Kunsthalle
Okt 081990
 

Bespitzelt und gegängelt

Die neue Leiterin der Kunsthalle wirft das Handtuch

(iz/hk) Für alle überraschend gab die Leiterin der Kunsthalle, Frau Dr. Uta Gnewuch, auf der Vorstandssitzung des Kunstvereins am 2.10.90 ihre Kündigung bekannt. Einige Gründe, die zur Kündigung führten, sind im folgenden Gespräch dargestellt. Darüber hinaus führte sie an, daß sie sich „zu einer Verwaltungsangestellten mit organisatorischem Talent und einer Reiseleiterin für Vereinsfahrten degradiert“ fühle.

Dr. Uta Gnewuch hat 1988 an der FU Berlin über ein Thema aus der Bildhauerei des 19. Jahrhunderts promoviert. Nach anschließendem Praktikum beim „Kölnischen Kunstverein“ kam sie als Leiterin der Kunsthalle nach Wilhelmshaven.

GEGENWIND: Mit welchen Erwartungen sind Sie nach Wilhelmshaven gekommen und an Ihre Tätigkeit herangegangen?
Gnewuch: Ich bin mit der Erwartung hergekommen, daß ich die Vorstellungen, die ich von meinem Beruf habe, in einer relativ selbstständigen Tätigkeit bzw. unabhängigen Position verwirklichen kann. Ich hatte in erster Linie die Vorstellung, daß ich ein selbstständiges Programm erarbeiten kann.

GEGENWIND: Was hat Sie bewogen, den Arbeitsvertrag mit dem Verein aufzukündigen? Waren diese Gründe eher persönlicher oder fachlicher Art?
Gnewuch: Sie waren sowohl persönlicher, als auch fachlicher Art. Die beiden Grundprobleme waren, daß sich der Vorstand des Kunstvereins herausnahm, sich in Privatangelegenheiten einzumischen und mir eben jene Freiheiten auf der fachlichen Seite nicht zu gewähren, die ich erwartet hatte. Das heißt, daß ich mich in jeder Beziehung sehr bevormundet gefühlt habe und auch mit den Vorschriften, die versucht wurden mir zu machen, nicht arbeiten konnte.
gw096_gunsthalleGEGENWIND: Was heißt das konkret?
Gnewuch: Es wurde versucht, Einfluß aufs Programm zu nehmen. Im ersten Jahr wurde mir noch relativ viel Freiheit gelassen. Als es um das Jahresprogramm 1991 ging, da verlangte man schon z.B. pro Ausstellungstermin drei Ausstellungsangebote meinerseits, wo man sich dann eine Ausstellung aussuchen konnte. Da meine ich doch, daß ich als promovierte Kunsthistorikerin schon die Kompetenz habe, das selbst entscheiden zu können und das auch verlange.

GEGENWIND: Einmischung auch in Ihr Privatleben und Ihren Lebensstil?
Gnewuch: Da ging es zum Einen um meine politische Einstellung. Man hat mich auf der Demonstration gegen die Fremdenlegionäre beobachtet. Das war an einem Sonnabend. Also eine reine Privatangelegenheit. Daraufhin wurde ich von Frau Späth, der 1. Vorsitzenden, in einem 3-stündigen Rechtfertigungsgespräch zur Stellungnahme genötigt. Das endete dann bei so Kleinigkeiten wie meinem Berliner Autokennzeichen mit dem ich immer noch durch die Stadt fahre, das ging darum, daß ich hier nur meinen zweiten Wohnsitz habe usw.

GEGENWIND: Seit wann wurden Konflikte mit dem Arbeitgeber offen ausgetragen?
Gnewuch: Ich muß jetzt ganz ehrlich sagen: Eine offene Austragung gab es nie. Es ging im Gespräch zwischen Frau Dr. Späth und mir oft um diese Probleme. Es kam aber nie zu einer direkten Auseinandersetzung, was mich sehr belastet hat, ich aber diese auch von mir aus nicht angestrengt habe.

