Landesbühne
Feb 272002
 

„Kleiner Mann – was nun?“ an der Landesbühne

(iz) Anfang 1932 gab es in Deutschland über 6 Millionen Arbeitslose. Nach Bereinigung der merkwürdigen Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit, vermuten Pessimisten, sind es heute ebenso viele. Damals verarbeitete Hans Fallada die soziale Katastrophe in seinem bittersüßen (teilweise autobiografischen) Roman „Kleiner Mann – was nun“, der ihn weltweit als Autor bekannt machte. Diesen Stoff hat die Landesbühne jetzt zum richtigen Zeitpunkt aufgegriffen.

Die Bühnenvorlage stammt von Tankred Dorst, der mit Peter Zadek eine vierstündige Revue daraus machte (Uraufführung Bochum 1972). Ansatz der Roman-Adaption als Revue ist der zynische Kontrast zwischen den traurigen Episoden aus dem Leben des kleinen Angestellten Hans Pinneberg (treffend besetzt: Markus Seuß) und dem fröhlichen Glamour von Chansons, Varietés und Ufa-Filmen, die damals in Deutschland zur Blüte gelangten und letztlich Durchhalteparolen lieferten. Dorst hat Falladas atmosphärisch dichte Dialoge fast im O-Ton übernommen und dabei die für die Spieldauer erforderlichen Auslassungen so gewählt, dass keine inhaltlichen Verluste zu beklagen sind.
Regisseur Reinhardt Friese musste diesen Kondensationsprozess jetzt für die heute zumutbare Spieldauer von etwa 2 1/2 Stunden fortsetzen. Das Ergebnis brachte nicht den gewollten Kontrast zwischen Realität und Traumwelt. Das mag daran liegen, dass die Anzahl der Chansons nicht im gleichen Maße gekürzt wurde wie die szenischen Folgen. Auch stellte sich bei einigen Schlüsselfiguren nicht die Verhärtung (unter harten Bedingungen) ein, die den Urstoff so bedrückend macht. „Weißt du, Lämmchen, ich hab dich mir ganz anders gedacht. Viel sanfter …“ wundert sich Pinneberg, als seine Frau unterm Damoklesschwert der Armut plötzlich ungeahnte Ellenbogen zeigt. Sibylle Henning gelingt es nicht, aus der Rolle des sanften weinerlichen Lämmchens den Wolf im Schafspelz herauszukehren. Unterm Strich sind die Episoden zu kabarettistisch dargebracht, sind nicht der gewollte schockierende Kontrast zur Traumwelt des Varietés, sondern kommen eher als Rahmenhandlung für die Chansons daher.
Das sei nicht als Verriss der Inszenierung missverstanden; die Bewertung ist eine Frage der subjektiven Erwartungshaltung. Wer einen unterhaltsamen Abend mit guten Show- und Gesangseinlagen wünscht, kommt auf seine Kosten. Herausragend Holger Teßmann als „Marlene Dietrich“ vor allem mit dem Titelsong und, zusammen mit Kollegen als Ableger der „Comedian Harmonists“ mit „Veronika der Lenz ist da“, das man gern als Zugabe nochmals gehört hätte. Beeindruckend auch Tobias Wessler in mehreren Episoden- wie Gesangsrollen sowie Stefan Ostertag als Hitler. Mit dessen Erscheinen wurde es, in der letzten Viertelstunde, wirklich bedrückend, zumal dann das schlichte Bühnenbild (Annette Mahlendorf) sich erstmals veränderte und der Ausweg in die Glamourwelt sich endgültig verschloss.
„Je schlechter es einer Gesellschaft geht, um so stärker ist ihr Wunsch nach Ablenkung“ wird die Kernaussage im Programmheft beschrieben. Dass in der Landesbühnen-Adaption des „Kleinen Mannes“ die harte Realität von der Ablenkung erdrückt wird, kann man als Inszenierungsfehler interpretieren – oder auch so, dass es unserer Gesellschaft unterm Strich noch beschissener geht als vor 70 Jahren und nur noch Platz für Ablenkung bleibt.


Mit Kind und Kegel

Für „Kleiner Mann – was nun?“ hat sich die Landesbühne etwas Nettes ausgedacht: Bei Nachweis der verwandtschaftlichen Beziehungen haben Kinder, die mit ihren Eltern kommen, freien Eintritt. Das Besondere daran: Das Angebot gilt für Kinder bis 40 Jahren! Also auf zum Familienausflug ins Stadttheater!


 

Landesbühne

Spielplan März 2002


Premiere am 9.3.2002
Das Kontingent
20 Uhr, Stadttheater
Von Soeren Voima, Musik von Matteo Fargion

Jung, engagiert und voller Ideale sind die jungen Männer und Frauen, die sich dem Kontingent, einer Eliteeinheit zur Verteidigung der Menschenrechte in Krisengebieten, anschließen. Doch Helfen will gelernt sein, und am Ende ihrer Ausbildung haben die jungen Soldaten weder Namen noch Nationalität noch Identität: Sie sind Beauftragte einer höheren Macht, „Vollstrecker“ eines „humanitären“ Auftrags. Als der junge und idealistische Bill zu der Einheit stößt, gerät er mit dieser abstrakten Menschlichkeit in Konflikt. Seine gut gemeinten und spontanen Hilfsaktionen werden zur Bedrohung für das Kontingent …
Wie weit darf man gehen, um Menschenrechte zu schützen? Was zählt die Not eines Einzelnen, was ein Leben gegen viele? Kann, darf, muss man Menschenleben opfern, um die Menschlichkeit zu erhalten? „Das Kontingent“, uraufgeführt im Februar 2000 und angesichts des derzeitigen Bundeswehreinsatzes in Afghanistan erschreckend aktuell, ist ein Lehrstück ohne Lehre: Helfen kann man auf verschiedene Arten. Die Frage ist nur: Welche ist die richtige?
Mit Kyra Lippler, Monika Rehbein, Nina West, Oliver Schirmer, Matthias O. Schneider, Johannes Simons, Marco Stickel und Jan Beier (Schlagzeug). Regie: Roland Hüve. Musikalische Leitung: Erich A. Radke. Bühne & Kostüme: Timo Dentler
15 Minuten vor der Premiere gibt es im oberen Foyer eine kurze Einführung zum Stück.
Weitere Vorstellungen: Fr. 15.3. + Fr. 22.3., jeweils um 20 Uhr.

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