Klimakiller
Jul 312007
 

Kohle machen mit Kohle

Vier zusätzliche Kohlekraftwerke für den Rüstersieler Groden avisiert.

(jm) Glaubt man Vertretern von Kraftwerksbetreibern des Megawatt-Clans, dann gibt es für die Sicherung unserer Stromversorgung nur zwei Optionen: Atomstrom oder Kohlestrom aus Groß-Kraftwerken. Diese Einstellung überrascht allerdings kaum!


CO2Denn diese bezüglich ihres Wirkungsgrades ineffizienten Stromfabriken haben sich als wahre Euro-Druckmaschinen in den Händen dieses Produzentenoligopols, bestehend aus den Stromkonzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW, entlarvt. Und dies soll nach deren Vorstellungen selbstverständlich so bleiben.
Bis zu dreißig neue Kohlekraftwerke sollen gebaut werden – angeblich zur Überbrückung bis zur Umstellung auf regenerative Energien und Kraftwärmekoppelung. Allein vier sollen, mit dem belgischen Stromkonzern Electrabel zusammen genommen, in Wilhelmshaven gebaut werden. Tatsächlich hätte das Stromoligopol bei einer angenommenen Laufzeit von vierzig bis fünfzig Jahren den Strommarkt auf der Grundlage langfristig bindender Lieferverträge mit Zwischenhändlern wie GEW oder EWE weiter unter Kontrolle. Statt als Überbrückung zu fungieren, würden durch den Bau von neuen Kohlemeilern Fakten geschaffen, die den Umstieg auf die effizientere Kraftwärmekoppelung sowie auf erneuerbare Energien ausbremsen bzw. dem Acht-Punkte-Plan der Bundesregierung (u.a. mehr preisdämpfender Wettbewerb, Reduzierung der Treibhausgase, Ausbau der erneuerbaren Energien) die Spitze nehmen würden. Man kann solche Ziele der energiepolitisch zerrissenen und mit mehr als 100 „Leihbeamten“ aus der Wirtschaft bestückten Bundesregierung also getrost vergessen, wenn die Stromgiganten ihre Kraftwerkspläne mit Hilfe von zuständigen Landesregierungen und Kommunen in die Tat umsetzen. Auf die Politik ist daher wenig Verlass!
Doch die Bürgerinnen und Bürger beginnen sich – übrigens nicht ganz erfolglos wie es scheint – zu wehren: zum einen bundesweit gegen die Abzocke durch selbstherrliche Strompreiserhöhungen und zum anderen örtlich gegen Kraftwerksplanungen an bekannt gewordenen Standorten wie Mainz, Hamburg, Bremen, Krefeld, Lubmin.
In Wilhelmshaven ist es bis auf vereinzelte Stimmen allerdings noch ruhig, obwohl die Stadt schon voll in den Vorarbeiten für die Kraftwerksvorhaben und einen Schüttplatz für Importkohle auf dem Rüstersieler Groden steckt.
Letzterer soll als Zwischenlager für Importkohle hergerichtet werden. Vorgesehen ist, die aus Übersee angelandete Kohle dort in Eisenbahnwaggons umzuladen und zu Kraftwerken im Binnenland zu transportieren. Mit der Abfahrt von täglich acht Kohlezügen mit bis zu 600 Metern Länge wird gerechnet. Ob das bestehende dicht am Alten Voslapper Seedeich jenseits von Voslapp entlangführende Gleis dafür weiter benutzt oder eine neue Trasse durch das Vogelschutzgebiet im Voslapper Groden gelegt werden soll, hat die Stadt noch nicht geklärt.
Für den um ein Vierfaches gesteigerten Kohleimport will man die Niedersachsenbrücke fit machen. Mehr als doppelt so große Kohlefrachter als bisher sollen daran anlegen können. Statt bislang rund eineinhalb Millionen sollen dort künftig rund sechs Millionen Tonnen Steinkohle jährlich gelöscht werden. Zur Steigerung der Umschlagleistung ist ein zweiter Kran vorgesehen.
Vom Kohleimport soll ein Anteil von insgesamt 3,5 Millionen Tonnen in dem bestehenden sowie in den zwei vorerst geplanten Kraftwerken auf dem Rüstersieler Groden verfeuert werden, von E.ON und von Electrabel je eines mit 1.100 bzw. 800 Megawatt (MW) Feuerungswärmeleistung. Zum Vergleich: Das bestehende Werk kommt auf ca. 750 MW und verbraucht dafür die o.a. eineinhalb Millionen Tonnen. Die beiden zusätzlichen Kohlemeiler könnten schon recht bald beantragt werden. Darüber hinaus haben E.ON und Electrabel die Option für je einen weiteren Kraftwerksblock.
Die Electrabel möchte die Bauleitpläne der Stadt bis März auf dem Tisch haben, um (evtl.) schon im nächsten Jahr mit dem Bau beginnen zu können. Allerdings muss zuvor u.a. noch ein öffentliches Immissionschutzverfahren durchgeführt werden…
