Leserbrief
Sep 131993
 

Wilhelm I.: Pazifist und Demokrat

Leserbriefe:

Zum Wilhelmshavener Denkmalsstreit
Wer an der Wiedererrichtung des Denkmals von Wilhelm I. herumnörgelt, kennt unser großes deutsches Erbe nicht und erzeugt die Gefahr, gewisse Auswüchse der Vergangenheit zu wiederholen.
Dieser Kaiser war der größte Friedensstifter und Förderer der Demokratie, den ich in meinem Geschichtsbuch finden konnte. Jeder seiner erfolgreichen Verteidigungsfeldzüge ins Ausland zog wie von selbst einen Friedensvertrag nach sich, welcher seine erzieherische Wirkung auf den Nachbarn nicht verfehlte. Und die ritterliche Abwehr staatsfeindlicher Umtriebe im Inlande ließ erst jene Ruhe gedeihen, welche die wahre Demokratie sicherstellt. So befriedete Wilhelm nacheinander die Deutschen, Dänen, Osterreicher und Franzosen, las ich.Natürlich war dieser umsichtige Pazifist und Demokrat dann im Weltkriege den maßlosen Nazis ein Dorn im Auge. Deshalb zerstörten sie sein Standbild, schmolzen gar, gemein wie sie waren, Kriegsgerät daraus! Wer behauptet, die Kanone sei Wilhelms wahres Sein und deshalb solle man die irdische Gestalt nicht erneuern, weil sich ihre geistige Bestimmung in der Umschmelze erfüllt hätte, tut bitteres Unrecht. Wie weit solche geschichtsfälschende Verblendung gegenwärtig reicht, zeigt das aus nichtigem Anlaß ausgesprochene Verbot der Reichsverteidigungsflagge. Wilhelm nun als Widerstandskämpfer gegen die braunen Horden zu bezeichnen, ginge mir jedoch auch zu weit.
Ich meine: Es ehrt uns Wilhelmshavener daß wir diese Leitfigur des grenzüberschreitenden Europas und der gesicherten Demokratie – spät, aber immerhin – wieder in unserer Mitte aufnehmen. Gerade jetzt braucht die Jugend Vorbilder, um nicht vor Staatsverdruß, Europamüdigkeit und Multikultur die gemeinsame Aufgabe zu vergessen. Es spricht ganz besonders für die Wilhelmshavener SPD, daß sie ihrem frühen Förderer die Denkmalssteigbügel hält. Die Sozialdemokraten vermögen hiermit endlich an ihre Kaisertreue anzuknüpfen, die ja bekanntlich die Friedenspläne Wilhelms II. (fälschlich „Erster Weltkrieg“ genannt) finanzierte. Ein Heil aber vor allem dem Spender der Statue, welcher eben nicht seine Mittel dem Sozialstaat zum Fraße andient! Gegen die Gier der Masse setzt dieser Edle ein Licht, welches die Fluten der EXPO sicher vom Meer zur Marktstraße geleitet.
Meiner Meinung nach sollten wir den Weg, welchen unsere Stadtväter mit ihrer weisen Entscheidung, eingeschlagen haben, unbeirrt weiter beschreiten: große deutsche Geschichte als Wilhelmshavener Eigentum sinnlich zu vergegenwärtigen! Ich schlage deshalb für die Enthüllung des Denkmals den 18. Januar vor. An diesem Datum nämlich, lehrt mein Buch, krönten wir Deutschen unseren Wilhelmshavener Wilhelm zum Kaiser. Die Franzosen danken es uns noch heute, da wir die Zeremonie bei ihnen in Versailles durchführten und sie als Gastgeschenk, wie schon angedeutet, einen schönen Frieden ergatterten. Dieser Erinnerungsgruß an ein gemeinsames und schönes Erlebnis würde sicher die Freundschaft zu Frankreich in einem neuen Glanz erstrahlen lassen.
Ich möchte jedoch auch den Wermutstropfen in meinem Freudenbecher nicht verhehlen. Dem letzten Wunsch des großen Friedenskaisers muß leider auf absehbare Zeit seine Erfüllung versagt bleiben. Wenn es allein nach Wilhelms Vermächtnis ginge, hieße unsere Stadt nämlich schon lange „Abrüstringen“. Die Stadtväter zeigen Realitätssinn, wenn sie die Umbenennung zumindest für das Jubiläumsjahr noch nicht vorgesehen haben. Abrüstringen förderte nämlich nicht in ausreichendem Maße das so notwendige Wilhelmshaven-Bewußtsein“ (Stadtdirektor Schreiber), brüskierte geradezu unsere Marine und gefährdete unverantwortlich Arbeitsplätze.
Umso mehr erwarte ich freudig den 18. Januar, die große Holzkiste mit dem Denkmal und der Aufschrift „Inhalt: 1 Kaiser. Bitte nicht stürzen.“ Ich bin stolz, ein Wilhelmshavener zu sein.

Hartmut Peters
Roonstraße 113
26382 Wilhelmshaven

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