Dreckschleuder
Erlebt der ökologische Wahnsinn eine neue Blüte?
Wenigen Wilhelmshavenern ist bewußt, was sich hinter der Parole „3000 Megawatt-Kohleverstromungszentrum Wilhelmshaven“ verbirgt. Es geht dabei um nicht weniger als 4 weitere Kraftwerksblöcke von der Größe des bestehenden Kraftwerks auf dem Rüstersieler Groden. Die größte Kohlendioxid- (C02-) Dreckschleuder der Nation, eine Industriekulisse, gegen die die berüchtigten Leunawerke geradezu nostalgisch wirken, eine Abwärmemenge, für die es in mehreren hundert Kilometern Umkreis keine Verwendung gibt. Drähte, Strommasten, Kohleberge, Aschedeponien von nie dagewesener Größe – und das alles bejubelt von Menzel, Maaß und Co.
Aus ökologischer Sicht ist der Plan eine einzige Katastrophe: Mit ca. 20 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr wäre die Anlage der größte Einzelemittent dieses Klimakillers in der BRD. Der Neubau eines solchen Energiegiganten steht in direktem Widerspruch zu international eingegangenen Verpflichtungen unseres Landes, den CO2-Ausstoß bis zum Jahre 2005 um 30 % zu vermindern. Die Stromerzeuger haben dagegen das Argument der „CQ2-Verrechnung“ erfunden. Durch Einsatz besserer Techniken in den ehemaligen sozialistischen. Staaten wollen sie dort CO2 einsparen, diese Einsparungen möchten sie dann mit dem in Wilhelmshaven erzeugten CO2 verrechnen. Statt also ihrer selbstverständlichen Pflicht zu genügen, überall im Kraftwerksneubau modernste Technik einzusetzen, hoffen sie noch immer, mit dem Schicksal der Erdatmosphäre ihren Kuhhandel treiben zu können.
Auch technisch bedeutet diese Planung einen Schritt zurück in die „goldenen Sechziger“, als die Schornsteine noch qualmten. Konventionelle Kraftwerke, wie hier geplant, haben noch immer einen Wirkungsgrad von ca. 45 %, d.h., mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht als Abwärme verloren. Dieses Problem läßt sich nur dadurch lösen, daß die Abwärme zum Heizen oder für einen chemischen Prozeß genutzt wird. In Wilhelmshaven und der weiteren Umgebung aber gibt es keinen Wärmeverbraucher dieser Größenordnung.
Der Wärmebedarf der Stadt mit allen ihren Betrieben könnte allein durch die Abwärme des vorhandenen 720 MW-Kraftwerkes gedeckt werden (wenn der politische Wille dazu vorhanden wäre)! Die über 3500 MW Abwärme des geplanten Kohleverstromungszentrums könnte also nur zur Erwärmung des Jadebusens verwendet werden.
Im Stromverbundnetz der BRD ist Wilhelmshaven ein abseitiger Standort. Der erzeugte Strom müßte also über weite Strecken (Überlandleitungen) transportiert werden. Durch die Leitungsverluste verschlechtert sich der Wirkungsgrad von hier errichteten Kraftwerken noch weiter.
Wilhelmshaven bleiben von dem erzeugten Strom gigantische Gips- und Flugaschedeponien, riesige Kohlenhalden, Schäden für den Fremdenverkehr durch eine utopische Industriekulisse, ungeheuere Starkstromleitungstrassen und der bei der Energieerzeugung in dieser Größenordnung auch nicht gerade geringe Rest an Staub, Kohlendioxid, Stickoxiden (NOx) und anderen Schadstoffen.
Die Verstromung solcher Mengen Importkohle gefährdet die Arbeitsplätze im deutschen Steinkohlebergbau. Geld und Engagement, das in antiquierte Energietechniken gesteckt wird, fehlt für die dringend notwendige Modernisierung der Energiepolitik. Das Potential der Einspartechniken (z.B. Least-Cost-Planning), regenerativen und dezentralen Energiquellen wird blockiert, wenn das Geld in gigantischen (Fehl)Investitionen gebunden ist.
Besonders deprimierend ist die Tatsache, daß sich in Wilhelmshaven kein Widerstand gegen den neuen Größenwahn regt. Beim Bau des 720-MW-Kraftwerkes konnte eine starke Oppositionsbewegung dem Investor für damalige Verhältnisse fortschrittliche Umwelttechniken abtrotzen. Heute scheinen viele Wilhelmshavener ihre Stadt aufgegeben zu haben.
Uwe Anders
Noch kann man es kaum glauben, dass die vor einem knappen Jahr bekanntgewordenen Planungen für den Bau eines 3000 Megawatt-Importkohleverstromungszentrums mehr sind, als nur die spinnerten Ideen eines Energiestammtisches der PreußenElektra.
Doch die Anzeichen mehren sich, dass diese Idee immer mehr Liebhaber in Industrie, Politik und Verwaltung bekommt.
Auslöser für diese Idee ist das Auslaufen des „Jahrhundertvertrages“, in dem sich die Energieerzeuger verpflichteten, den deutschen Kohleproduzenten eine bestimmte Menge deutscher Kohle abzunehmen und gleichzeitig den Anteil der Importkohle gering zu halten. Dieser Vertrag ist jetzt Schnee von gestern – und nun endlich können die Energieunternehmen frei auf dem Weltmarkt wildern.
Importkohle ist entschieden billiger als die heimische Kohle – da heißt es zupacken. Daß dadurch wieder einmal viele Arbeitsplätze zerstört werden, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler: Haben wir es als führende Industrienation denn nötig, tief unten in der Erde Kohle abzubauen? Solche Schwerstarbeit können die im Sozial- und Lohnsystem unterentwickelten Länder wie Polen, USA, Südafrika uns doch gut abnehmen.
Daß die Wilhelmshavener Politiker sich gedanken- und bedenkenlos für ein solches Projekt stark machen, ist nicht verwunderlich. Duldet doch die vom Oberstadtdirektor und seinen Beratern herausgegebene Linie des „Wir nehmen alles“, keine kritische Stimme, weil das angeblich dem Image schadet. Gespannt sein dürfen wir aber auch auf die Reaktion der Grünen. Der nebenstehende Artikel ist vom Ex-Ratsmitglied der Grünen Uwe Anders verfaßt. Die Chancen, daß sich die Wilhelmshavener Grünen gegen das Projekt aussprechen, sind somit gar nicht schlecht. Doch was machen die Grünen in Hannover? Schon bei der Wiederinbetriebnahme der Beta-Raffinerie ließen sie sich vom Koalitionspartner über den Tisch ziehen und ermöglichten ein Wiederanfahren der Raffinerie ohne Berücksichtigung der bestehenden Umweltschutzgesetzgebung.
Von Mitarbeitern des niedersächsischen Wirtschafts- und des Umweltministeriums bekam ich vor wenigen Wochen die Auskunft, daß einem solchen Projekt nur dann zugestimmt wird, wenn klar ist, daß die entstehende Abwärme genutzt wird. Neuere Presseverlautbarungen enthalten diese Bedingung zwischenzeitlich nicht mehr.
Wie gesagt: Wir dürfen sehr gespannt sein, mit welchen Tricks die Landtagsgrünen diesmal übern Tisch gezogen werden.
Hannes Klöpper
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