss durch die Partei, die inzwischen kaum noch arbeitsfähig ist.
Was ist geschehen?
Mit großem Brimborium waren im September 2009 16 SPD-Mitglieder aus ihrer Partei ausgetreten. Das Bürgerportal schrieb damals: Die ausgetretenen Genossinnen und Genossen waren teils jahrelang tragende Säulen ihrer Ortsvereine und des KV-Vorstandes. Es gehen die beiden stellvertretenden KV-Vorsitzenden Detlef Schön und Elke Wohler-Heckmann, die Ratsfrau Barbara Ober-Bloibaum, der stellvertretende Vorsitzende des OV West, Hans Ober-Bloibaum, Tim und Stephanie Sommer, Jens Bertram, Birgit Tönjes-Deye aus dem Vorstand des OV Süd, Nadine Osterkamp vom JUSO-Vorstand, sowie weitere Mitglieder.
Ein Teil der ausgetretenen Genossen entschloss sich, der Linken beizutreten. Und so fanden sich auf der Liste des am 12. November 2009 neu gewählten Vorstands auch schon zwei ehemalige SPDler. Die Arbeit lief gut an, gestärkt konnte sich die Linke in die kommunalpolitischen Auseinandersetzungen stürzen.
Irgendwann gab es dann einen Knacks und es entwickelten sich nebeneinander agierende Gruppen. Auf der einen Seite entstand eine Gruppe, die wir im folgenden die ‚Fraktion’ nennen, die sich um die MacherInnen des Epi-Zentrums (hierüber werden wir in der nächsten Ausgabe berichten) scharten und aus Leuten wie dem Mitglied des Stadtrates Johann Janssen und des Vorstandsmitglieds Klaus Heckenbach (Beisitzer) bestanden. Janssen und Heckenbach gehören inzwischen nicht mehr dem Vorstand an. Zu dieser Gruppe gesellte sich auch das Mitglied des Ortsrates Sengwarden Johann Wilms. Die Gruppe auf der anderen Seite besteht aus dem Rest-Vorstand um Anette Nowak und mehreren Ex-SPDlern.
Die gemeinsame Arbeit wurde immer problematischer und der Bruch wurde immer offensichtlicher. Auf der Kreismitgliederversammlung am 14. August 2010 wurde dann ein Antrag auf Abwahl der Vorstandsmitglieder Nowak, Schön und Hoppe gestellt, der jedoch keine Mehrheit fand.
Warnung
Am 19. August 2010 wurde vom Oldenburger Antifa-Café eine ‚Warnung’ vor zwei Personen namens Juli und Manu auf die Internetplattform ‚indymedia’ gestellt. In dieser Warnung heißt es u.a.: „Seit etwas mehr als einem Jahr bewegen sich zwei Personen in linken/linksradikalen Kreisen im Weser-Ems-Gebiet, vor denen wir eindringlich warnen. Sie treten unter den Alias-Namen „Juli“ und „Manu“ auf. (…)Bei „Juli“ handelt es sich um ein ehemals führendes Mitglied und die Mitbegründerin einer bedeutenden Nazi-Kameradschaft. In mehreren Gesprächen tischte sie uns die unterschiedlichsten Versionen ihres „Ausstiegs“ auf. (…) Aus diesen (und vielen weiteren) Gründen sehen wir keine andere Möglichkeit, als jegliche politische Zusammenarbeit mit „Juli“ einzustellen. Da sich ihr langjähriger Lebensgefährte „Manu“ bisher absolut loyal ihr gegenüber verhält und es trotz diverser Versuche bisher nicht gelang, weitreichendere Erkenntnisse über seinen bisherigen Lebensweg in Erfahrung zu bringen, wird es auch mit ihm (zumindest bis auf Weiteres) keinerlei Zusammenarbeit mehr geben. Aufgrund des massiven Misstrauens gegen die beiden wird es ebenfalls keine Zusammenarbeit mehr mit Gruppen und Strukturen geben, die die Beiden in ihren Kreisen dulden.“
Als Folge dieser Warnung wurden die beiden, die ja inzwischen auch Mitglieder der Wilhelmshavener Linken waren, aus dem Wilhelmshavener Netzwerk gegen Rechts ausgeschlossen. Bei der Linken ließ sich die Sache schwieriger an, weil die beiden starke Fürsprecher innerhalb des Wilhelmshavener Kreisverbandes hatten.
