(red) Am 24. Juni1 soll der Rat über den Standort für eine neue Stadthalle entscheiden. Führende Stimmen aus Rat und Verwaltung hatten von vorn herein einen Neubau im Banter See Park südlich der Emsstraße im Blick. Ein Gutachterbüro aus München wurde beauftragt, diesen Standort zu bewerten und mit der Option eines Um- bzw. Neubaus am jetzigen Standort Peter-/Grenzstraße zu vergleichen. Ergänzend wurden vier weitere Standorte untersucht. Im Ergebnis favorisieren auch die externen Gutachter die Fläche am Banter See. Aus Hallen-planerischer Sicht ist sie ein großer weißer Fleck, auf dem sich problemlos ein großes ebenerdiges Gebäude (ca. 7.000 m²) zuzüglich der erforderlichen Park- und Verkehrsflächen (ca. 10.000 m²) realisieren ließe. Aus gesamtplanerischer Sicht hat die Sache allerdings einen großen Haken: Den Banter See Park wird es danach nicht mehr geben, alternative touristische Perspektiven wären damit ein für alle Mal verbaut.
Der Standort für die neue Stadthalle wird auch in der Bevölkerung intensiv diskutiert. Vielen ist der Banter See Park mit seinen jetzigen Möglichkeiten ans Herz gewachsen. Regelmäßig fand dort ein großes Osterfeuer statt, er bot Platz für das internationale Ballon-Meeting und für Open-Air-Konzerte. Weil solche intensiven Nutzungen nur gelegentlich und kurzzeitig stattfinden, hat sich das Brachland, das durch den Abriss der Banter Kasernen entstand, naturnah entwickelt. Es ist keineswegs eine „weiße“ Fläche, die nur darauf wartet, versiegelt und überbaut zu werden.
Am östlichen Ende entsteht gerade das Trilaterale Weltnaturerbe Wattenmeer Partnerzentrum (TWWP). Mit diesem Leuchtturmprojekt wird Wilhelmshaven zum Zentrum der Welterbestätte, die sich als größtes zusammenhängende Wattgebiet der Welt vor der niederländischen, deutschen und dänischen Nordseeküste erstreckt. Passend dazu wird am westlichen Ende des Banter See Parks die weltweit renommierte Forschungsstation an der Flussseeschwalben-Kolonie zu einem öffentlichen Informations- und Bildungszentrum ausgebaut. Als Langstrecken-Zieher sind Seeschwalben ein Symbol für die zentrale Bedeutung des Wattenmeeres auf der internationalen Vogelzug-Route.
Der zwischen diesen beiden Institutionen liegende Bereich bietet bestes Potenzial für eine natur-touristisch ausgerichtete Entwicklung. Im östlichen Teil befindet sich eine große Wiese, auf der bislang die oben erwähnten Veranstaltungen stattfanden. Westlich schließt sich ein Bereich an, der von Bäumen und anderen Gehölzen sowie Gras- und Stauden-Fluren geprägt ist. Bestechend ist vor allem die Allee aus prächtigen Mehlbeer-Bäumen, die sich an einem schmalen asphaltierten Weg von der Wiese aus, vorbei am Jade-Innovationszentrum, bis zur Seeschwalben-Kolonie zieht, wo sie auf den Uferweg am Banter See trifft. Naturkundlich interessierte Menschen erfreuen sich hier an zahlreichen Brutvögeln und einer vielfältigen Pflanzen- und Insektenwelt.
Auf baunetz.de findet sich ein Bericht über den internationalen Architektur-Wettbewerb für das TWWP, mit einer Bildergalerie, die neben den Entwürfen für das Gebäude auch die dazugehörigen Freiraum-Planungen für den Banter See Park zeigt. Interessant ist, dass alle Entwürfe den vorhanden Grünbestand aufgreifen und in die Gestaltung integrieren. Insbesondere fällt jeweils eine baumbestandene Ost-West-Achse ins Auge, die oben beschriebene vorhandene Allee spielt also in den Wettbewerbsvorschlägen eine zentrale Rolle.
