Leserbriefe
Sep 012010
 

Zum Bismarck-Denkmal

Liebe Gegenwind-Redaktion,
bzgl. eures Artikels „Bismarck“ (Gegenwind 252, Seite 6, Mai 2010) frage ich mich: Wer hat den Artikel verfasst? Ein freier, unabhängiger Gegenwind-Redakteur, oder handelt es sich um einen „Gastkommentar“?
Den Ausführungen über Bismarck ist nichts hinzuzufügen, wenngleich er auch etwas einseitig ist.
Den Ausführungen über Stauffenberg ist im Prinzip auch nichts hinzuzufügen – und, nicht dass ihr mich falsch versteht – von mir aus kann gerne an jeder Ecke ein Stauffenberg-Denkmal stehen.
Wieso aber gerade ein Stauffenberg-Denkmal neben dem „Böll“ bzw. auf dem Bismarck-Platz?
Meine Fragen danach wurden wie folgt beantwortet: „Ist am medienwirksamsten“, „Kommt bald im free-TV, kennt dann jeder“, „auf Youtube voll der Renner“, „fand ich schon immer gut, ist mein Held“, auf Nachfrage, alternativ einem der vielen Protestler zu gedenken (oder ein allgemeines Widerstands-Denkmal), die nicht erst gewartet haben, bis klar war, dass der Krieg verloren ist, sondern viel früher ihr Leben gegeben haben: „Ja, die kennt ja niemand (gähn)“, „ich kann doch nicht jeder Krankenschwester ein Denkmal setzen“… boring!
Offensichtlich wurde die Motivation für solch ein Denkmal nicht hinterfragt. Leider.
Hinzu kommt, dass Stauffenberg als Stellvertreter für alle Widerstandskämpfer zu nennen nicht taugt. Er ist ein bedeutender und vermutlich der bekannteste Widerstandskämpfer aus der Endzeit des NS-Regimes und hat Einmaliges geplant – nicht mehr und nicht weniger. Alleine schon das Datum seiner Widerstandsaktion gibt doch berechtigten Zweifel daran, dass er als Stellvertreter für die zahlreichen toten Widerständler seit 1933 stehen kann. Ich will damit seine Leistung nicht schmälern, aber ich will gerade jetzt, wo es offensichtlich nur auf die Medienwirksamkeit / nur auf Marketingzwecke ankommt, an den kleinen Mann und die kleine Frau mahnen, die ihr Leben für den Widerstand schon vor der sicheren Niederlage gegeben haben, denn Kleinvieh macht auch Mist.
Und in diesem Falle sehr positiver Mist, denn während man bei Stauffenberg die Anzahl möglicherweise geretteter Leben fiktiv berechnen muss, kann man bei anderen die Anzahl geretteter Leben dadurch begreifen, dass man heute oder in den letzten Jahrzehnten noch mit diesen Menschen sprechen konnte.
Es ist mir schon klar, dass aber z.B. ein Hans Calmeyer, Georg Elser oder die Krankenschwester um die Ecke niemand oder kaum jemandem bekannt ist geschweige denn interessiert.
Für mich gibt’s also nur einen Grund für ein Stauffenberg-Denkmal auf dem Bismarck-Platz, vor allem bei den eingangs genannten Antworten auf meine Fragen:
Weil es eine bestimmte Person mit bestimmtem Hintergedanken will – und weil es einfacher ist, als für ein Bismarck-Denkmal zu sein.
Außerdem: Bevor ich Stauffenberg zu Marketingzwecke nutze und / oder über ein Denkmal für ihn nachdenke (der Bismarckplatz kann bspw. auch ohne Denkmal schön werden), wäre es fairer, sich dem ehemaligen KZ-Außenlager „Alter Banter Weg“ zu widmen und ihm mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Das wäre ehrliches Interesse an der Geschichte ohne kommerziellen Beigeschmack. Dann könnte ich auch eine Stimmabgabe „aus dem Bauch, Verstand und Herzen“ heraus akzeptieren und noch viel besser: Ich würde sogar aktiv mithelfen.

Volker Hasenmüller, Wangeroogestraße 59, 26384 Wilhelmshaven


Meine Lieben,
nun befinde ich mich in Wilhelmshaven, wie sonst auch, in Verschiss, aber trotzdem möchte ich meine Meinung sagen – einfach so, weil ich Rentner bin und anderes nicht zu tun habe. Es geht mir um das Bismarck-Denkmal.
Bitte: Lasst den Quatsch.
Bismarck ist sicherlich nach wie vor ein Objekt historischer Forschung, aber eignet sich gewiss nicht als Gegenstand irgendeiner Verehrung. Insofern stimme ich dem Artikel „Bismarck“ zu.
Bei der Begründung der Ablehnung solltet ihr aber mehr Sachkunde zeigen. Wenn man sich mit dem Thema befasst, muss man drei Aspekte unterscheiden:

  • Bismarck als Person,
  • Bismarck als Politiker, und
  • die Konsequenzen der bismarckschen Politik.

Zur Person:
Der erste Reichskanzler war sicher ein brillanter Causer – und sonst? Er soff und fraß (man kann es nicht anders sagen), war seinen Feinden gegenüber nachtragend und tückisch und log, wenn es ihm in den Kram passte, dass sich die Balken bogen, darüber hinaus war er nach heutigen Maßstäben korrupt, überdies bigott, kurzum: Bismarck war, wie fast alle brillanten Politiker, menschlich ein egoistisches Ekel und eignet sich deshalb nicht dazu, als National-Heiliger verehrt zu werden.