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Gruppen innerhalb der Linken wurde zur Tortur. Es entstand ein Klima des Misstrauens und des Gegeneinander.
Sarrazin und Die Linke
Erheblich verschärft wurde die Situation noch durch ein Interview Johann Janssens mit der Wilhelmshavener Zeitung, in dem Janssen sich mit die Thesen Theo Sarrazins zu eigen machte und sie direkt auf Wilhelmshaven anwendete. Der Kreisvorstand der Wilhelmshavener Linken distanzierte sich von Janssens Ausführungen: (…) Es ist auch wenig hilfreich, wenn Johann Janssen Tabus brechen und nach der deutschen NS-Vergangenheit wieder bestimmte Worte in den Mund nehmen möchte. Die Nazi-Vergangenheit lehrt uns: “Wehret den Anfängen”. Rasse- und Vererbungstheorien gehören nicht zum Gedankengut der LINKEN. Und unverständlich ist, dass Johann Janssen den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders zu einem “Kritiker” aufwertet.
DIE LINKE.Wilhelmshaven hält nichts von Law&Order-Methoden. Man behebt Defizite nicht mit Strafen, sondern indem man ihre gesellschaftlichen Ursachen erkennt und entsprechend politisch handelt.
Gespräch
Die Lage der Linken in Wilhelmshaven ist verworren, eine zielorientierte Arbeit kaum noch möglich. Der Gegenwind sprach aus diesem Grunde mit den Vertretern der ‚Fraktion’ Johann Janssen, Johann Wilms und Klaus Heckenbach.
Gegenwind: Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Bei der Linken in Wilhelmshaven ist der Wurm drin! Da gibt es wohl eine Spaltung in eine Gruppe, die sich „Fraktion“ nennt und die Vorstandsgruppe. Was ist da los?
Klaus Heckenbach: Das Problem ist, dass vom Vorstand mehrfach versucht wurde, massiv demokratische Abstimmungen zu manipulieren.
Johann Wilms: In der Mitgliederversammlung sind Misstrauensanträge gegen den Vorstand gelaufen – die sind gescheitert. Der Vorstand ist also noch im Amt.
Gegenwind: Und damit seid ihr nicht zufrieden. Wollt ihr solange abstimmen, bis eure „Demokratie“ durchgesetzt ist?
Johann Wilms: Der Vorstand als solches erarbeitet alles, stimmt alles ab, lenkt alles. Es wird über nichts gesprochen. Der Vorstand, bzw. Teile des Vorstands bestimmen, dass das so gemacht wird und dann wird das so gemacht.
Johann Janssen: Ein Beispiel wie es vorher war und wie es jetzt ist: Als die Partei gegründet wurde, da haben wir uns basisdemokratisch verhalten. Jeden Mittwoch sind wir zusammen gekommen und haben Politik gemacht. Und das hat sich seit Tim Sommer und die SPD-Leute eingetreten sind, grundlegend gewandelt. Es ist unterscheiden worden zwischen einfachen Mitgliedern und anderen Mitgliedern.
Gute Ortsverbände – schlechte Ortsverbände
Gegenwind: Dann ging es um die Bildung von Ortsverbänden
Johann Janssen: Das haben wir zunächst mal gutwillig mit abgestimmt und haben die Ortsverbände mit gegründet. Wir fanden das erst einmal ganz in Ordnung, aber mit anderen Argumenten. Wir wollten in die Fläche gehen und mit den Leuten reden – das wollten wir mit den Ortsverbänden. Aber die Leute, die uns angeschnackt hatten, dass wir Ortsverbände gründen sollten, die hatten was anderes damit im Sinn.
Gegenwind: Es gab doch auch vorher schon Ortsverbände, bevor die Ex-SPDler eintraten.
Johann Janssen: Es wurde diskutiert, aber es gab sie noch nicht.
Gegenwind:: Wie sieht denn nun konkret eure Kritik aus?
