Lesen ist besser als Fernsehen
Jul 011997
 

Kommunikationsprojekt nimmt konkrete Formen an

(iz) Unsere Stadt hat viele Probleme – aber, wie ein Blick in die „Ständigen Termine“ des GEGENWIND zeigt, auch viele Menschen, die sich in Gruppen organisiert dieser Probleme annehmen. Und sicher gibt es noch mehr Menschen hier, die sich nicht stumpf der Glotze und dem Konsumrausch hingeben, sondern sich aktiv dem Zeitgeschehen widmen wollen. Was fehlt, ist ein Kristallisationspunkt, ein Ort, an dem sich Aktive und Aktivitäten zusammenfinden können. Dem soll jetzt abgeholfen werden.

Die Idee für eine „Lesestube“ (als Synonym für ein unabhängiges Informations- und Diskussionsforum) stammt nicht von „alten“ Aktivisten, sondern von zwei jungen Männern. Das spricht dafür, daß diese Generation, die gern pauschal in die Schublade „abgestumpft“ gestopft wird, durchaus gesellschaftspolitisches Interesse in sich trägt.

Binnen kürzester Zeit fanden sich fast 50 Leute, die sich inhaltlich und finanziell daran beteiligen wollen. Überweisungen von fast 700 Mark monatlich zeigen, daß das Interesse bereits über das Stadium der Willensbekundung hinausgeht.

Erste Treffen haben seit Mai stattgefunden, um räumliche und strukturelle Rahmenbedingungen zu besprechen. Die Gründung eines gemeinnützigen Vereins wurde erst einmal zurückgestellt, um die Energie für die Suche von Räumlichkeiten und inhaltliche Arbeit zu nutzen.

Vor einigen Jahren gab es den „Infoladen“ in der Rheinstraße, der gleichfalls Treffpunkt, Diskussionsforum und Veranstaltungsort war. Die „Lesestube“ soll keine Wiederauferstehung des Infoladens sein, wenngleich die – positiven wie negativen – Erfahrungen aus dem gestorbenen in das neue Projekt einfließen sollen.

Geplant sind, neben dem täglich geöffneten Treffpunkt für alle Diskussionsbe- dürftigen und feste Gruppentermine, Lesekreise (die schon seit längerem aktiv sind), kleinere Veranstaltungen und Exkursionen (s. Kasten unten rechts). Und selbstverständlich – es heißt ja Lesestube – ein ansprechendes Angebot an Literatur zu sozialen, kulturellen und ökologischen Themen einschließlich Zeitungen und Zeitschriften, die u. a. von Mitgliedern und Unterstützern gestellt, also mit anderen geteilt werden können (das heißt aber nicht „praktische, sozial verbrämte Altpapierentsorgung“ – die Informationen sollen zeitnah sein!)

Information und Bildung: ein Grundrecht

Dahinter steckt die Idee, interessierten Menschen unabhängig vom Einkommen Informationen verfügbar zu machen. Der Vorteil bzw. die Ergänzung zu öffentlichen Bibliotheken liegt darin, daß die Informationen spezieller sind und in gemütlicher Atmosphäre nicht nur gelesen, sondern die dabei entstehenden Gedanken sofort ausgetauscht werden können.

Die Lesestube kann auch eine Schreibstube werden, um Gedanken spontan zu Papier zu bringen, zu ordnen und anderen zugänglich zu machen. Das geht auch mit Kuli und Schreibblock, ganz besinnlich. Die Anschaffung technischer Kommunikationsmittel wie Fax oder Computer ist nicht vorrangig (und zudem von Sonderspenden abhängig), und vom Internet-Anschluß hat noch keiner geredet.

Insgesamt wirkt die bisherige Planung sehr solide, ohne daß jemand gleich übers Ziel hinausschießen will – und das Ziel heißt nicht „schnellerhöherweiter“, sondern Rückbesinnung auf die Grundlagen menschlicher Kommunikation.

Wer auch dieses Bedürfnis verspürt und dem mit anderen Menschen nachkommen will, ist herzlich eingeladen, bei der Lesestube mitzumachen. Konkrete Räumlichkeiten sind in Sicht und wurden nach Verhandlungsabschluß vorgestellt. Die Miete ist mit den derzeitigen Beiträgen gesichert, weitere Spenden und Beiträge sind jedoch willkommen, um ein ansprechendes Angebot an Literatur und Material beschaffen zu können.

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