Kolumne
Feb 282007
 

Meine liebe Theda

ich sach dir, hier boxt der Papst! Nee, umgekehrt: Hier pipit der Boxer, und zwar gegen einen Mülleimer in der Fußgängerzone. Der gehört zu dem Posterladen in der Parkstraße – der Boxer, nicht der Mülleimer, der gehört nämlich der Stadt. Und deswegen ist dann der Polizist, der dem Boxer beim Pipimachen zugeguckt hat, in den Posterladen und hat den Besitzer angeschnauzt. Dem war das voll peinlich, weil da auch Kunden im Laden waren.

Ich sach dir, das war ne richtige Staatsaffäre! Der Ascheimer ist nämlich aus Edelstahl, und deswegen hamse wohl auch nicht sonen einfachen Streifenpolizisten geschickt, sondern einen vom Staatsschutz. Vielleicht hatte der auch nix mehr zu tun, als er den letzten Gegenwind ausgelesen hatte, und da dachten die, schicken wir den mal auf Streife. Naja, wird ja überall razionalisiert. Jedenfalls ham da jede Menge Leute Leserbriefe an die Wehzett geschickt deswegen, manche waren für den Hund, manche für den Polizisten, ich hab irgendwann aufgehört zu zählen, wer gewinnt. Was ich da nämlich wirklich schlimm dran fand, war, dass die Leute sich über sowas so doll aufregen und über andere Sachen nicht. Hätten die mal alle was geschrieben zu der Familie, wo die Eltern damals aus dem Kosovo geflüchtet sind nach Wilhelmshaven und nun sollen die zurück, obwohl der Vater da immer noch Angst haben muss und die Kinder waren da überhaupt noch nie. Hab ich dir ja von erzählt. Wennse da mal alle nen Brief zu schreiben würden, täte die Stadt sich da vielleicht mal genauso drum kümmern wie um ihre Mülleimer.
Aber mit Tieren beschäftigen sie sich hier immer viel. Dass die ihren Contehnerhafen immer noch nicht gebaut haben, da soll zum Beispiel ein Vogel dran schuld sein, obwohl man den nie sieht. Rohrdommel heißt der, weil er im Schilfrohr lebt, im Voslapper Groden nämlich. Dass der schuld ist an der ganzen Misehre, wie die vonner Hafenwirtschaft immer sagen, kann ich nicht glauben. Erstmal gibts da Hunderte von Vögeln, deswegen ist der Groden jetzt auch Naturschutzgebiet, hab ich im Gegenwind gelesen, und außerdem wollen die den Hafen ja im Watt bauen und nicht hinterm Deich. Ich glaub, die erzählen das nur, weilse sich gerade mit dem Land zanken, wer wann welche Flächen verhökern darf. Da blickt sowieso keiner mehr durch und weil die das auch nicht wollen, erzählen die die Geschichte mit dem Vogel.
Am anderen Ende der Stadt, am Südstrand, haunse sich gerade um die Salmonellen, das sind die kleinen Tiere, wo man Dünnpfiff von kriegt. Und um die Wattwürmer. Die Salmonellen kommen daher, weilse, wenns doll geregnet hat, das Abwasser nicht in die Kläranlage pumpen, sondern in den Jadebusen. Mit alles, was da so durchs Klo geht. Letzten Sommer gabs da ziemliche Aufregung, weil die Turisten beim Schwimmen auf einmal gebrauchte Damenbinden und wer weiß was noch alles überm Ohr hängen hatten. Die vonner Stadt fanden das nicht so schlimm, weil sie das schon immer so gemacht haben mit dem Abpumpen. Die Grünen fanden das nur schlimm wegen dem Image, also weil das nicht sonen guten Eindruck macht, wenn das alle wissen mit den Damenbinden. Paar ganz schlaue haben vorgeschlagen, dass die das Abwasser einfach durch ein langes Rohr ganz weit raus in den Jadebusen pumpen sollen. Einer schrieb an die Wehzett, die Menschen seien viel wichtiger als der Nationalpark Wattenmeer mit den Wattwürmern, die es dann da draußen erwischt. Oma hat das beim Frühstück vorgelesen und gefragt, wieso eigentlich Leute Leserbriefe schreiben dürfen, die von nix ne Ahnung haben. Denn erstens schwappt der ganze Schiet mit Ebbe und Flut hin und her, den müssen sie schon auf den Mond schießen, wenn sie ihre Goldbarren und Damenbinden nie wieder sehen wollen. Und zweitens, sagt Oma, landet der Schiet in anderer Form wieder bei uns auf dem Teller, wenn sie das nächste Mal bei ihrem Bekannten im Banter Fischerdorf Granat holt. Ich glaube, so was nennt man Resaikling, wenn wir unseren Abfall bisschen umarbeiten und dann wieder verwenden.
