Mehrheiten knacken
FDP nimmt die schwarz-rote Dominanz ins Fadenkreuz
(ub) Wie alle kleinen Parteien hat die FDP in Wilhelmshaven zunächst einmal ein Ziel: raus aus der politischen Bedeutungslosigkeit, Mitgestalten im Konzert der Großen. Also müssen diesmal gleich zwei Nüsse geknackt werden – auf dem Wahlplakat der FDP versperren eine rote und eine schwarze Wa(h)lnuss den Zugang zum Rathaus. Wer unzufrieden ist mit SPD und CDU und deshalb die liberalen Frontmänner in den Vordergrund schieben will – „die Freiheit haben wir“ (FDP-Slogan) – findet Gründe dafür oder dagegen im aktuellen Kommunalprogramm der FDP, das wir nachfolgend skizzieren.
Die Ausgangssituation ist natürlich schlimm. Das weiß nicht nur der eifrige Gegenwindleser: Die „Stadt Wilhelmshaven steht in den nächsten Jahren vor ungewöhnlichen Herausforderungen“ (alle Zitate aus dem Kommunalwahlprogramm der FDP – Entwurf vom 04.07.2006). Als da sind eine „erschreckend hohe Arbeitslosigkeit, ein völlig unakzeptabel hohes Niveau der Sozialabgaben“ und ein kommunaler Haushalt mit „weiter ansteigenden Schulden“.
Deshalb kann es so wie bisher überhaupt nicht weitergehen. Die vor uns liegenden gewaltigen Aufgaben erfordern „völlig neue Denkansätze und Lösungsstrategien“. Die hat natürlich – Überraschung! – die FDP, und dabei will sie sich in den nächsten 5 Jahren – so man sie lässt – auf 5 Schwerpunkte konzentrieren. Wir haben uns die Bereiche Wirtschaft, Haushalt, Bildung und Kultur herausgepickt.
steht nicht von ungefähr an erster Stelle im Maßnahmenkatalog der FDP. Die Wirtschaft ist das erklärte Lieblingsthema aller Liberalen. Sie soll „ertüchtigt“ werden – dann geht alles wie von selbst. Was braucht die Wirtschaft? Zunächst einmal muss man sie machen lassen – also „Privatisierung in verschiedenen Bereichen“, und wo das partout nicht geht, mindestens „der Ausbau von öffentlich-privaten Partnerschaftsmodellen“. Die FDP stellt klar: „Die beste Jugend- und Sozialpolitik ist also eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik.“ Damit ist eigentlich alles gesagt, und konsequenterweise tauchen dann auch die Wörter „Jugendpolitik“ und „Sozialpolitik“ im aktuellen Programm der FDP an keiner Stelle mehr auf.
Den Jade-Weser-Port wollen fast alle, und dazu ist eine „harmonische Zusammenarbeit mit dem Land“ wichtig. Wer könnte das besser als die FDP, „wird doch mit Walter Hirche der Wirtschaftsminister“ von ihnen gestellt.
Und sonst: In einem „Büro für alles“ sollen für den ansiedlungswilligen Unternehmer „alle notwendigen Antragsformalitäten gebündelt werden, so dass sich der Unternehmer nicht mehr durch den Dschungel der Behörden kämpfen muss“. Die Großindustrie braucht „einen ständigen Ansprechpartner“, und (generell ist man ja sonst konsequent für Personalabbau im öffentlichen Dienst – siehe unten) ein „hauptamtlicher Wirtschaftsförderer“ soll eingestellt werden.
Auch hier sollen „völlig neue Wege“ beschritten werden: „Verkauf von städtischen Beteiligungen (Stadtwerke, GEW), Verkauf von Liegenschaften“, und durch die „vorgenannten Maßnahmen kann eine Rückführung des Personalstandes erreicht werden“.
Die Sozialausgaben überschreiten „das verträgliche Maß“ und müssen zurückgeführt werden. An dieser Stelle werden jetzt auch die Menschen „ertüchtigt“ mit „Sprach- und allgemeiner Bildungsförderung und Suchtbekämpfung“.
Mit Schulschließungen und Schulzusammenlegungen hat die FDP grundsätzlich keine Probleme (Anpassung an „demographische Entwicklungen“); jedoch sollten „vielfältige Aspekte“ wie z. B. ihre „Leistungsfähigkeit“ und „ihre Möglichkeit, die zunehmend problematischer werdenden sozialen Verhältnisse zu kompensieren“, berücksichtigt werden.
Für die Bildung ist genug Geld da, wenn die FDP mitentscheidet: „Durch den Verkauf von Liegenschaften stehen erhebliche Finanzmittel zur Verfügung.“
Mit Hilfe der Hotellerie, der Freizeit- und Tourismus-GmbH und engagierten Bürgern wird Wilhelmshaven „das Zentrum für Kultur auf der ostfriesischen Halbinsel“. Der kulturinteressierte Bürger kommt vor der Wahlurne wohl nicht vorbei an der FDP. Ganz klar: Kultureinrichtungen sollen gestärkt werden. Schließlich geht’s um Peanuts, denn „der gesamte Kulturhaushalt“ macht „einschließlich der Verwaltung nur 1,9% des Gesamthaushaltes“ aus.
Im Konzept der örtlichen FDP sind die anderen, „klassischen“ Themen der Liberalen kein Thema. Kein Wort findet man beispielsweise zur Diskussion „Freiheit versus Sicherheit“. Eigentlich ein Thema, das sich aufdrängt, wo doch auch in Wilhelmshaven so manch ein Kommunalpolitiker über massive Videoüberwachung nachdenkt. Ausländern will man Sprachförderung anbieten, aber was ist mit Themen wie Asyl, Abschiebung und Bleiberecht? Die Auseinandersetzung mit Bürgerrechten und die Gefahren durch neofaschistische Organisationen sucht man vergeblich. Das große Thema Soziales taucht vorwiegend in der Wortkombination Sozialausgaben auf. Diese sind dann lediglich „unakzeptabel hoch“.
Insgesamt wirft die FDP ihren Hut mit einem neoliberalen, an der „Selbstheilungskraft“ der Wirtschaft ausgerichteten Konzept in den Ring. Die geforderte „Bürgerbeteiligung“ orientiert sich vornehmlich am klassischen Bildungsbürgertum mit „Sonntagsvormittagsgesprächen der VHS“.
Sorry, the comment form is closed at this time.