Kunstmarkt
Jan 271992
 

Lobby fürs Hobby

1. Wilhelmshavener Kunstmarkt: Testlauf zur Fehlersuche

(iz) Während die darstellende Kunst in Wilhelmshaven z. B. in Form der Musikerinitiative eine gut funktionierende Lobby besitzt, sind die ernsthaften bildenden Künstlerinnen noch ziemlich auf sich allein gestellt. So stieß Kunsthallenleiter Dr. Bernd Küster mit seiner Idee, einen Kunstmarkt als feststehende Einrichtung ins Leben zu rufen, zunächst auf allgemeine Zustimmung und Begeisterung.

Als Partner wählte Küster die Freizeit GmbH bzw. deren Markt-Fachmann Jürgen Fromm. So stand schon mal gebündeltes Knowhow in Sachen Kunst und Organisation zur Verfügung.
Spontane Ideen sind oft die besten – doch für eine Veranstaltung dieser Größenordnung war der Zeitansatz wohl etwas kurz, von der ersten Verlautbarung im August bis zur Durchführung am 2. Dezemberwochenende. Als runde Sache kann der erste Wilhelmshavener Kunstmarkt nämlich nicht bezeichnet werden.
Die Veranstalter sind sich dessen jedoch durchaus bewußt, und um die Kanten abzuschleifen, liefen sie nicht nur offenen Ohres durch die Stadthalle, um Anregungen und Kritik einzufangen, sondern gaben den Betroffenen auch die Möglichkeit, diese abschließend schriftlich auf einem Fragebogen festzuhalten.
Da das Ergebnis als Grundlage für gute Vorsätze im nächsten Jahr bislang nur bruchstückhaft in die Öffentlichkeit getragen wurde, soll an dieser Stelle das Wichtigste, was seitens AusstellerInnen und BesucherInnen in die offenen Ohren des GEGENWINDES getragen wurde, aufgeführt werden.
Zum ersten verdient der Markt in dieser Form nicht den Namen „Kunstmarkt“. Inhaltlich war es ein Kunst- und (Kunst)Handwerkermarkt, wobei das qualitative Spektrum – neben wenigen bemerkenswerten Profis – von Hobbyerzeugnissen geprägt war, darunter grauenhaftes Zeugs nach dem Motto „wo bleibe ich jetzt mit den Blättern aus meinem ersten Aquarellkurs?“
Die Stadthalle liegt als Veranstaltungsraum schön zentral und bietet viel Platz – aber der scheußlich bunte Teppichboden, übersät mit Brandflecken von Zigarettenkippen, bietet nicht das nötige Ambiente. Auch war unbegreiflich, weshalb Beschicker anderer Märkte trockenen und warmen Direktzugang vom Parkhaus erhalten, während empfindliche Bilder und Objekte zwei Stockwerke über die Außentreppe und dann noch einen langen Gang entlang geschleppt werden mußten.
Die Werbung vorab war zufriedenstellend, das Plakat des Leeraner Künstlers Ingo Heintzen hervorragend – es wurde wohl nur etwas zu spät ausgehängt. Auch fehlte ein aktuelles Hinweisschild vor der Stadthalle und im Foyer, um weitere Spontanbesucher anzuziehen.
Zu Unrecht kritisiert wurde allerdings die Standgebühr (100 bis 150 DM). Abgesehen davon, daß laut Veranstalter davon gerade die Werbungskosten gedeckt werden konnten, war dies zumindest ein Auslesekriterium. Ernsthafte KünstlerInnen sehen dies als Investition, ggf. absetzbare Werbungskosten, die sich für Durchschnittsamateure nicht rechnen. Gemeckert (und unter diesem Einwand die Teilnahme verweigert) haben überwiegend Leute, darunter auch bekannte und gute KünstlerInnen, die hauptberuflich ein gutes Einkommen haben, aber schon für ihr Erscheinen in der Öffentlichkeit lieber Geld nehmen würden als zu investieren.
Nur so konnte es passieren, daß für die Veranstalter keine Möglichkeit bestand, eine qualitative Auswahl zu treffen (zu diesem Zweck sollten der Anmeldung Arbeitsproben beigefügt werden), denn es wäre wohl nur eine Handvoll Aussteller übrig geblieben …
Das alte Künstlerklischee: lieber alleinsam als gemeinsam? Gemeinsam sind wir stark, aber es könnte ja jemand merken, daß ich handwerklich schwächer bin als Berufskollegen, und mein Stolz verbietet es mir, Erfahrungen auszutauschen, Techniken zu erfragen, Tips anzunehmen?

Fazit für die nächste Planung:
  1. Der Kunstmarkt sollte Profis bzw. ernsthaften und ernstzunehmenden KünstlerInnen vorbehalten bleiben. Getrennt davon kann ein Hobby-Weihnachtsbazar angeboten werden.
  2. Das Räumlichkeiten sollten, wie in einer Galerie, unaufdringlich sein.
  3. Vor der Veranstaltung sollte mindestens ein gemeinsames vorbereitendes Gespräch zwischen Veranstaltern und Teilnehmerinnen stattfinden, bestenfalls auch eine Nachbereitung in dieser Form.
  4. Durch ausreichende Vorlaufzeit und Anmeldefristen muß der Interessentenpool so vergrößert werden, daß eine Fachjury zwischen Kunst, Hobby und Unzumutbarem auswählen bzw. aufteilen kann.
  5. Die Standgebühr sollte beibehalten werden.
  6. Durch Erweiterung des Begleitprogramms – Musik, Theater, Kabarett – sollten Attraktivität und Atmosphäre verbessert und die Gemeinsamkeit aller Kunstschaffenden betont werden.
  7. Eine „Kunstauktion“ in der peinlichen Form wie 1991 sollte man sich in Zukunft schenken oder auf den Hobbymarkt verlegen.

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