Leserbrief
Jan 271992
 

Die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz von Theater.
Gedanken zu der Kritik im Gegenwind Nr. 104 (Die Hochzeit des Papstes. Wilhelmshavener Theaterpublikum flüchtet vor der Realität)

Hier lasen wir: „… weiter so im Programm – aber auf anderen Bühnen, in der Rheinstraße, im Wasserturm, in der Perspektive oder im Pumpwerk. Ein gezieltes Angebot an ein kleines aber aktives Publikum, das sich mit der Realität auseinandersetzt. (…) Die selbsternannten Ästheten können sich derweil im Stadttheater den Macbeth reinziehen…“Dazu folgende Anmerkung:
Mutiges und unkonventionelles Theater nur noch im kleinen Rahmen, in einer Nische, die vom Gros des Theaterpublikums nicht mehr beachtet wird, kann kein mutiges Theater sein.
Theater ist eine gesellschaftliche Einrichtung mit einer gesellschaftlichen Funktion. Theater ist ein Forum der Auseinandersetzung, ein gemeinsamer Ort für Widerspruch und Zustimmung. Man macht es sich deshalb zu leicht, wenn man fordert: „…weiter so im Programm – aber auf anderen Bühnen, … “
Dies würde heißen: Kritisches und modernes Theater als Alibifunktion am Rande der Gesellschaft, dort wo es mich nichts angeht, dort wo es mich nicht stört.
Künstlerische Auseinandersetzung im kleinen, erlesenen Kreis? – Im Club der Aufgeklärten und Wissenden? – Kunst im Ghetto? Die Antwort ist eindeutig: Nein!
Theater soll Konventionen brechen, muß Grenzen überspringen, Mauem einreißen und nicht neue aufbauen. Nicht in der Isolation, sondern im gemeinschaftlichen Erleben, Sehen und Nachdenklichwerden beweist ein Theater Stärke. Hier geht es nicht um eine Einheitlichkeit und eine falsch verstandene Gemeinsamkeit, sondern um ein öffentliches Forum der Auseinandersetzung. Theater hat eine öffentliche Funktion!
Halten wir uns also offen für das Theater und das Theater offen für Widerspruch.

Horst Busch, Dramaturg/ Dietlind Zimmermann, Dramaturgin und Regisseurin/ Andreas Koût, Vorsitzender des Kulturausschusses des Rates der Stadt Wilhelmshaven

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