Kostendämpfung
Sep 032008
 

Blockiert

– oder: Auch so kann man Kosten dämpfen!

(noa) Wir alle kennen diese Gespräche, bei denen wir viel Text hören, am Ende aber immer noch nicht wissen, woran wir sind, bei denen der/die andere am Thema vorbeizureden scheint. Manche Leute kommunizieren so, ohne zu merken, dass sie uns nicht informieren, sondern nur verunsichern. Manche tun es auch ganz bewusst, um z.B. einer Frage auszuweichen.


K.K.* lebt mit Mann und Kind von einem kleinen Lohn und aufstockendem Arbeitslosengeld II. Das Kind kommt bald zu Schule, sie selber hat eine Arbeitsgelegenheit, und da ihr Mann den Job mit dem kleinen Lohn hat, soll das Kind, wenn es nach den Ferien eingeschult ist, nachmittags in den Hort. In Begleitung einer Bekannten geht K.K. zum Jugendamt, um einen städtischen Zuschuss zum Hortplatz zu beantragen. Die zuständige städtische Mitarbeiterin stellt eine Reihe von Fragen, vor allem zu den finanziellen Verhältnissen der kleinen Familie, rechnet eine Weile und gibt dann die Auskunft, das Einkommen sei zu hoch, es liege über der Einkommensgrenze, und außerdem sei ja noch gar kein Hortplatz zugesichert.
Draußen stellen die beiden Frauen fest, dass sie abgespeist worden sind. Die Dame vom Amt hat keinen Antrag aufgenommen, sondern sich so verhalten, als habe K.K. nur eine Frage gestellt. K.K. schreibt ihr also einige Tage später einen Brief, in dem sie ihren mündlich gestellten Antrag bekräftigt.
Antwort kommt beinahe postwendend, nicht von der Mitarbeiterin, an die der Antrag gerichtet war, sondern von ihrem Kollegen. Nach der Lektüre sind K.K. und ihre Bekannte so klug wie vorher. Der Jugendamtmitarbeiter hat sich in seinem Schreiben auf die Voranfrage von K.K. bezüglich eines städtischen Zuschusses um einen Hortplatz bezogen, die Einkommensgrenze von Euro 1.445,- genannt und vorgerechnet, dass die Familie von K.K. um Euro 154,57 über dieser Einkommensgrenze liegt.
Weder K.K. noch ihre Bekannte können sich vorstellen, dass man als Hartz IV-Bedarfsgemeinschaft über einer Einkommensgrenze liegen kann. Aufstockendes Arbeitslosengeld II bekommt, wer zu wenig verdient, um eine Familie ernähren zu können – das muss doch die Untergrenze sein!
Die beiden Frauen stöbern im Internet nach Festlegungen für Einkommensgrenzen und stoßen auf ein Papier der Stadt Emden, aus dem hervorgeht, dass eine dreiköpfige Familie dort erst ab einem monatlichen Einkommen von Euro 2.350,- keinen Zuschuss zum Kindergarten mehr bekommt. Seltsam. Wie werden solche Einkommensgrenzen bestimmt? Und überhaupt fühlen sie sich irgendwie gelähmt, unfähig, irgendetwas zu bewirken. Sie schauen noch einmal gründlich den Brief vom Amt durch, und da fällt es ihnen wie Schuppen von den Augen: „Ihre Voranfrage“ hat der Herr vom Jugendamt geschrieben, nicht etwa „Ihr Antrag“. Und deshalb ist es kein Bescheid. Kein Wunder, dass die beiden Frauen nicht Bescheid wissen.
Wenn man dieses blockierende Kommunikationsverhalten erst einmal durchschaut hat, so lehrt die Kommunikationspsychologie, ist man wieder handlungsfähig. K.K. schreibt also ans Amt, weist darauf hin, dass ihr Schreiben vom (ojeoje, das liegt schon einen Monat zurück! – So lange waren die beiden Frauen blockiert!) keine Voranfrage, sondern ein Antrag gewesen sei und sie außerdem (mit Fristsetzung) gemäß § 35 SGB X erläutert bekommen möchte, welche Kriterien der Berechnung der Einkommensgrenze zugrunde liegen.
Erneut kommt schnell eine Antwort, diesmal wieder von der Mitarbeiterin, mit der K.K. es zuerst zu tun gehabt hat. Es werden fehlende Nachweise angefordert, eine Frist gesetzt und eine Erörterung des Sachverhalts angekündigt. Und: Es werden die „aktuellen Bedarfssätze“ (Grundbetrag 583,- Euro, Familienzuschlag pro weitere Person im Haushalt 246,- Euro und Miethöchstbetrag 383,- Euro) genannt, woraus sich die Einkommensgrenze für K.K.’s Familie in Höhe von 1.458,- Euro errechne; die erbetenen Kriterien für diese Festsetzung werden nicht genannt.
Die Lohnbescheinigung ihres Mannes für den laufenden Monat wird K.K. erst im nächsten Monat vorlegen können, weil er sein Geld auch immer erst rückwirkend bekommt. Zum festgesetzten Termin kann K.K. also nur einen Teil der angeforderten Nachweise vorlegen, ein weiterer Besuch beim Jugendamt wird erforderlich.
So weit ist das Unterfangen „Antrag auf Zuschuss zu einem Hortplatz“ gediehen, als die Sommerferien zu Ende sind und K.K.’s Sohn eingeschult wird. Er geht jetzt zur Schule und danach immer zum Hort, während K.K. und ihr Mann noch keine Ahnung haben, ob – und wenn ja, in welcher Höhe – sie von der Stadt Geld für den Hortplatz bekommen werden. Sie haben aber keine Wahl: K.K. hat eine Arbeitsgelegenheit, bei der sie nachmittags arbeiten muss, ihr Mann, der seinen schlecht bezahlten Job inzwischen verloren hat, nimmt an einer Schulung teil, und das Kind muss ja irgendwie betreut werden.
Wir werden uns hüten, die Behauptung aufzustellen, hinter dem, was K.K. mit dem Amt erlebt hat, stecke System oder gar die Absicht, sie davon abzuhalten, einen Antrag zu stellen. Diese Wirkung hatte es aber – einen ganzen Monat lang.
Vergleichbares erlebte B.E.* beim Jugendamt: Ihr Sohn hat eine Lernstörung und bekommt eine außerschulische Förderung, die von der Stadt bezahlt werden muss. Nach Ablauf des zunächst bewilligten Förderzeitraums ergab eine erneute Untersuchung weiteren Therapiebedarf. Von der vom Facharzt für notwendig erachteten Stundenzahl bewilligte das Jugendamt aber nur die Hälfte. Diese Hälfte neigt sich nun dem Ende entgegen, und Frau E. ging zum Amt, um zu erklären, dass ihr Sohn die zweite Hälfte der Stunden noch benötigen wird. Der städtische Mitarbeiter sagte nicht etwa „Okay, dann müssen wir halt die ganzen empfohlenen Stunden bewilligen“, er sagte auch nichts davon, dass Frau E. schon wieder einen Antrag stellen müsse, er ordnete keine weitere Untersuchung an. Nein, er gab zu bedenken, wie viele Stunden der Junge nun schon gehabt habe!
Frau E. verließ das Amt genauso ratlos wie K.K. und dachte, dass man da nichts machen kann. Aber dass das etwa die Absicht der Wilhelmshavener Ämter wäre, das wollen weder K.K., B.E. noch die Schreiberin dieses Beitrages unterstellen. – Wenn doch, dann wäre das ja wirklich fies!
*) Die vollständigen Namen sind der Redaktion bekannt.

 

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