Johann Janssen: Die Mitglieder können sich hier zwar hinsetzen, können auch etwas beraten, können aber nicht mehr Politik machen. Das Argument der anderen war: Das ist zu chaotisch, wenn wir alles jeden Mittwoch neu diskutieren müssen, wenn immer neue Mitglieder – das geht nicht. So war es teilweise auch, aber immerhin hat es wesentlich besser funktioniert, es gab wesentlich mehr Echo.
Gegenwind: Aber ist es ist nicht demokratischer, wenn sich die Arbeit auf viele Ortsverbände verteilt und diese entsprechend agieren und Politik machen können.
Johann Wilms: Bis dahin hatte aber niemand ein Problem, hierher zu kommen und hier an diesen Mittwochabenden zu reden oder sich einzubringen.
Klaus Heckenbach: Also, die Ortsverbände funktionieren nicht wirklich, die Treffen werden sehr schlecht besucht, Entscheide die getroffen wurden, wurden ignoriert. Der Vorstand setzt sich über die Entscheidungen der Mitgliedschaft hinweg.
Kommunalwahl 2011
Gegenwind: Es gab ja diesen Mittwochskreis, wo intensiv diskutiert wurde – nun gibt es ja gerade wenn man im Rat vertreten ist, auch bestimmte Termine, Vorgaben, bis wann irgendetwas entschieden worden sein muss; ob das jetzt im Rat ist oder für die Landesebene mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen. Könnt ihr das irgendwie differenzieren. Man kann ewig diskutieren um irgendwelche Grundlagen, Plattformen rauszufinden. Aber man muss ja auch zielgerichtet arbeiten und zu einem Ergebnis kommen.
Klaus Heckenbach: Es gibt ein umfangreiches Rahmenwahlprogramm das in ganz Niedersachsen zur Geltung kommen wird.
Gegenwind: Was in Emden jetzt beschlossen wurde?
Klaus Heckenbach: Ja. Es ist sehr, sehr umfangreich. Man muss das natürlich dann mit den Gegebenheiten vor Ort in Einklang bringen und vor allen Dingen die Schwerpunkte, die vor Ort interessieren und was uns hier auf den Nägeln brennt, mit einarbeiten.
Gegenwind: Aber ist das nicht genau das, was ihr eigentlich ablehnt? Wurde hier nicht vorher schon mal gesagt, wir machen ein Kommunalwahlprogramm – aber das war auch dann doch schon wieder zu weitgehend und zu vorgegliedert.
Klaus Heckenbach: Es hat schon Arbeitskreise gegeben. In diesen Arbeitskreisen war es dann aber so, dass die Ergebnisse einzelnen Vorstandsmitgliedern nicht so in den Kram gepasst haben und die Ergebnisse sind dann ignoriert worden.
Gegenwind: In gut neun Monaten ist Kommunalwahl.
Klaus Heckenbach: Wir müssen unsere Listen, soweit ich weiß, Ende Juno Anfang Juli einreichen. Diese Zeit sollte man sich auch nehmen. Ich gehe davon aus, dass da noch eine ganze Menge guter Leute kommen werden. Wir sollten da flexibler sein – das sollte uns auch von den anderen Parteien unterscheiden.
Johann Janssen: Vielleicht noch mal eben zur Klarstellung dieses Wahlprogramms. Wir sind ja paralysiert, wir sind seit mindestens einem viertel Jahr paralysiert. Wir kommen nicht zum Arbeiten. Wir versuchen diese Lähmung dadurch zu überwinden, dass wir Mitgliederversammlungen machen. Wir hatten jetzt die dritte, und die ist wieder nicht ordentlich zustande gekommen und war schon nach einer halben Stunde erledigt. Mitglieder, die lange in der Partei sind, sind nicht eingeladen worden, Mitglieder, die kürzer in der Partei sind, sind eingeladen worden. Es geht da um Leute, die einer vermeintlichen Opposition zugerechnet werden – und das ist eine Manipulation. Das kann man nicht tolerieren.
Klaus Heckenbach: Also konkret geht es darum, dass der Vorstand sagt, er hätte keine Kenntnis gehabt, dass 14 Leute Mitglied unserer Partei werden wollen …
Gegenwind: Mitglied werden wollen oder Mitglied sind?
