Langzeitarbeitslose
Sep 272006
 

Straßenräuberei

Wieder einmal wurde den Langzeitarbeitslosen Geld aus der Tasche gezogen

(noa) Thema der ALI-Monatsversammlung am 12. September war wie so oft Hartz IV. Diesmal gab es keinen externen Referenten, sondern Werner Ahrens blickte zurück: Noch nicht einmal zwei Jahre gibt es das Gesetz, doch es wurde schon mehrere Male geändert.

Die jüngste Änderung betrifft die Freibeträge. Bekanntlich dürfen Arbeitslose eine gewisse Summe Geldes besitzen, die sie nicht für den Lebensunterhalt antasten müssen, sondern – wie andere Leute auch – für Anschaffungen oder andere Wechselfälle des Lebens „auf der hohen Kante“ haben dürfen. Diese Summe richtet sich nach dem Lebensalter. In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes handelte es sich um 200 € pro Lebensjahr. Eine 40-jährige erwerbslose Person durfte bis neulich also 8000 € z.B. auf einem Sparbuch haben. Diese Summe wurde nun auf 150 € pro Lebensjahr gesenkt. Gleichzeitig wurde der Freibetrag für die Altersvorsorge von 200 auf 250 € erhöht.
Das klingt zunächst mal so, als gäbe es eigentlich gar kein Problem, als müsste man nur die 50 € pro Lebensjahr vom Sparbuch holen und auf die Altersvorsorge draufpacken.
Aber Pustekuchen! Dafür hätte gleichzeitig das Versicherungsvertragsgesetz geändert werden müssen. Und das ist unterblieben. Keine Bank oder Versicherungsgesellschaft darf von einem Arbeitslosen die bewussten 50 € mal Lebensjahre annehmen und für ihn festlegen.
Nehmen wir das Beispiel eines 55-Jährigen. Er durfte bis Ende Juli 11.000 € Erspartes haben. Seit dem 1. August darf er nur noch 8250 € horten. Hat er die 11.000 € tatsächlich besessen, dann hat er nun auf einmal 2750 € „zuviel“ Diese Summe muss er nun erst einmal in den Lebensunterhalt fließen lassen, bis sie aufgebraucht ist. Inzwischen bekommt er kein Alg II. Stattdessen bekommt er einen Einstellungsbescheid. Und falls er seinen letzten Antrag z.B. im Mai oder Juni abgegeben hat und im August noch Geld bekommen hat, kann ihm sogar eine Rückzahlungsforderung blühen.
Haben „die da oben“ geschlafen, als sie „vergessen“ haben, das Versicherungsvertragsgesetz gleichzeitig zu ändern? Oder war es Absicht? Nun, das Freibetragsneuregelungsgesetz hatte den Zweck, an den Langzeitarbeitslosen zu sparen. Und dieser Effekt wäre ja gar nicht erzielt worden, wenn die Betroffenen ihr „Zuviel“ an Erspartem behalten könnten.
Ganz schlaue Arbeitslosengeld II-Empfänger hätten aber ihr Geld vor dem Zugriff des Staates retten können. Man kann ja z.B. Geld auch unter der Matratze aufbewahren oder seinem eigentlichen Zweck zuführen. So hätte der o.a. 55-jährige Arbeitslose ja für 2750 € einige Anschaffungen schon jetzt statt irgendwann später tätigen können.
Aber dafür, dass dergleichen nicht passierte, haben „die da oben“ mit ihrem Timing gesorgt: Das Freibetragsneuregelungsgesetz wurde am 28. Juli (einem Freitag) verabschiedet und trat am 1. August (einem Dienstag) in Kraft.

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