Mit Schwimmengehen sieht das jedenfalls schlecht aus demnächst in Wilhelmshaven, wo wir doch eigentlich so viel Wasser haben. Am Südstrand triffste im Wasser alte Bekannte, der Geniusstrand wird zugeschüttet, der Banter See wird immer pünktlich zur Badesehsong gesperrt, wenn der erste Dackel sich an Blaualgen vergiftet hat. Den wollen sie jetzt vielleicht mit soner Art großem Quirl umrühren, den Banter See, aber ob das was nützt, müssen se erstmal gucken. Und auch das Hallenbad wird zugemacht. Dafür bauen sie gerade ein neues am Sportforum, aber das wird ein Erlebnisbad. Ob man da noch schwimmen kann, weiß ich nicht, und ich erleb so schon im alten Hallenbad genug. Oben an der Tribühne hängt ja ein Schild von der AOK, „treib Sport und du bleibst fit“ oder so. Gesagt, getan, will ich also dreimal die Woche meine 1000 Meter schwimmen, und da bin ich nicht die Einzige. Von den sechs Bahnen ist aber immer schon mal eine abgetrennt, wo die Schwimmclubs trainieren oder Erwachsene schwimmen lernen. Ist ja auch gut so, stand ja gerade in der Zeitung, dass heutzutage mehr Leute beim Baden umkommen als beim Wohnungsbrand. Dann sind aber noch ein bis zwei Bahnen besetzt mit Aquajogging. Das muss so ne Art Sekte sein, jedenfalls gucken da senkrecht die Köpfe aus dem Wasser, was die unter Wasser machen, weiß man nicht, und alle Köpfe bewegen sich ganz langsam in einer Richtung und wieder zurück. Dazu kommt furchtbarer Lärm aus der Musikanlage und die Sektenführerin brüllt immerzu dazwischen. Soll aber, abgesehen vom Lärm, ganz gesund sein, ist also eigentlich auch in Ordnung. Wenns hart kommt, ist der ganze Nichtschwimmerbereich mit Wassergymnasiasten besetzt. Und wennste dann die einzige übrige Bahn durchschwimmen willst, musste dich jedes Mal über die rote Trennleine kämpfen, was nur klappt, wenn sich da nicht gerade kleine Grüppchen zu einem längeren Klönschnack versammelt haben. Ist eigentlich alles in Ordnung, wenn alle ihren Spaß haben, ist aber doof, dass die Langstreckenschwimmer als Einzige keinen Spaß haben und dafür noch vier Euro zahlen. Das liegt daran, dass die Stadt alle Zielgruppen, so nennt man das heute, in einem einzigen kleinen Schwimmbad zur gleichen Zeit unterbringen will und die Badezeit dann auch noch weiter beschränkt. Neulich stand ich an einem normalen Mittwoch nachmittags um 5 oben an der Kasse und die Kassiererin fragte mich von der Teeküche aus, ob ich schwimmen will. Den Witz fand ich gut und ich wollte ihr erst antworten, dass ich gern eine Kinokarte kaufen möchte. Aber sie wollte eigentlich sagen, wir haben schon geschlossen, und sie ist ja eigentlich ganz nett, obwohl sie den ganzen Frust immer abkriegt, und sie kann ja nix dafür, dass Leute, die arbeiten gehen, kaum noch Gelegenheit haben zu schwimmen. Nun bin ich mal gespannt, wie sie das im neuen Bad machen wollen, weil das Schwimmbecken da nur noch 5 Bahnen hat. Vielleicht machen sie ja einen Ideenwettbewerb, da würde ich vorschlagen, dass die Aqua-Sekte auch im Sprungbecken üben kann und die Gymnasiasten im Spaßbecken. Vielleicht gewinne ich ja eine Jahreskarte. Oder ich muss dann nach Varel oder Schortens schwimmen fahren.
Jetzt wird das sowieso noch enger im Schwimmbad wegen der ganzen Neubürger. Gibt jetzt ja sone Agentuhr inner Nordostpassage, wie Oma immer sagt, die fangen die Leute da gleich ein, wenn sie auf Besuch kommen, so ungefähr einen pro Woche. Dafür kriegt die Agentuhr 250.000 Euro im Jahr, und nachher stellt sich raus, dass die Neuen 5000 Euro Kopfgeld pro Nase kosten, hab ich ausgerechnet, aber nix wieder reinbringen, weil das immer so Sozialfälle sind, die will die Stadt hier gar nicht haben, gibts schon genug von. Da hätten sie von dem Geld ja auch ne Schwimmbahn mehr bauen können.
So, jetzt muss ich los, ist gerade Kurzschwimmen für drei Euro.

Bis bald,
deine Edda

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