Klaus Heckenbach: Ich würde sagen, dass die Mitglied sind, die sind weit vor dem 10. September (Termin der 2. KMV) Mitglied geworden. Man möchte die Leute erst einmal anhören oder überprüfen. Es sieht so aus, als würde man nur noch selektiv Mitglieder aufnehmen.
Aufgaben des Vorstands
Gegenwind: Eine Partei muss sich natürlich davor schützen, dass durch einen Masseneintritt geputscht wird. Ich erinnere nur an die Vorgänge um den Kreisverband Holzminden (der KV Holzminden war vom Landesvorstand der Linken aufgelöst worden, nachdem eine stramm rechte Fraktion sich mit recht dubiosen Mitteln an die Spitze des KV gehievt hatte).
Klaus Heckenbach: In der Vergangenheit war das hier so, dass der Vorstand eigentlich nur organisatorische Aufgaben hatte, der hat sich nicht so sehr in den Vordergrund gestellt. Heute ist das so, dass der Vorstand die ganze politische Arbeit auf sich monopolisiert und dass eben auch Entscheidungen der Mitgliedschaft ignoriert werden.
Gegenwind: Ein ähnlicher Vorwurf wird euch ja auch gemacht, dass bei der Kreismitgliederversammlung (KMV) im September hier auf einmal Leute auftauchten, die behaupteten Mitglieder zu sein, ohne dass das nachprüfbar war.
Johann Wilms: Es war immer so, dass die auch innerhalb der 6-wöchigen Karenzzeit (Nach Bestätigung durch die Partei gibt es eine sechswöchige Karenzzeit, bis ein Mitglied alle Rechte hat) mit abstimmen durften. Nach Bundessatzung darf das nicht sein, aber wir haben das immer so gehändelt. Und plötzlich war das ganz anders. Plötzlich war hier sowieso etwas anders.
Gegenwind: Gibt es eigentlich auch inhaltliche Konflikte bei euch. Bisher war ja alles nur formal.
Klaus Heckenbach: Wir brauchen uns nicht über Inhalte zu unterhalten, wenn wir uns über die Frage „Sind wir demokratisch?“ nicht einig sind. Ich sage ganz klar, demokratische Verfahrensweisen sind hier in den letzten Monaten mit den Füßen getreten worden.
Gegenwind: Das ist ja starker Tobak.
Klaus Heckenbach: Das ist starker Tobak.
Johann Janssen: Ich möchte noch dazu sagen, dass sich die Partei eben gespalten hat und das es da auch um inhaltliche Positionen geht. Also mal ganz grob gesagt, das Epi-Zentrum in der Marktstraße und Leute, die das unterstützen wollen, wozu wir gehören, und die andere Fraktion, die das massiv bekämpft – aus welchen Gründen auch immer: Da gibt es persönliche und politische Animositäten. Das ist die alte Spaltung im linken Lager zwischen Sozialdemokratie und Kommunisten, die sich da manifestiert. Wir haben über Inhalte noch nicht geredet und wollen das auch erst tun, wenn wir wieder zusammen sind. Dann wird auch inhaltlich diskutiert, jetzt wird nur über einander her gezogen. Das da sind die Sozialdemokraten, wir sind die Chaoten. Chaoten, Gewalttäter, Trunkenbolde – wir sind da ganz schlimm diskriminiert worden. Ich wende ich mich ganz speziell dagegen, dass Leute, die sowieso schon unten angekommen sind, auch noch einen Tritt von der Partei hinterher kriegen.
Zensur + Sarrazin
Gegenwind: Wenn ich mir die Pressemitteilungen der Linken anschaue, und die werden ja von den Leuten gemacht, die ihr bekämpft, dann sehe ich da aber keinen Widerspruch zu den Positionen der Linken. Da wird doch eine Politik vertreten, die in Ordnung ist.
Johann Janssen: Ich bin nur überrascht, dass ich eine Pressemitteilung der Linken lese und habe die Diskussion überhaupt nicht mitgekriegt. Obwohl ich jeden Mittwoch hier bin.
Klaus Heckenbach: Es gibt durchaus auch Pressemitteilungen, die aus der Mitgliedschaft gekommen sind, es findet dann aber einfach eine Zensur statt.
Gegenwind: Wer macht das?
