Landesbühne
Aug 012001
 

Akrobat schööön!

Landesbühne überzeugt mit „Feuerwerk“ am Rosenhügel

(iz) Das Sommertheater am Rosenhügel ist mittlerweile zu einer festen Institution geworden. Der 1996 zum Auftakt modern und peppig inszenierte Urfaust („Mephisto“) blieb bislang unerreicht. Das „Weiße Rössl“ (1999) sprach allenfalls noch Zuschauer an, die inhaltlich anspruchslose Unterhaltung lieben. Mit gemischten Gefühlen ließen wir uns deshalb auf die diesjährige Singspiel-Komödie „Feuerwerk“ ein – und erlebten eine positive Überraschung.

Die Urvorlage zu der augenzwinkernden „Familienanalyse“ von Emil Sautter stammt aus den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Doch die Bredouille, in dieser biologisch bedingten Zwangsgemeinschaft einerseits begluckt, andererseits von ihr erdrückt zu werden, hat bis heute nicht an Aktualität verloren (auch wenn die Gesellschaft, vielleicht gerade deshalb, zunehmend in „Singles“ zerfällt). Diesen Stoff auf der musikalischen und textlichen Basis von Paul Burkhard, der Sautters Stück in den 30ern zu einem Lustspiel verarbeitete, zeitgemäß rüberzubringen, ist Regisseur Neidhardt Nordmann, dem musikalischen Leiter Udo Becker und den SchauspielerInnen gelungen. Wer anfangs, in Erwartung einer kitschigen Operette, noch unglücklich auf den authentisch unbequemen Sitzbänken im Zirkuszelt rumrutschte, konnte sich zunehmend den witzigen Anspielungen und den peppigen Gesangseinlagen nicht entziehen.
Die Familie (familia domestica communis, die gemeine Hausfamilie) kommt in Mitteleuropa wild vor und verharrt gewöhnlich in diesem Zustande. Sie besteht aus einer Ansammlung vieler Menschen verschiedenen Geschlechts, die ihre Hauptaufgabe darin erblicken, ihre Nasen in deine Angelegenheiten zu stecken. … Die Familie erscheint meist zu scheußlichen Klumpen geballt und ist sich in der Regel heftig zum Ekel … alle Mitglieder nehmen dauernd übel. Die Familie weiß voneinander alles, missbilligt es aber grundsätzlich … beschreibt es Kurt Tucholsky (Auszug aus dem Programmheft) zutreffend. In diesem Fall klumpt sie sich anlässlich des 60. Geburtstages des Familienoberhauptes Albert (Oskar Matull), was schon im Vorfeld für die weiblichen Familienangehörigen nur Stress bedeutet. Alles muss äußerlich perfekt sein, um nicht zur Zielscheibe für die nörgelnden Verwandten zu werden. Vergebens: Kaum zehn Minuten, nachdem Papas Brüder mit ihren vorzeitig gealterten Gattinnen angerückt sind, haben sich im Gezänk Jahrzehnte gemeinsamer Geschichte und hierarchische Strukturen offenbart.
Da erscheint unerwartet der vierte Bruder, Alex (Holger Teßmann), der vor 30 Jahren diesem unappetitlichen Klumpen entflohen ist und als Zirkusdirektor Karriere gemacht hat. Mit ihm kommt seine exotische Gattin Iduna (Katrin Rehberg), die allen anwesenden Pantoffelhelden im Nu den Kopf verdreht – zum Leidwesen ihrer verbiesterten Schwägerinnen. Umgekehrt entwickelt sich zwischen Alberts sittsamem Töchterlein Anna und ihrem Künstleronkel eine positive Spannung: Kann er sie aus dem goldenen Käfig befreien und die Freiheit der Zirkusluft atmen lassen?
Wegen des unbeständigen Wetters ist das „Freilichttheater“ am Rosenhügel seit 1999 dauerhaft ins Zelt verlegt worden – grundsätzlich schade, aber in dieser Inszenierung, in einem echten Zirkuszelt, durchaus stimmig: Die Manege als Bühnenbild (Herbert Buckmiller) für die Zirkusszenen – und den Familien“zirkus“ in der Fabrikantenvilla.

Echte Knaller

Die Rollen sind gekonnt besetzt. Isabell Weißkirchen überzeugt sowohl als trampelige Köchin, deren teilweise jazziger Gesang ihr resolutes Auftreten unterstreicht, wie als geschmeidig tänzelndes „Zirkuspony“ (grundsätzliches Lob an Kostümbildnerin Okarina Peter). Teßmanns operettenmäßig gebildete Gesangsstimme hebt sich aus dem ansonsten ansprechend-angemessenen Gesangsniveau hervor, was stellenweise etwas profilierungssüchtig und somit störend wirkt, andererseits aber dem manierierten Charakter seiner Rolle entspricht. Köstlich Erwin Höfler und Johannes Simons als klassischer Clowns-Act, der im richtigen Zirkusleben allenfalls für Kinder ulkig und sonst eher peinlich ist – als perfekt beobachtete Persiflage ist er hier zum Brüllen komisch. Die undankbaren Charaktere der drei fiesen Gattinnen (Vera Ducci, Gabriele Wenig und Sibylle Hellmann), denen im Zirkus zutreffend die Rolle dreier fauchender Raubkatzen zukommt, erhielten unberechtigterweise zurückhaltenderen Applaus als die liebenswert naiv pubertierende Anna und ihre lebenskluge Tante Iduna.
Und Oskar Matull spielt immer noch und immer wieder nur Oskar Matull. Als Schlussconférencier lädt er das Publikum zu einem richtigen Feuerwerk hinterm Zelt ein. Wer hier nur ein paar lustige Knallfrösche erwartet hatte, wurde abermals positiv überrascht: Vor der stillen, dunklen Kulisse des Stadtparks rundete ein ernstzunehmendes, stimmig choreographiertes Feuerwerk die nachdenklich-lächelnde Stimmung ab, mit der das Publikum in den (Familien-)Alltag entlassen wurde. Allenfalls ein paar schlafende Vögel mögen daran etwas auszusetzen haben.

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