Leserbrief
Okt 081990
 

Leserbriefe:

Verbrannte Zahlen
Trotz eindeutiger Aussagen vor der Landtagswahl und trotz bereits getroffener Koalitionsvereinbarungen gegen die Errichtung von Müllverbrennungsanlagen sind die „politischen Pyromanen“, wie Rüdiger Wohlers vom BUND einschlägige Politiker auf der Demonstration der AGM gegen Müllverbrennung im April nannte, noch immer aktiv.So konnte man z.B. am 8.10. aus der Presse die Meinung des Referenten für Umwelthygiene im niedersächsischen Sozialministerium, Dr. Michael Csicsaky, erfahren. Csicsaky vertrat in einem Vortrag auf einer gemeinsamen Veranstaltung der Ärztekammer Niedersachsen und der Nordwestdeutschen Universitätsgesellschaft die Ansicht, daß „Müllverbrennungsanlagen verantwortbar seien“.
Über ein Hintertürchen wollen auch verschiedene Interessenverbände die Müllverbrennung erreichen. Die gigantische zentrale Anlage ist erst einmal vom Tisch (wie lange noch?), also versucht man es über kleinere, dezentrale Anlagen. So bemüht sich zur Zeit der Dachverband der Papierindustrie, genehmigungsfähige „Reststoff-Verbrennungsanlagen“ zu konzipieren.
Ende September ließ sich der CDU-Kreisverband Friesland vom Geschäftsführer der Vareler Kartonfabrik, Jürgen Evers, anläßlich einer Betriebsbesichtigung davon überzeugen, daß eine solche Reststoff-Verbrennungsanlage erforderlich ist – mit falschen Zahlen.
Das Vareler Werk recycelt jährlich 250.000 t Altpapier. Dabei fallen, laut Evers , 20.000 t Plastik, Gummi und Styropor an, die dann Deponiegebühren in Höhe von ca. 4 Millionen DM verursachen sollen.
Laut Gebührenverordnung für die Abfalldeponie im Landkreis Friesland betragen die Gebühren für die Tonne Kunststoff 30.-DM, für Gummiabfälle 20.-DM/t. Die 20.000 t Jahresabfälle können also lediglich Deponiegebühren in Höhe von 400.000 bis 600.000 DM verursachen. Aber man kann’s ja mal so versuchen, und CDU-Politiker brauchte man sowieso noch nie von der Notwendigkeit einer oder sogar mehrerer MVAs zu überzeugen. Dass aber mit so einem plumpen Zahlentrick gearbeitet werden kann, diese Zahlen sogar noch Eingang in die örtliche Presse finden, zeigt immerhin, daß die „Herren Pyromanen“ sich weiterhin stark fühlen und offenbar alles zu tun bereit sind, um auch kleinere MVAs durchzusetzen.

Udo Borkenstein

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