Klaus Heckenbach: Das macht der Vorstand. Nur heute wird nichts mehr in Abstimmung mit der Mitgliedschaft gemacht.
Johann Janssen: Das ist vielleicht noch wichtig zu sagen: Beim zweiten Mal (gemeint ist der zweite Teil der KMV im September 2010) hatten wir uns ja auch heftig zerstritten. Da ging es um mein Sarrazin-Interview, da kriegte ich ordentlich einen auf den Deckel – aber das ist ein anderes Thema. Da war die Landesvorsitzende Giesela Brandes-Steggewentz hier; und es ging um dieses Thema; ich war da zwar drauf vorbereitet, habe aber nicht gedacht, dass es da so zur Sache ging und …
Gegenwind: Da bist Du ja ziemlich alleine drauflosmarschiert – auf diese Sarrazin-Geschichte
Johann Janssen: Ja, ja. Dann hatten die Steggewentz und auch die Versammlung es für gut befunden, dass ich das als meine persönliche Meinung kund tun solle; das habe ich dann auch gemacht. Am Besten hätten sie gefunden, dass ich das zurück nehme, zumindest einiges davon. Das habe ich aber nicht gemacht. Nach dieser chaotischen MV haben wir uns mit Giesela Brandes-Steggewentz drauf geeinigt, dass wir ein Mediatoren-Gespräch führen. In beiden Fraktionen gibt es Kräfte, die wollen, das es wieder zusammen geht. Und dann hat die Giesela mit der anderen Fraktion gesprochen und die sind auch nach Hannover gefahren und haben mit ihr gesprochen und mit uns wurde überhaupt nicht gesprochen. Wir haben unser Gespräch erst in der nächsten Woche. (am 7.12.)
Klaus Heckenbach: Es geht ja um diese Spaltung, dass man nicht mehr zusammenarbeiten kann. Wir wollen demokratisch arbeiten und wir wollen zusammen wieder Verhaltensweisen in diese Partei einführen, durch die alle beteiligt werden. Es gibt da nur eben eine Gruppe, die das gar nicht will.
Gegenwind: Kannst Du das mal konkretisieren?
Klaus Heckenbach: Wir haben ja bisher immer sehr basisdemokratisch gearbeitet. In dem Sinne haben wir einen Vorstand, der uns politisch vor stand praktisch nie gehabt. Wir wollen da auch irgendwie wieder hin kommen – auf diese alte Linie. Das haben wir auch in Anträgen formuliert, die aber noch nicht abgestimmt wurden. Ich kann die ja mal vorlesen: Vorstandssitzungen finden künftig wöchentlich jeden Mittwoch statt und werden mit den bisherigen Mitgliedertreffen kombiniert. Mitglieder haben auf allen Vorstandssitzungen Rederecht. Das Rederecht wurde den Mitgliedern ja entzogen.
Gegenwind: Reduziert oder entzogen?
Klaus Heckenbach: Entzogen. Mitglieder haben auf Vorstandssitzungen kein Rederecht mehr gehabt. Und es wurde auch gesagt, das was auf den Mitgliedertreffen gesagt wird, interessiert nicht. Jetzt wird es wieder gnädig erlaubt. Ein Gnadenakt. Ein weiterer Antrag lautet: Die Außendarstellung der Partei, wie z.B. Presseerklärungen und politische Aussagen, erfolgen nicht mehr durch den Vorstand alleine, sondern nur nach Rücksprache und Diskussion mit dem wöchentlichen Mitgliedertreffen. Mitglieder können auf der Versammlung Tagesordnungspunkte vorschlagen.
Lähmung der Arbeit
Gegenwind: Aber da ist doch eine Lähmung der Arbeit vorprogrammiert. Da kann doch ohne Probleme jede Vorstandssitzung in jede Richtung instrumentalisiert werden. Das kann doch nicht sein.
Klaus Heckenbach: Der Vorstand macht doch was er will, er schreibt was er will, er stellt sich dar wie er will und wir stehen vor einer Wand.