Bismarck hatte weder eine nationalistische noch eine zutiefst konservative Gesinnung, sondern überhaupt keine. Wenn man mal davon absieht, dass er stets seinen persönlichen Vorteil verfolgte, war er ein Interessenpolitiker, der das Ziel hatte, Preußen aus der Abhängigkeit von Russland zu lösen und damit zu einer echten Großmacht zu machen. Das ist alles.
Um dieses Ziel zu erreichen, war ihm jedes Mittel recht, Lüge und Krieg eingeschlossen. Er scheute dann auch vor keinem Rechtsbruch zurück. lndes: als es 1870 erreicht war, bemühte sich Bismarck, das nunmehrige Deutsche Reich zu konsolidieren. Das geschah unter anderem durch die Sozialgesetzgebung, die er einleitete, dann durch die Bündnispolitik, aber auch durch die Bekämpfung der Sozialdemokratie und der katholischen Kirche.
Der Erste und der Zweite Weltkrieg sind natürlich nicht Folgen der bismarckschen Politik, sondern das Werk Kaiser Wilhelms II., der ja auch in Wilhelmshaven verehrt wird. Bismarck hat als Ruheständler die Katastrophe kommen sehen und vor ihr gewarnt. Die These, dass der Weg Deutschlands von Luther über Bismarck zu Hitler führte, ist falsch. Weder Luther noch Bismarck sind für Auschwitz verantwortlich, wohl aber der in Wilhelmshaven so sehr verehrte Kaiser Wilhelm II.
So viel in diesem Brief. Der Themenkomplex ist im übrigen sehr schwierig, umso mehr sollte man vorsichtig urteilen.
Wenn ich mir einen Rat erlauben darf: Stauffenberg hat leider mit Wilhelmshaven nichts zu tun, wohl aber Reichpietsch und Krökel. Sie haben ihre Denkmäler verdient, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Und mit ihnen bin ich bei meinem Thema: Die Stadt Rüstringen, wie wir eigentlich sagen sollten, sollte stolz darauf sein, dass sie sozusagen die Wiege der deutschen Demokratie ist – aber wen interessiert das dort? Nach meinem Eindruck nicht einmal den Gegenwind, oder irre ich mich da?

Mit freundlichem Gruß

Klaus Dede, Schützenhofstr. 151a, 26133 Oldenburg


Liebe Gegenwind-Redaktion,
den Bürgern von Wilhelmshaven muss es ja gut gehen, diese Sorgen (Denkmal) möchten andere wohl auch haben. Geld für ein Denkmal? Kommunen, Städte usw. sind quasi pleite, jeder Bundesbürger hat ca. 20.500 Euro Schulden, ich auch. Für Bildung, Krankenversorgung, Umwelt usw. ist kaum Geld da. Problem hier – ein Denkmal?
Im Gegenwind Mai 2010 haben Sie nur negativ über Bismarck berichtet, hat er nicht auch Positives für Deutschland geleistet? Aktuell hat Obama den Friedensnobelpreis bekommen, obwohl er Krieg führt und sogar Truppen verstärkt hat. Ist er für Sie auch ein Militarist? Für mich steckt er in Sachzwängen, verabscheut Krieg und Gewalt und ist für mich nach Nixon und George W. das Beste, was der Welt passieren konnte. Leider ziehen ca. 50% der Amis nicht an seinem Strang.
Hat Bismarck die Sozialversicherung eingeführt, war er für die Kolonien, hat er nach den Kriegen seine Gegner fair behandelt usw.? Waren die Deutschen um 1900 bereit für Demokratie und Liberalismus? Die Deutschen waren letztes Jahr nicht fähig, in der großen Koalition ihre Probleme zu lösen, obwohl sie dazu ein paar Jahre Zeit gehabt hätten.
Vom 20. Juli 1944 bis Kriegsende (8.Mai 1945) 30.000.000 Tote??? Wenn das Attentat am 8 11.1939 (Georg Elser) geklappt hätte, wie viele Tote hätte das verhindert? Oder hätten die deutschen Offiziere (u.a. auch Stauffenberg) den Vernichtungskrieg weiter geführt?
Sie müssen ja nicht alles glauben, was in Wikipedia steht. Sie können die Einträge ja berichtigen. Vielleicht sehen Sie ja trotzdem mal bei „Stauffenberg“ und „Georg Elser“ nach.
Für wie viele Tote ist Stauffenberg verantwortlich (1939-44)? Für wie viele Tote Georg Elser? Er wollte den Krieg verhindern.
War Stauffenberg Antisemit, Rassist, war er ein Herrenmensch, fühlte er sich arisch? Ich bin da nicht so sicher, einige Historiker wohl auch nicht.
Hoffentlich tut es Ihnen nicht irgendwann leid, für „Ihr“ Denkmal gespendet zu haben. Kann ja sein, dass die Historiker noch was ganz anderes ausgraben.
Ansonsten finde ich es gut, dass es den Gegenwind gibt. Machen Sie weiter so.

Mit freundlichen Grüßen

Name der Redaktion bekannt

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top