Kontakte mit Nazis?
Dez 011995
 

Mit stumpfem Schwert

Was ist dran an den Vorwürfen gegen OB Menzel, er mache Geschäfte mit Faschisten?

(hk) Der Fall, um den es hier geht, dürfte allgemein bekannt sein: Im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 20.10.1995 waren unserem Oberbürgermeister Kontakte mit Faschisten nachgesagt worden. Eine Behauptung, die sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreitete.

Die Reaktionen auf das Bekanntwerden der Kontakte waren sehr unterschiedlich. Für einige war die Meldung nur eine Bestätigung
des unaufhaltsamen Abstiegs des Antifaschisten Menzel zu einem Politiker, der unter dem Oberbegriff „Alles für die Stadt Wilhelmshaven“ auch noch seine Großmutter verkaufen würde, für andere (und das war die Mehrheit) war allein die Vorstellung, daß Eberhard Menzel sich in Herzlake mit dem stadtbekannten Faschisten Robert Baar ein Fußballstadion (es ging um den Neubau des Stadions an der Friedenstraße) anguckt und dann auch noch in einer Wilhelmshavener Szene-Kneipe mit eben diesen
Leuten ‚einen trinken‘ geht, unmöglich. „Wenn das stimmt, dann ist der weg vom Fenster“ – das war der Tenor bei beiden Gruppen.

Die Vorwürfe:

„Dem Einfluß der Rechtsradikalen in der Stadt begegnen die regierenden Sozialdemokraten mit bodenständiger Gelassenheit. Wie wenig Berührungsängste etwa SPD-Oberbürgermeister Menzel hat, erlebten die Gäste des Lokals ‚Saxophon‘. Der höchste Repräsentant der Stadt kreuzte dort nachts mit Baar auf und schmiß eine Lokalrunde. (…) Eine kleine Delegation – mit SPD-OB Menzel, dem CDU-Wirtschaftsförderer Rech und einem SPD-Landtagsabgeordneten an der Spitze – reiste gemeinsam mit Baar ins niedersächsische Herzlake (…).“ Soweit das Magazin der Süddeutschen Zeitung.
Wenige Tage nach dem Erscheinen des Artikels erklärte Menzel in der WZ (31.10.95), daß die Behauptungen unwahr sind. „Dazu Menzel: Ich habe keine Verbindung zu rechtsradikalen Immobilienspekulanten, bin nie gemeinsam mit einem in einer Gaststätte gewesen (…). Ich bin noch nie in Herzlake gewesen und kann deshalb dort auch an keiner Stadionbesichtigung teilgenommen haben. (…) Ich möchte einmal das Innenleben der Menschen kennenlernen, die sich solche Lügen ausdenken und sie dann auch noch verbreiten.’
Am 3.11. schickt die Stadt Wilhelmshaven (Der Oberstadtdirektor) einen Brief an die Süddeutsche Zeitung. In dem Brief heißt es unter anderem: „Mit großer Betroffenheit haben die Verantwortlichen der Stadtverwaltung (…) zur Kenntnis nehmen müssen, daß Sie es für richtig gehalten haben, (…)einen Artikel unter dem Titel ‚Kein Land in Sicht‘ zu veröffentlichen, der nicht nur angesehene Bürger unserer Stadt verunglimpft, sondern auch Vorgänge schildert, die unrichtig dargestellt werden. (…) Ich appelliere an Ihren journalistischen Ehrenkodex: Geben Sie der Stadt Wilhelmshaven die Möglichkeit, (…) ggfs. auch als Leserbrief, die Vorgänge in ein rechtes Licht zu rücken.
1. Der vorgenannte Bericht enthält über den Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven Herrn Eberhard Menzel 3 Behauptungen, in denen ihm jeweils unterstellt wird, er pflege Kontakte zu rechtsradikalen Immobilienhändlern. Diese Behauptungen sind unwahr, da Herr Menzel die in dem Bericht genannten Personen, die dem rechtsradikalen Spektrum zugerechnet werden, persönlich nicht kennt. Es ist darauf hinzuweisen, daß gerade der Oberbürgermeister der Stadt Wilhelmshaven sich seit vielen Jahren gegen das Aufkommen rechtsradikaler Tendenzen eingesetzt hat.
Handlögten und Venske antworten am 8.11.95: „Ihr Informationsstand entspricht nicht den Tatsachen. Wir bleiben bei unserer Darstellung.“
Die Süddeutsche veröffentlicht den Brief der Stadt nicht, weil dieser nicht als Gegendarstellung verfaßt ist.
Am 9.11. erklärte der OB im Anschluß an seine Gedenkrede auf dem Synagogenplatz, daß „alle Behauptungen unwahr sind. Ich habe gegen die Verfasser des Artikels presse- und strafrechtliche Schritte eingeleitet. Und ich werde auch gegen jeden strafrechtlich vorgehen, der hier in Wilhelmshaven die Behauptungen wiederholt.“
Mitte November erwirkt OB Menzel eine einstweilige Verfügung gegen die Süddeutsche Zeitung, in der ihr unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 500.000 DM (oder Haft bis zu zwei Jahren) verboten wird, die Vorwürfe gegen Eberhard Menzel zu wiederholen.
Damit hatte OB Menzel erst einmal wieder die Lufthoheit über Wilhelmshaven gewonnen.
Der GEGENWIND setzte sich mit den Verfassern des Artikels, Günter Handlögten und Henning Venske, in Verbindung.
Handlögten zum GEGENWIND: „lch kann das alles nicht begreifen. Wir haben eidesstattliche Versicherungen über die in dem Artikel erhobenen Vorwürfe. Warum sollte jemand eine eidesstattliche Erklärung abgeben. die nicht stimmt? Da hat doch niemand etwas davon. Im Nachhinein hat mir auch noch der Sponsor des VFL Herzlake, der Möbelfabrikant Klose, die Anwesenheit von Oberbürgermeister Eberhard Menzel bestätigt. Es scheint wohl unumgänglich, daß diese Angelegenheit vors Gericht kommt – denn schließlich wollen wir wissen, was in dieser Stadt abläuft.