Johann Janssen: Ihr habt natürlich recht – es kann passieren, dass hier 5 Leute sitzen, 2 vom Vorstand und 3 andere. Und diese 3 beschließen irgendwelche großartigen Aktionen. So eine Sache, wie wir sie vorschlagen, kann man nur machen, wenn man sich vertraut und wenn man die grobe Linie in der Mitgliederversammlung festgelegt hat, die eben nicht nur einmal im Jahr stattfinden sollte, sondern 2 mal. Es hat ja in der Vergangenheit funktioniert.
Klaus Heckenbach: Dadurch, dass alle mitarbeiten konnten, war es ja so, dass die Mitgliedertreffen immer gut besucht waren. Das da Einzelne jetzt so einen schwachen Tag ausnutzen, das hat es nicht gegeben. Dass die Mitgliedertreffen heute schwächer besucht werden, hängt einfach damit zusammen, dass man sich überhaupt nicht mehr einbringen kann. Eine Partei, die damit Werbung macht, dass man als Mitglied mitbestimmt, und dann genau dieses Mitbestimmungsrecht verhindert! Einfach sagt, wir machen das nur auf großen Mitgliederversammlungen. Das soll nach dem Parteiprogramm bei uns ja gerade anders sein. Wir wollen eben nicht so sein, wie die anderen Parteien.
Johann Janssen: Das Wort von Tim Sommer: Es gibt einfache Mitglieder und es gibt andere Mitglieder, wir brauchen keine Leute, wir brauchen Mandate – das ist ein ganz böses Wort und lässt tief blicken. Und er geht davon aus, dass wir, weil die Linke bundesweit immer noch relativ gut aufgestellt ist, eben Mandate kriegen, dadurch dass die Leute uns wählen und nicht wissen, in welchem Zustand wir hier sind. Natürlich brauchen wir Mandate, aber wir brauchen auch Mitglieder, wir brauchen eine lebendige Parteiarbeit mit den Mitgliedern. Da geht es auch um alltägliche Dinge, nicht nur um die große Politik. Wir müssen Auffangbecken sein für Leute, denen es schlecht geht, die sich z.B. bei der ARGE durchsetzen müssen. Wir müssen eine richtige Basispartei sein. Das ist meine Vorstellung und ich glaube, die trifft sich mit vielen aus unserer Fraktion, aber wir haben darüber auch monatelang nicht mehr diskutiert.
Gegenwind: Euer Antrag die Vorstandssitzungen nur noch öffentlich mit Mitgliedern durchzuführen. Das kann doch nur klappen, wenn es beiden Seiten gelingt sich zurückzuschrauben. Wenn ihr diesen Vorschlag jetzt durchkriegt – habt ihr dann nicht ein Mittel in der Hand, den Vorstand auszuhebeln?
Klaus Heckenbach: Dazu der nächste Antrag: Der Vorstand konzentriert sich auf seine verwaltenden Kernaufgaben. Die politische Geschäftsführung soll nur in Übereinsummung mit den wöchentlichen Mitgliedertreffen erfolgen. Und das funktioniert in der Praxis auch, das hat jahrelang funktioniert.
Johann Janssen: Also mit einer so tiefen Spaltung, wie wir sie jetzt haben, kann man überhaupt nichts machen. Das Misstrauen ist auf beiden Seiten riesengroß. Ob das wieder zusammen kommt, weiß ich nicht, aber ich denke mir, es kann nur über eine Mediation gehen. Wir brauchen da einen unabhängigen Menschen, das kann auch ein Nicht-Politiker sein, der das wieder zusammen bringt.
Machtmissbrauch
Gegenwind: Du hattest eben das Wort Vertrauen benutzt, das ist ja ganz wichtig in dieser Diskussion. Delegieren, bestimmte Leute wählen – das hat ja immer mit Vertrauen zu tun. Man ist in einer Partei, weil man ja einen Grundkonsens hat.
Klaus Heckenbach: Wir haben Leute gewählt. Man sieht aber erst, wenn sie in den Positionen sind, wie sie arbeiten. Und mit der Arbeitsweise bestimmter Vorstandsmitglieder ist man hier sehr unzufrieden. Man bekommt ganz schnell den Eindruck: Das ist Machtmissbrauch. Diese Unzufriedenheit wird dann irgendwann in der Abwahl enden, davon gehe ich aus.
