Leserbriefe
Okt 012001
 

Leserbriefe:

Zum Interview mit Vertretern der Wilhelmshavener Alternativen Liste („Kein fertiges Konzept………“ Nr. 172 ) folgende Anmerkungen, mit der Bitte, diese als Leserbrief abzudrucken.
 Lieber Gegenwind,
Die Leute von der „Walli“ werfen den Gewerkschaften in Wilhelmshaven vor, dass sie auch auf die 12.000-Arbeitsplätze-Leimrute gekrochen wären, wie so viele in Wilhelmshaven im Zusammenhang mit dem Jade-Weser-Port. Ein paar Sätze vorher sagt Herr Tjaden, dass es ein „Gerücht“ in Wilhelmshaven gäbe, das von 12.000 Arbeitsplätzen für den Jade-Weser-Port ausgehe. Es gäbe ja keine Informationen, sondern nur Gerüchte, auf die dann so viele in der Bevölkerung, einschließlich der Gewerkschaften, hereingefallen seien. Ein paar Sätze weiter schließlich sagt Herr Janssen, „viele Leute wollen gar keine Informationen, sondern sie wollen an der Hoffnung, am Glauben an Arbeitsplätzen festhalten“. Herr Tjaden wiederum weist darauf hin, dass die „informierten“ Leute natürlich mehrheitlich gegen den Hafen seien, aber viele einfach nicht informiert seien. Das führt mich zu dem Schluss, dass die einzigen Leute, die über die “richtigen“ Informationen über den Hafen und seine Bedeutung für Arbeitsplätze und die Wirtschaftsstruktur in der Region Wilhelmshaven verfügen, die Leute von der Walli sein müssen.
Nun sagt man der Bevölkerung in unzähligen Veranstaltungen doch dauernd, dass das mit den Arbeitsplatzzahlen einfach nicht stimmen kann, und diese dumme Bevölkerung glaubt das einfach nicht. Die Walli sollte sich einmal überlegen, ob diese Bevölkerung es eigentlich wert ist, dass man ihre Interessen auch noch im Stadtrat vertritt. Was macht ihr eigentlich, wenn ihr im Rat vertreten seid, und das mit diesem „Glauben“ der Bevölkerung bleibt so? Wählt ihr euch dann (im Sinne Bert Brechts) ein neues Volk, oder müsstet ihr euch dann Gedanken darüber machen, wie man dieses verdummte Volk wieder auf den „richtigen“ Weg bekehren kann? Soweit einige – zugegeben polemische – Bemerkungen.
Nun zur eigentlichen Sache. Insbesondere Herr Tjaden weiß ganz genau, dass die Gewerkschaften in Wilhelmshaven sich bezogen auf den Hafen für dessen Realisierung wegen seiner infrastrukturellen Bedeutung für die Region eingesetzt haben und weiter einsetzen, und nicht nur wegen seiner direkten Arbeitsplatzeffekte. Das haben wir der Bürgerinitiative gegen den Jade-Weser-Port auch schriftlich mitgeteilt im Februar 2001. Bereits da haben wir gesagt: „Sie werden verfolgt haben, dass die Gewerkschaften sich in der Frage der möglichen Arbeitsplatzwirkungen nicht in die arithmetische Diskussion der selbsternannten Experten (leider auch von der Bürgerinitiative) eingemischt haben. Wir haben es von Anfang an für zynisch gehalten, hier von eventuellen 4.000 oder doch nur 1.000 oder doch eher nur von 200 Arbeitsplätzen zu sprechen. Natürlich wissen wir, dass der direkte Arbeitsplatzeffekt eines Containerhafens eher gering ist, ob nun 200 oder doch eher 280. Für uns entscheidend ist der gemeinsame direkte und indirekte Arbeitsplatzeffekt dieses Vorhabens, und dazu gehören bei seriöser Betrachtung natürlich auch die Vorlauf- und Bauphase sowie die Auswirkungen in all den regionalen Bereichen, die mit dem eigentlichen Betrieb des Hafens relativ wenig zu tun haben. Unsere Betriebs- und Personalräte haben uns versichert, dass dieser vor- und nachgelagerte Effekt um ein Vielfaches höher liegt als der eigentliche Hafenbetrieb.
Selbst Herr Janssen sagt in dem Interview des Gegenwinds, dass hier durchaus 4.000, 8.000 oder 12.000 weitere Arbeitsplätze entstehen können, aber weil das woanders nicht der Fall war, wird das hier auch nicht der Fall sein. Punktum und aus. So einfach ist das. Wie bei der Bevölkerung: Was ich nicht glauben will, tritt auch nicht ein.
Die Gewerkschaften sind durchaus immer noch der Meinung, dass es sich lohnt, für diesen Hafen und seine möglichen Chancen einzutreten. Wenn es diese Chancen gibt, ist es unsere Aufgabe, dafür zu arbeiten, dass sie auch realisiert werden können. Das wird noch schwierig genug werden. Aber wir arbeiten lieber daran als an den „Alternativen“, die die Walli in dem Interview ja auch angedeutet hat: Da gibt es ja den „Gesundbrunnen“ – der boomt! Ärzte aus Sachsen raten ihren Patienten zu einem Urlaub an der Nordseeküste, und die Leute kommen hierher und besuchen auch den Gesundbrunnen. Und das Interieur stammt aus den 50er Jahren und müsste dringend erneuert werden. Da ist eine Finanzspritze notwendig und würde sich auch auszahlen! Ja toll, und unsere ca. 9.000 Arbeitslosen sind dann für die Betreuung der Patienten aus Sachsen und anderswo im Gesundbrunnen zuständig. So was nennen wir auch Zynismus.
Möglicherweise sind diese Positionen von Walli und der Bürgerinitiative aber auch eher der Grund dafür, warum die Bevölkerung doch lieber an dem anderen „Glauben“ hängt: Es fällt so verdammt schwer, jemandem zu folgen, der auf die Frage: Wo gehen wir morgen hin? antwortet: Heute ist heute, und morgen ist morgen.

Mit freundlichen Grüßen

Hartmut Tammen-Henke

 

Ach, du heiliger Menzel …
 Lasst uns singen, lachen, tänzeln,
wir lassen uns nicht mehr vermenzeln.
Noch zehn Jahre? Welche Qual,
Menzel lässt uns keine Wahl.
Von den heil`gen Rathausstufen
woll`n wir „Nie mehr Menzel“ rufen.
Brüder, Sonne, Freiheit, Licht,
nur den Menzel woll`n wir nicht –
doch der allergrößte Fehler,
war`n mal wieder seine Wähler.
Ob Bildungsbürger, Altersheim,
alle geh`n ihm auf den Leim …
Keiner kriegt von ihm genug
bis zum letzten Atemzug …

H.G. Osterkamp

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