Nach Redaktionsschluss:

In der Wilhelmshavener Zeitung vom 25.11.1995 outet Oberbürgermeister Menzel die Grünen-Politiker Gerd Kläne und Marianne Fröhling. Menzel laut WZ: „Wenn es zutrifft, wie im letzten Brief behauptet wird, daß Fröhling und Kläne den Journalisten Venske und Handlögten Informationen zu ihrem Artikel im Magazin der Süddeutschen Zeitung übermittelt hätten, wäre dies ein ungeheuerlicher Sachverhalt.“
Menzel droht den beiden Grünen an, gegen sie strafrechtliche Schritte einzuleiten, und wirft die Frage auf, ob Kommunalpolitiker, die so gehandelt haben, noch ihr Ratsmandat behalten dürften.
Unsere Anfrage bei Handlögten/Venske am 25.11. ergab, daß die in der Süddeutschen dargestellten Sachverhalte nicht von Fröhling und Kläne stammen, er (Handlögten) uns aber seine Informanten nicht nennen werde. (hk)

Kommentar:

Was wäre, wenn…
…die Vorwürfe gegen OB Menzel den Tatsachen entsprächen? Ist es vorstellbar, dass er sich dann wie Barschel an die Öffentlichkeit wendet, alle Anschuldigungen zurückweist und jedem und jeder mit Strafanzeigen droht? Wäre es nicht besser, zuzugeben, zu erklären? Etwa so: ‚Im Interesse der Entwicklung unserer Stadt ist es manchmal nötig, Kröten zu schlucken. Wir sind in einer Situation, in der wir uns unsere Verhandlungspartner nicht aussuchen können – gerade dann nicht, wenn es um Millionen-Investitionen geht, die schließlich allen Bürgern zugute kommen, die Arbeitsplätze schaffen und sichern. Geschäfte werden heutzutage nicht mehr in Büros und Amtsstuben auf den Weg gebracht, heute ist das persönliche Engagement auch nach Feierabend mit ausschlaggebend für einen Geschäftsabschluß. Ich bin ja froh, daß wir letztendlich eine Lösung fanden, in der Baar & Co. keinen Platz mehr hatten.“ Kritik hätte es noch genug gegeben, mangelnde Zivilcourage wäre ihm vorgeworfen worden, so manche Gruppe hätte sicherlich in Zukunft auf seine Schirmherrschaft verzichtet.