Johann Janssen: Als Tim Sommer hierher kam, waren wir eigentlich ganz froh. Viele sagten der kann was, der kann prima reden, der hat sich ja auch schon viele Verdienste erworben, der hat sich eingesetzt. Dann habe ich aber mit Leuten aus der SPD gesprochen, die haben gesagt, wenn der hier irgendwas wird in der Partei, dann seid ihr weg vom Fenster. Aber ich wollte was anderes sagen. Als Tim sich hier vorstellte und wir ihn begrüßt haben, hat Anette in sehr verdienstvoller Weise gesagt: Bitte Tim, führe nicht deine Kriege im Internet mit uns und Genossen, die dir nicht passen, die Du in deiner alten Partei geführt hast, das wollen wir hier nicht. Das wurde schon ganz deutlich gesagt, und genau das ist passiert. Nicht wenig später sind die ganzen fiesen Internet-Kriege geführt worden, da bin ich in die neonazistische Ecke gestellt worden, sodass ich gar nicht mehr ins Internet gehen wollte, weil ich meine Gesundheit schonen muss, meinen Zorn auch. Und deswegen ist es noch viel wichtiger, dass wir hier an einen Tisch kommen, dass wir das den anderen genau ins Gesicht sagen, dass wir nicht übers Internet kämpfen, da haben wir nicht die Beißhemmung, da lassen wir die Zügel schleifen und gucken am nächsten Tag – wie hat der da wohl drauf reagiert. So etwas ist in unserer Partei massiv eingebrochen, das ist ein Trauerspiel und zerstörend.
Johann Wilms: Was der Vorstand will, muss ich ehrlich sagen, das weiß sich nicht. Das wissen wir nicht. Vielleicht aktiviert sich der Landesvorstand da ein bisschen mehr, mit der Schiedskommission zusammen. Es hat mit bestimmten Personen zu tun, die sich anscheinend nicht geändert haben, die ihre Position wohl hier oder da ausüben können. Ob es mit Herrn Sommer genauso wie in der SPD kommt, werden wir sehen.
Gegenwind: Ihr konzentriert euch sehr auf Tim Sommer?
Johann Wilms: Ich habe eine Umfrage in einer Mitgliederversammlung gemacht: Was glaubt ihr, wenn Tim Sommer nicht mehr bei uns ist, wie viel, in Prozentzahlen, es uns besser geht? 70 bis 80 Prozent! Das ist einfach nur eine Aussage von verschiedenen Mitgliedern.
Johann Janssen: Er ist ja auch ein Macher, ein aktiver Mensch, er will etwas und er hat sich als Hauptgegner so herausgestellt.
Gewollte Spaltung?
Gegenwind: Bereitet ihr euch eigentlich schon so ein bisschen auf die Spaltung vor?
Johann Janssen: Wir haben alles mögliche gedanklich durchgespielt – wir wollen keine Spaltung, wir wollen die Partei erhalten.
Gegenwind: Ich frage, weil ich sehe, dass seit einiger Zeit die LAW-Internet-Seite (In der LAW haben sich Menschen aus der WALLI (Wilhelmshavener Alternative Liste), der WASG (Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit) und der Linkspartei sowie parteilose Linke zusammengeschlossen. Die LAW soll ‚abgewickelt’ werden und in die Linke übergehen, die Ratsvertreter haben sich bereits der Linken angeschlossen.) wieder ganz aktiv bearbeitet wird, obwohl es im September letzten Jahres einen Beschluss gab, die Seite einzufrieren. Aktiviert wurde die Seite wieder, als im Mai 2010 der NPD-Parteitag in der Deutschen Bucht stattfand. Und seitdem gibt es ständig neue Artikel, allerdings nur noch von Klaus Heckenbach verfasst.
Johann Wilms: Es ist ein Vorstandsbeschluss der LAW, die Seite wieder aufzumachen. Und die Seite wird wieder aktiviert. Es geht letztlich darum, dass wir ein Sprachrohr haben.
Klaus Heckenbach: Damit haben wir eine Möglichkeit, der Zensur auszuweichen.