Auch die Betreiberin der Niedersachsenbrücke – die Firma Rhenus Midgard – möchte grünes Licht von der Stadt, um (evtl.) mit der Erweiterung eines Kohlezwischenlagers auf dem Rüstersieler Groden beginnen zu können. Schon am kommenden 1. Januar will sie den Betrieb mit einem Durchsatz von anfangs 500.000 Tonnen pro Jahr aufnehmen. Mittelfristig sollen dort 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr zwischengelagert werden.
Trotz dieser umfangreichen Vorbereitungen vor ihrer Haustür scheinen die Rüstersieler BürgerInnen wohl noch darauf zu warten, dass jemand die Initiative für eine Zusammenkunft ergreift. Immerhin hat sich schon mal eine Bürgerin ein Herz gefasst und ihre Besorgnis in einem WZ-Leserbrief zum Ausdruck gebracht. Ein Anfang?
Zwar gibt die Stadt hinsichtlich zu erwartender Umweltbelastungen Entwarnung und beruft sich dabei auf eine noch in Arbeit befindliche Machbarkeitsstudie: „Es wird voraussichtlich für die ersten Ausbaustufen von Eon und Electrabel sowie Rhenus Midgard keine Probleme bei der Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Werte geben.“ (WZ, 15.07.07)
Doch Machbarkeitsstudien werden für (nicht gegen) ihre Auftraggeber verfasst. Und selbst wenn die noch vorzulegenden gutachterlichen Belege im grünen Bereich liegen und diesbezüglich unanstößig sein sollten, so hieße das lediglich, dass die auf die BürgerInnen zukommenden Störfallrisiken und Immissionsbelastungen mit Lärm, Staub, Abgasen usw. noch als legal gelten bzw. sich im Rahmen der gesetzlichen Zumutbarkeit halten. Eine Wertminderung des Wohneigentums ist in jedem Falle zumutbar.
Es lohnt sich also auch für die direkt Betroffenen, sich beizeiten auf das Kommende vorzubereiten, um den Kraftwerksprotagonisten gewappnet entgegentreten zu können. Auch könnten sonstige, nicht unmittelbar Betroffene schon mal darüber nachdenken, ob sich z.B. Spitzenlast-Gaskraftwerke oder Luftdruckspeicheranlagen besser mit der schon bald in der Nordsee installierten Windenergie ergänzen als neue, nur für die gleichmäßige Grundlastversorgung geeignete Kohle- oder gar Atomkraftwerke. Oder ob man statt dieser teils klimaschädlichen, teils gemeingefährlichen Großtechnologie wesentlich energieeffizientere Blockheizkraftwerke unter Einsatz von Erdgas- oder Biobrennstoffen bauen sollte. Aus unserem Rathaus ist wohl nichts dergleichen zu erwarten.
Die hiesigen Kraftwerksplaner gehen übrigens davon aus, dass der Kühlwasseraustausch der Kraftwerke weiter über die Jade stattfinden kann. Dabei wird es schon für das bestehende Kraftwerk bei Realisierung des JadeWeserPorts eng. Denn das in die Jade zurückgepumpte erwärmte Kühlwasser kann dann bei Ebbstrom nur noch ungenügend abfließen, wodurch die Temperatur am Kühlwassereinlauf am Rüstersieler Deich ansteigt. Dies kann dann in Sommermonaten zu Kraftwerksabschaltungen führen. Zwar haben die E.ON und die JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft angeblich eine Lösung für das Problem gefunden – durch zusätzliche Baumaßnahmen, mehr ist nicht bekannt.
Auch insoweit dürfte es für die mitdenkenden BürgerInnen interessant sein, wie die Abwärmeprobleme der neuen Kraftwerke gelöst werden sollen, falls das hinzukommende erwärmte Wasser nicht in die Jade zurückgepumpt werden kann.
Vielleicht wäre es ja möglich, stattdessen

  • ein Fernwärmenetz aufzubauen oder
  • durch einen Kühlwasseraustausch mit dem zukünftigen Flüssiggas-Terminal gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, denn der Terminal braucht dann nicht extra ein Wärmekraftwerk für die Verdampfung des Flüssiggases zu errichten.

Auf einem Scoping-Termin wurde jedoch von der Electrabel zur Diskussion gestellt, den Wärmeüberschuss des Kesselwassers ihres im nördlichen Teil des Rüstersieler Groden geplanten Werks über einen riesigen Kühlturm abzuleiten. Der Betrieb von Kühltürmen bringt neben dem unschädlichen, aber weithin sichtbaren weißen Wasserdampf allerdings zusätzliche Lärmbelastungen mit sich. Und das in so großem Maß, dass nur unter Schwierigkeiten die gesetzlichen Grenzwerte in Teilen von Rüstersiel und Voslapp eingehalten werden können.
Es wäre daher kaum falsch, den Planern beizeiten auf die Finger zu schauen, um sich gegen eventuelle Zumutungen der Vorhabensträger sachgerecht zur Wehr setzen zu können.

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