Kunsthalle
Nov. 191990
 

Bespitzelt und gegängelt - Teil 2 -

Ex-Kunsthallendirektor meldet sich zu Wort

(iz) Im letzten GEGENWIND erhielt Uta Gnewuch, (noch) Leiterin der Wilhelmshavener Kunsthalle, Gelegenheit, die Umstände ihrer Kündigung aus ihrer Sicht darzustellen, nachdem ihr Kontrahent, der Vorstand des Vereins der Kunstfreunde, mehrfach die Gelegenheit ergriffen hatte, seine Position darzustellen.

Wenn zwei sich streiten, sind beide Seiten nicht ganz unschuldig, sagt man. Doch in diesem Fall verhärtet sich auch bei chronischen Zweiflern die Vermutung, daß strukturelle Mißstände im Verein der Kunstfreunde bzw. der diesbezüglichen lokalen Kulturpolitik nicht allein in der subjektiven Anschauung einer Frau Dr. Gnewuch existieren.

Da ist nicht nur der legendäre „Schatzdorfer-Brief“, die Kritik des ehemaligen Stadtkünstlers an der hiesigen Provinzialität, mit der Frau Gnewuch ihre Sichtweise untermauerte.

Mittlerweile hat sich auch Dr. Joachim Diederichs, Dr. Gnewuchs Vorgänger, aus Düsseldorf zu Wort gemeldet. Es geht ihm, so betont er, nicht um Details, nicht darum, schmutzige Wäsche zu waschen. Auch er kritisiert strukturelle Fehler:

  • es gibt keine Betriebsgeschäftsordnung für die Kunsthalle
  • der/die LeiterIn der KH „kommt in der Vereinssatzung nicht vor“
  • muß aber andererseits „Managemententscheidungen des Vorstands vorbereiten“.

Verfasserin als Außenstehende fragt sich, wie die Aufgabengebiete „Künstlerische Leitung“ und „Geschäftsführung des Vereins“ überhaupt miteinander vereinbar sind. Daß Diederichs und Gnewuch dies vor ihrer Einstellung gewußt und akzeptiert haben, ist eine Frage der Kompromißfähigkeit bzw. Motivation für den künstlerischen Teil der Arbeit. Was macht denn der Vorstand überhaupt, außer zu delegieren, zu kritisieren und die Erfolge für sich zu notieren?
Diederichs wie Gnewuch halten eine öffentliche oder zumindest offene Diskussion für sinnvoll. Der Vorstand des Vereins, zeichnend Späth und von Chmara, hat sich Ende Oktober schriftlich geäußert. Begründung: „Der Vorstand … wird, wo immer er sich in Wilhelmshaven zeigt, angesprochen auf sein Verhältnis zu … Uta Gnewuch“. (Hervorh. d. Verf.) Paradoxon: der Brief ist nicht an die Öffentlichkeit gerichtet, sondern ein internes Schreiben an die Mitglieder. Und dieses schreit so vor Überheblichkeit nicht nur gegenüber Frau Gnewuch, sondern auch den Mitgliedern, ja allen Wilhelmshavener Kulturinteressierten, daß es einem schlecht werden kann. Betont wird Frau Gnewuchs „berufliche Unerfahrenheit … als ernstzunehmendes Handicap für die Bewältigung der Aufgabe“. Ihre „Weltsicht“ wurde „mit Erschrecken zur Kenntnis genommen“. Der Vorstand charakterisiert sich selbst als „Gremium“, das „aus den verschiedensten Berufen“ kommt und ergo „ein hohes Maß an lebenserfahrener Ausgewogenheit“ besitzt. Wer weiß, daß das Gremium sich aus allem anderen als z.B. einfachen Arbeitern rekrutiert, muß sich zwangsläufig beleidigt fühlen. „Alle sind im täglichen Leben voll ausgelastet mit ihrem Beruf“. Welch Platitüde, die begründen soll, warum auf eine Diskussion mit Frau Gnewuch verzichtet wurde, „keinen unsinnigen Aufwand betreiben und lieber die ganze Kraft darauf verwenden, die Nachfolge kurzfristig und zufriedenstellend zu lösen“. Der Kraftaufwand bestand darin, aus der Liste ihrer MitbewerberInnen jemanden aufsteigen zu lassen.
Das liegt im Interesse unseres Vereins und seiner Mitglieder, der kulturell interessierten Mitbürger unserer Stadt und … nicht zuletzt dem Interesse von Frau Dr. Gnewuch“. (Hervorh. d. Verf.)
Was denn? Auf die Diskussion zu verzichten oder die Nachfolge zu sichern oder beides?
Und last not least wird der eingangs erwähnten „beruflichen Unerfahrenheit“ gegenübergestellt, daß Frau Gnewuch, „ein junger Mensch, der nicht müde wird, seine wissenschaftliche Qualifikation immer wieder zu betonen, uns die Ihm gegebene Chance und alle unsere Bemühungen um ein konstruktives, Zeit zur Reife lassendes Miteinander auf diese Weise lohnt“.
Wie ist denn das nun wieder zu interpretieren? Hat der Vorstand tatsächlich eine Null eingestellt, die nur behauptet, sie sei qualifiziert? Dann müßte dem Vorstand das Vertrauen entzogen werden. Oder kehren wir ins Mittelalter zurück, wo Menschen in schweigender Demut gegenüber dem Arbeitgeber ihr Tagwerk zu verrichten hatten?
Nach Auffassung (offensichtlich falsch) zitierter Dritter, sprich Mitglieder und Kulturinteressierte, hat Frau Gnewuch sehr qualifizierte Arbeit geleistet. In wessen Interesse handelt der Vorstand?
Zum Glück sind die Mitglieder gar nicht so blöd, wie der Vorstand offensichtlich hofft (nach dem Schreiben zu urteilen). Zum einen hat der GEGENWIND eine Kopie des zitierten Schreibens aus dem Kreise der Mitglieder (nicht von Dr. Gnewuch) erhalten, welche auf diese Art die Mißstände öffentlich machen wollen. Zum anderen hat ein Mitglied mit Schreiben v. 12.11.90 um Unterstützung zur Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gebeten, die einer Aussprache zwischen Vorstand und Gnewuch dienen soll (und bislang breite Zustimmung erhalten). Beides – Öffentlichkeit und die Versammlung – liegen im Interesse Dr. Gnewuchs, so ihre Aussage im letzten GEGENWIND. Nicht nur den Mitgliedern, auch Verwaltung und Politikern der Stadt sei angeraten, dem Vorstand Fragen und ihn ggf. in Frage zu stellen.
Selbst wenn der Filz aufgelöst wird, bleibt es wohl ein Wunschtraum, dass Frau Gnewuch, unter neuen Umständen und Voraussetzungen, bleibt. Die Stadt als solche und ihre Menschen haben ihr schon gefallen.
Fragt sich, ob sonst jemals jemand bleibt, der „unserer“ (?) Kunsthalle zu Qualität verhilft – oder ob Einstellungsvoraussetzung bleibt, einem Vereinsvorstand zu dienen und ansonsten den Mund zu halten.

(Fortsetzung folgt)

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