GEGENWIND: Wie ist Frau Schwarz von der WZ an Sie herangetreten?
Gnewuch: Frau Schwarz hat mich am Donnerstag angerufen und mich in einem ganz kurzen Telefongespräch gefragt, ob das mit meiner Kündigung seine Richtigkeit hätte und wenn ja, aus welchen Gründen. Daraufhin ist dieser Artikel am 5.10. in der WZ erschienen, der noch sehr objektiv war. Ich nannte ihr keine genauen Gründe, da ich nicht wollte, daß in der Öffentlichkeit schmutzige Wäsche gewaschen wird. Nach dem zweiten Artikel von Frau Schwarz habe ich mich dann doch entschlossen, die Gründe öffentlich bekannt zu geben.
GEGENWIND: Was waren Ihre ersten Emotionen bei der Lektüre des WZ-Kommentars, welche Darstellung hat Ihre stärkste Betroffenheit ausgelöst?
Gnewuch: Die stärkste Betroffenheit haben die letzten beiden Sätze ausgelöst. Ich habe gemerkt, daß es nicht speziell um meinen Fall geht. Es handelte sich um eine Backpfeife, die gegen alle Frauen in Wilhelmshaven gerichtet war. Große Betroffenheit hat bei mir ausgelöst, daß so ein Artikel von einer Frau geschrieben wird, die, obwohl sie es gar nicht nötig hat, mit Hilfe männlicher Verhaltensmuster versucht, sich eine Position zu sichern.

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GEGENWIND: Im Kommentar werden Bezüge auf Aussagen des ehemaligen Stadtkünstlers Günther Schatzdorfer erwähnt. Was sagen Sie dazu?
Gnewuch: Es handelt sich um den Brief, den Herr Schatzdorfer am 25.April 88 an den Kulturausschuß geschrieben hat. Ich kann diesen Brief an vielen Stellen nur unterstreichen. Der Brief erwähnt aber an keiner Stelle, daß es sich hier um eine Provinz voller kleinkarierter Spießer handelt. Das ist eindeutig eine Erfindung von Frau Schwarz.gw096_kunst2

GEGENWIND: Zu welchen Aussagen des Kommentars ist Ihrer Ansicht nach eine Gegendarstellung der WZ erforderlich?
Gnewuch: Sicherlich ist eine Gegendarstellung zu der Äußerung des falschen Schatzdorf-Zitates nötig und auch zu der Behauptung, daß ich mich jetzt auf schnellsten Wege in meine Heimatstadt zurückbegeben möchte. Das ist eine ganz grobe Unterstellung. Es handelt sich hier um meine erste Stelle nach meiner Ausbildung und man kann schon sagen, daß ich mir, auf gut deutsch, die Karriere verpatzt habe – und das habe ich mir auch lange überlegt.

GEGENWIND: Haben Sie nach der Veröffentlichung Reaktionen von außen erhalten?
Gnewuch: Ich habe sehr viele Telefonanrufe erhalten. Diese Telefonanrufe waren alle wohlwollend und sehr unterstützend. Da habe ich mich doch gefreut und mich unterstützt gefühlt. Das ändert natürlich an der ganzen Sache nichts. Ich meine, daß hier, was die gesamte Kulturpolitik in der Stadt betrifft, doch so viel im Argen liegt, dass es wichtig ist, daß diese Sache einen größeren Öffentlichkeitscharakter bekommt. Vereinsmitglieder haben den Vorschlag gemacht, eine Mitgliederversammlung einzuberufen. Ich hoffe, daß die Versammlung zustande kommt. Da wird es sicherlich nochmal zu einer Auseinandersetzung kommen müssen, worauf ich auch großen Wert lege. Auf der letzten Vorstandssitzung, wo ich meine Gründe für die Kündigung bekannt gegeben habe, nahm man dies zur Kenntnis und ging dann kommentar- und diskussionslos zur Tagesordnung über.

GEGENWIND: Haben Sie aufgrund des Kommentars irgendwelche Schritte eingeleitet?
Gnewuch: Ich habe eine Gegendarstellung an die WZ geschickt und werde auch noch Kontakt mit anderen Zeitungen aufnehmen.

GEGENWIND: Werden Sie ihre Arbeit bis zum Ende des Jahres weiterführen?
Gnewuch: Ja, sicher. Und ich werde sie genauso gut zu Ende zu führen, wie ich sie begonnen habe. Und falls der Auflösungsvertrag erst zum 1.4.91 zustande kommen sollte, dann wäre das für mich auch kein Grund, jetzt in meiner Motivation und meinem Engagement zurückzugehen.

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