Lang lebe die Landesbühne!
Wie man der Finanzschraube mit Trotz und Qualität begegnet
(iz) 2007 hat die Landesregierung die Zuschüsse für die Landesbühne Niedersachsen Nord vertraglich für 5 Jahre gedeckelt. Inzwischen bringen Tariferhöhungen und Sachkostensteigerungen die Bühne trotz effizienter Arbeitsweise an den Rand des Ruins. Unterstützt durch die gesamte Region kämpft das Theater für realistische Zuschüsse.
Klare Worte adressierte Intendant Gerhard Hess bei einer Krisen-Pressekonferenz Anfang Januar nach Hannover: „Wenn sich die Landesregierung kulturpolitisch aus der Fläche verabschieden will, muss sie dies den Menschen auch sagen.“ Die 16 Kommunen des Zweckverbandes steuern jährlich 1 Mio Euro zum Haushalt der Landesbühne bei, 3 Mio Euro kommen vom Land, 1,5 Mio muss das Theater selbst an Einnahmen erzielen. Zusätzliche Landesmittel gibt es nur, wenn sie durch Spendengelder gegenfinanziert werden. Für die aktuelle Spielzeit konnten aber nur 80 000 Euro statt der erforderlichen 150.000 Euro eingeworben werden. Weil gleichzeitig die Kosten (darunter 80% tarifvertraglich geregelte Personalkosten) für das Theater gestiegen sind, wird bis 2011 mit einem Defizit von 900.000 Euro gerechnet. Die Landesbühne ist fest in der Soziokultur der Region verwurzelt. Sie bewegt sich nicht im künstlerischen Elfenbeinturm, sondern arbeitet mit vielen Institutionen zusammen, nimmt ihren Bildungsauftrag ernst, ermöglicht allen sozialen und Altersgruppen eine Teilhabe. 110 Mitarbeiter sind für rund 500 Vorstellungen pro Jahr und darüber hinausgehende Aktivitäten erforderlich. „Ein junger Schauspieler verdient zu Anfang gerade 1600 Euro brutto im Monat“, sagt Hess, der nicht mehr weiß, wo er noch sparen soll und sich „im Würgegriff der Landesregierung“ fühlt. „Wir waren bis 2007 ein extrem effizientes Theater. Das Land hat uns ins Trudeln gebracht.“ Die Landesbühne spielt 30% ihrer Kosten selbst ein und liegt damit in der Spitzengruppe der deutschen Theater. Zweckverbandsvorsitzender Walter Theuerkauf fordert, das Land solle den Eigenbetrag nicht mehr deckeln sowie für 2011 nicht mehr auf eine Gegenfinanzierung durch Spenden bestehen. Auch andere niedersächsische Bühnen, wie die Stadttheater in Lüneburg, Celle, Göttingen und Osnabrück, sind von der Entwicklung betroffen. „Kommunale Theater und Landesbühnen … erhalten Landesförderungen auf der Grundlage von Zielvereinbarungen, die den Einrichtungen Planungssicherheit bis einschließlich 2011 gewährleisten“, so die Darstellung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst. Im Mittelpunkt der „Zielvereinbarungen“ steht offensichtlich „Sparen“, und bei festgeklopften Zuschüssen ohne dynamische Anpassung an extern verursachte Kostensteigerungen kann man sich die „Planungssicherheit“ an die Backe schmieren.
Existenzfrage
„Zusätzlich hat das Land Niedersachsen ein Programm zur Aktivierung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten der Theater … aufgelegt“, tönt es weiter aus dem Ministerium. „Für jeden Euro, den die Einrichtungen von Bürgerinnen und Bürgern zugunsten der Angebote für Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt bekommen, gibt das Land einen Euro dazu.“ „Bürgerschaftliches Engagement“ bedeutet also nicht private Spenden selbstgehäkelter Klorollenhüte für die zeitgenössische Ausstattung der „Meta“-Party, sondern Bares. Theuerkauf findet es „kulturpolitisch höchst bedenklich, die Existenz einer solchen Einrichtung von einem privaten Spendenaufkommen abhängig zu machen“. Erst recht in einer sozial und wirtschaftlich schwachen Region wie Ostfriesland. Die institutionelle Förderung müsse in Deutschland weiterhin von der öffentlichen Hand kommen. Die Trägerkommunen wollen ihren Beitrag bis 2011 um insgesamt 450.000 Euro erhöhen. Das Land solle nun diese kommunalen Gelder bürgerschaftlichem Element gleichsetzen und in gleicher Höhe aufstocken, womit das erwartete Defizit von 900.000 Euro abzudecken wäre. „Ohne einen neuen Vertrag über Landeszuschüsse stellt sich die Existenzfrage des Theaters.“
Kreativer Protest
720.000 Menschen leben im Spielgebiet der Landesbühne, die jährlich etwa 100.000 Besucher zählt. Der Zuschuss liegt bei 4 Euro pro Einwohner, in der Region Hannover um ein Vielfaches höher. Kultur ist ein Teil der Lebensqualität, ihr Fehlen beschleunigt die Abwanderung in besser ausgestattete und bezuschusste Regionen. „Niedersachsen ist geprägt von einer bunten und qualitativ hochwertigen Theaterlandschaft. In der Erkenntnis des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Förderung einer vitalen Theater- und Musikszene und der Schaffung eines kreativen Innovationsklimas in Niedersachsen fördert das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur Theatereinrichtungen und Projekte“, so verquast steht es auf der Seite des Ministeriums zu lesen. Der mörderische Sparkurs fördert in der Tat ein „Kreatives Innovationsklima“: Die Landesbühne begnügt sich nicht damit, über Eingaben des Trägerverbandes um eine realistische Finanzierung zu kämpfen. Bei den Aufführungen liegen Unterschriftenlisten für eine Petition an die Landesregierung aus, die hoffentlich möglichst viele Zuschauer/innen unterschreiben. Und am Ende jeder Aufführung von „Meta“ skandiert das Publikum „Lang lebe die Landesbühne“ (schon bei der Premiere sehr überzeugend!) und der Mitschnitt wird dann jedes Mal elektronisch nach Hannover übermittelt. Zudem kann natürlich jede/r per Post oder Email die Politik zum Umsteuern auffordern. Wir wünschen viel Erfolg!
Über die Post empörter Theaterfreunde freut sich ganz sicher nicht: Lutz Stratmann, Nds. Minister für Wissenschaft und Kultur, Leibnizufer 9, 30169 Hannover, Tel.: 0511 / 120-2402, Fax: 0511 / 120-2622, E-Mail: Lutz.Stratmann@mwk.niedersachsen.de
Hier geht’s zur Petition:
http://www.landesbuehne-nord.de/content.php?page=publikumsappelle
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