Johann Janssen: Es gibt bei uns sicherlich Gedankenspielereien. Wir meinen schon, dass es die Linke sein soll und das machen wir auch immer wieder deutlich. Und wir wollen auch mit denen wieder zusammen arbeiten. Bei Leuten wie Tim Sommer ist der Faden ziemlich kaputt, da irgendein Verhältnis wieder aufzubauen, aber ansonsten besteht der Wille zur Zusammenarbeit.
Gegenwind: Aber nur unter euren Vorzeichen. Tim Sommer weg, Anette Nowak weg …
Johann Janssen: Nein, nein.
Wir haben ein Problem
Gegenwind: Aber es gibt doch von euch einen Antrag …
Johann Janssen: Der jetzt existierende Vorstand der hat sich im Laufe der Monate vollkommen von der Basis entfernt, der hat das Vertrauen der Basis nicht mehr. Mit diesem Argument bin ich da auch ausgetreten. Ich habe gesagt: „Leute, ihr habt das Vertrauen nicht mehr, die Leute meckern nur, die sagen zu uns: ‚Ihr wollt nur Posten haben. Wir haben kein Vertrauen zu diesem Vorstand.’ Ich habe auch als Person nicht mehr das Vertrauen der Mitgliedschaft, deswegen trete ich zurück und ich meine, wir müssen einen neuen Vorstand wählen.“ Das war im August. Das ist so nicht durchgegangen.
Klaus Heckenbach: Wir haben ein Problem.
Gegenwind: .. und nicht alle Zeit der Welt, es zu lösen.
Klaus Heckenbach: Also, was die Kommunalwahl angeht, haben wir noch sehr viel Zeit.
Gegenwind: Kommt immer so schnell wie Weihnachten.
Johann Wilms: Nein, es ist ja schon seit 4 Monaten Thema. Letztendlich wollten wir jüngeren Leuten die Chance geben, in den Rat der Stadt zu kommen. Nicht sagen, wir wollen die und die Anzahl erreichen, und die und die Leute werden das. Genau umgekehrt ist der Weg. Der Wähler soll hier in Wilhelmshaven auch Leute wählen, die dann links sind und die sie auch kennen.
Gegenwind: Wie geht es weiter?
Johann Janssen: Unsere Partei ist nicht in der Lage, einen solchen Streit zu schlichten. Es sind so viele Verletzungen gelaufen. Wenn man mich in die neonazistische Ecke stellt, dann bin ich natürlich ziemlich sauer und da muss einfach mal drüber gesprochen werden. Und das kriegen wir eben nicht hin. Tim Sommer, der das z.B. in diesem Fall gemacht hat, der stellt sich hin und sagt: Johann warum redest du denn nicht mit mir? Komm doch mal her zu mir. Aber warum soll ich zu ihm kommen? Er stellt sich hin ohne irgendeine Funktion, erwartet dass alle die irgendwie mühselig und beladen sind, zu ihm kommen und mit ihm sprechen. Doch so geht es nicht. Oder wenn Verletzungen stattgefunden haben, so wie beim letzten Mal, da hat Tim zu Klaus und den anderen gesagt: ‚Der Klaus der ist ja krank und die anderen Kranken alle, die um ihn rum sind.’ Das ist doch ein Unding. Da könnt ihr euch ja wohl vorstellen, dass so etwas wirklich in Ruhe beredet werden muss, ehe man mit so einem Menschen wieder zusammen arbeiten kann. Hier am Tisch müssen wir miteinander sprechen. Es müssen zwei Dinge geschehen, es muss eine ordentliche Mitgliederversammlung einberufen werden und es muss eine Mediation durchgeführt werden.
Klaus Heckenbach: Es wird weiter gehen. Die Linke ist aus der Parteienlandschaft nicht mehr wegzudenken, auch nicht in Wilhelmshaven. Wir haben hier im Kreisverband im Moment Probleme – und wir werden sehen, wer an der Lösung mitarbeiten will und auch mit wem es überhaupt nicht geht. Es gibt durchaus Leute, mit denen es überhaupt nicht gehen wird – dann werden die schlicht überstimmt! Die Linken können sich immer daran messen, ob sie Politik fürs Eigen- oder fürs Gemeinwohl machen. Die Leute, die hier Politik nur fürs Eigenwohl machen, die werden nicht lange glaubhaft bestehen können.
Gegenwind: Vielen Dank.
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