Was wäre wenn …
…die Behauptungen, die in der Süddeutschen Zeitung aufgestellt wurden, nicht den Tatsachen entsprechen? Ein Journalist hat nicht viele Möglichkeiten seine Behauptungen zu beweisen. Wenn er ein sauberer Journalist ist, läßt er sich von seinen Informanten eidesstattliche Erklärungen vorlegen. Liegen diese Erklärungen vor, gibt es grünes Licht zur Veröffentlichung. Die Autoren der Veröffentlichung in der Süddeutschen sind nach ihren Angaben im Besitz solcher eidesstattlichen Erklärungen. Sollte es sich herausstellen, daß diese Erklärungen falsch sind, wird man den Journalisten nichts vorwerfen können.
Doch wer sollte ein Interesse daran haben, falsche eidesstattliche Versicherungen abzugeben? Ein Komplott gegen OB Menzel oder gegen die Autoren Handlögten und Venske? Wo leben wir denn?
Gefragt werden muß auch, warum Eberhard Menzel gegen Vorwürfe, die das Ende seiner politischen Karriere bedeuten würden, mit Gegendarstellungen (ggfs. auch als Leserbrief) und Einstweiligen Verfügungen angeht. Warum verklagt er die Autoren nicht? Wenn mir jemand mit solchen Anschuldigungen kommen würde, würde ich mich doch nicht auf einen solch lächerlichen Rechtsweg begeben, sondern mit den schärfsten Waffen gegen die Verleumder und Rufmörder zu Felde ziehen. Warum steht in dem Schreiben vom 3.11. an die SZ nur, daß „Herr Menzel die in dem Bericht genannten Personen, die dem rechtsradikalen Spektrum zugerechnet werden, persönlich nicht kennt“?

Nach-Sumpf-Zeit
Handlögten und Venske sind im offiziellen Wilhelmshaven nicht gerade beliebt. Zerrte doch ihre Veröffentlichung „Dreckiger Sumpf‘ (1983) die eickmeiersche „Politik nach Gutsherrenart“ ins Licht der Öffentlichkeit und sorgte für die Ablösung des ehemaligen Oberstadtdirektors. Es kam ein neuer Oberstadtdirektor, doch an der Politik änderte sich nicht viel.
Man war vorsichtiger geworden in der Stadtverwaltung. Für städtische Bedienstete gab es einen Maulkorb und die Politik spielte sich weiterhin hinter verschlossenen Türen ab.
Und so entwickelte sich in den Jahren nach Eickmeier die „Eickmeiersche Politik schreiberscher Prägung“, oder anders gesagt: Es änderte sich überhaupt nichts!
Die Stadt wird von einer Gruppe aus Rechtsanwälten, Hafen- und Unternehmerlobby regiert: Die „Wilhelmshaven-Fraktion“. Der Stadtrat ist meist nur ein formales Gremium, in dem deren Beschlüsse abgesegnet werden.
Diskussionen sind in Wilhelmshavens Entscheidungsgremien ein Fremdwort – wenn es doch mal Kritik gibt, dann erklärt der Oberstadtdirektor die Angelegenheil zur „Chefsache“ und es darf nicht mehr darüber geredet werden. Zur Not werden brisante Themen auch noch den zuständigen Dezernenten aus der Hand genommen und an willfährige Kollegen überwiesen.
Um zu dieser Wilhelmshaven-Fraktion zu gehören, muß man sich dem Ehrenkodex dieser Loge unterwerfen. Wer das nicht tut hat keine Zukunft.
Ob unser Oberbürgermeister nun wirklich privat und/oder geschäftlich mit Baar und Hegerverkehrt( e), wird hoffentlich in Kürze aufgeklärt sein – bestehen bleibt allerdings die Tatsache, daß Baar und Heger in Wilhelmshaven dick im Geschäft sind (was wohl auch nicht so ganz ohne Unterstützung honoriger Bürger ablief).
Doch nicht nur im Immobiliengeschäft stecken diese Leute drin. Wer erinnert sich noch an das Foto des SVW-Vorstands im Sportteil der WZ? Da stand der Faschist Robert Baar (bes. Aufgaben) neben dem CDU-Ratsherr Bernhard Rech (bes. Aufgaben).
Ob die Wilhelmshavener Bevölkerung wohl zu einem Liebesentzug gegenüber dem SVW zu gewinnen ist, solange der Faschist Robert Baar in diesem Verein seine „besonderen Aufgaben“ erfüllt?

Hannes Klöpper

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top