Kriegsdienstverweigerung
Mrz 091992
 

Aus der Reserve locken

KDV-Beratung jetzt auch für Soldaten und Reservisten

(ub) Seit dem Ausbruch des Golfkrieges ist die Zahl der Soldaten und Reservisten, die den Kriegsdienst verweigern, sprunghaft angestiegen. Der GEGENWIND führte ein Gespräch mit zwei ehemaligen Soldaten, die vor kurzem den Dienst mit der Waffe verweigert haben und jetzt jeden Dienstag KDV-Beratung im Restaurant „Tarish“ anbieten.

dfg-transparentGegenwind: Vom aktiven Soldaten zum Ratgeber für Kriegsdienstverweigerer – wie ist diese Entwicklung zustande gekommen?
Antwort: Wir haben unseren Wehrdienst Anfang der 80er Jahre abgeleistet. Danach war schon länger das Bedürfnis da, den Kriegsdienst im nachhinein zu verweigern. Ausschlaggebend war dann der Golfkrieg. Wir haben an den Mahnwachen der Friedensbewegung teilgenommen. Die Auseinandersetzung mit dem Krieg am Golf hat den Entschluß zur eigenen Kriegsdienstverweigerung forciert. Während der Verweigerung haben wir die Idee entwickelt, unsere Erfahrungen weiterzugeben.

Gegenwind: Die DFG/VK bietet seit Jahren regelmäßig Beratung für KDVler an. Warum jetzt speziell ein Beratungsabend für Soldaten und Reservisten?
Antwort: Das Verfahren, dem sich Soldaten und Reservisten, die den Kriegsdienst verweigern wollen, unterziehen müssen, ist zumindest teilweise ein anderes. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie ihre Gewissensentscheidung nicht nur schriftlich, sondern auch noch mündlich vor einem Ausschuß vortragen müssen, sehr viel größer. Wir wollen auf diese Ausschusssitzung vorbereiten. Außerdem muß bereits in der schriftlichen Begründung der Sinneswandel des Antragstellers ausführlich dargelegt werden.

Gegenwind: Worin liegt eurer Erfahrung nach die Motivation für Reservisten, den Dienst mit der Waffe im nachhinein zu verweigern?
Antwort: Viele junge Männer gehen erst einmal aus einer persönlichen Unkenntnis heraus zur Bundeswehr. Unkenntnis über das, was sie bei der Bundeswehr erwartet, häufig aber auch Unkenntnis über die Möglichkeit der KDV.
Bei einigen Soldaten setzt ein Erkenntnisprozeß ein durch Gespräche mit anderen Betroffenen. Zudem sind sich viele Soldaten zunächst darüber im unklaren, daß sie auch nach dem Wehrdienst jederzeit zu Wehrübungen eingezogen werden können. Das Kriegsgeschehen am Golf war sicherlich jetzt für viele der Auslöser, einen Schlußstrich unter die Bundeswehrvergangenheit zu ziehen.

Gegenwind: Wie sieht euer konkretes Angebot für Soldaten und Reservisten aus?
Antwort: Wir wollen den Leuten, die zu uns kommen, helfen, sich über ihre Beweggründe, die zur Verweigerung geführt haben, klarzuwerden.
Wir haben die Erfahrung gemacht, daß die jungen Männer, die im nachhinein verweigern, in hohem Maß motiviert sind, sich mit ihrer eigenen Persönlichkeit, also z.B. mit der eigenen Einstellung zur Gewaltanwendung im allgemeinen, auseinanderzusetzen. Diesen Prozeß unterstützen wir im gemeinsamen Gespräch.
Des weiteren bereiten wir die Verweigerer auf die bevorstehende Ausschußsitzung, die sogenannte „mündliche Gewissensprüfung“ vor. Wir konfrontieren den Antragsteller mit möglichen Schwachpunkten seiner Verweigerungsbegründung.

Gegenwind: Wie haltet ihr Kontakt zu den Verweigerern, die zur Zeit ihren Grundwehrdienst ableisten müssen bzw. auswärtig stationiert sind?
Antwort: Der KDV-Treff dienstags im „Tarish“ ist nur ein fester Termin. Die Einzelberatungen laufen auch am Wochenende, wenn der Soldat auf Urlaub hier ist. Da wir zur Zeit zu viert beraten, können wir die Beratungsgespräche individuell mit dem Verweigerer abstimmen. Zudem haben wir die Möglichkeit, an die jeweiligen örtlichen KDV-Vereinigungen zu vermitteln.

Gegenwind: Welche konkreten Möglichkeiten seht ihr speziell in Wilhelmshaven, wo bekanntlich sehr viele Soldaten stationiert sind, die Kriegsdienstverweigerung zu propagieren?
Antwort: Zunächst einmal wollen wir verstärkt auf unseren regelmäßigen KDV-Treff im „Tarish“ hinweisen. Wir arbeiten an einem entsprechenden Plakat, das auf diesen Beratungsabend hinweist.
Wir überlegen darüber hinaus, wie wir Veranstaltungen der Bundeswehr wie z.B. den „Tag der offenen Tür“ bei der Marine während des Wochenendes an der Jade in Zukunft nutzen können.
Wir haben während des Golfkrieges in Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung am Bahnhof Flugblätter an die ankommenden Soldaten verteilt. Solche Aktionen sind auch in Zukunft denkbar. Voraussetzung ist jedoch, daß uns noch mehr Kriegsdienstverweigerer unterstützen.

Gegenwind: Wir danken für das Gespräch.

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