Entlang der Emsstraße sehen die Gestaltungsentwürfe durchaus eine bauliche Nutzung inklusive Parkplätzen vor. Immer wieder taucht auch eine „Mehrzweckhalle“ auf, die allerdings deutlich kleinere Dimensionen hat als die jetzt seitens der Stadt geplante Stadthalle. Südlich davon bleibt in den Wettbewerbs-Entwürfen ausreichend Freiraum für eine naturnahe Gestaltung (z. B. Dünen-Biotope) mit passenden Erholungs- und Erlebnismöglichkeiten (z.B. Spielplatz, Boule-Bahnen).
Mit einer Gestaltung, die sich an den Vorschlägen international renommierter Fachleute für Architektur und Freiraum-Planung orientiert, wären die beiden Weltnaturerbe-Leuchttürme „Partnerzentrum“ und „Seeschwalbenkolonie“ in ein Gesamtkonzept eingebunden. Sie brauchen ein ökologisch gestaltetes Umfeld. Von der öffentlich zugänglichen Dachterrasse des TWWP eröffnet sich dann Richtung Süden der Blick über den Jadebusen, die größte Bucht im Nationalpark und Weltnaturerbe, Richtung Westen über einen naturnah gestalteten Erlebnis- und Erholungsbereich. Mit Erhalt und Entwicklung der Allee wäre gleichzeitig ein gut 1 km langer Rundweg gegeben (was touristisch spannender ist als ein Hin- und Rückweg auf gleicher Route). Besucher*innen würden an Gras- und Staudenbiotopen vorbei unter alten Bäumen entlang bis zur Seeschwalbenkolonie spazieren, dort die Ausstellung besuchen und dann am Ufer des Banter Sees zurückwandern, wo viele Wasservögel zu entdecken sind.
Vom TWWP aus ließe sich ein „Weltnaturerbe-Weg“ dann an der Jadeallee weiter bis ans Wattenmeer und Richtung Osten am Deichfuß entlang fortsetzen, wo man im Wechsel der Gezeiten im Watt rastende Vögel oder bei Hochwasser Seehunde und Schweinswale entdecken kann. Im Welterbe Besucherzentrum am Südstrand (dem dritten Leuchtturm der Wilhelmshavener Weltnaturerbe-Route) kann zum Abschluss die Einblicke und Kenntnisse über den einzigartigen Lebensraum weiter vertiefen.
Im hart umkämpften Tourismus-Markt könnte sich Wilhelmshaven mit der hier möglichen Kombination von Natur- und Städtetourismus profilieren. Wir sind gespannt, was der Rat daraus macht.
Alleinstellungsmerkmal statt Beliebigkeit
Durch eine Stadthalle plus Parkplätze wäre ein wesentlicher Bereich (ca. 17000 m²) des jetzigen Banter See Parks unwiederbringlich verloren, verbaut, versiegelt. Seit jeher fehlt in der Stadtplanung eine klare Zielrichtung. Das spiegelt sich auch in dem Hin und Her um die weitere Entwicklung des Banter Sees wider. Da gab und gibt es hochfliegende Ideen: von gehobenen Wohnbauten im Banter See Park (der Investor sprang ab, nachdem mit einer halben Million öffentlichen Mitteln dafür extra ein Bunker abgerissen wurde); am gegenüberliegenden Ufer Abriss der Kleingärten zugunsten von Ferienwohnungen (derzeit wieder vom Tisch); auf der Sandfläche (gesetzlich geschütztes Biotop) hinterm Naturfreibad Klein Wangerooge ein betonierter Wohnmobilstellplatz (leider noch nicht vom Tisch). Andererseits ein Ufer-Rundweg, der teilweise durch Kleingärten, teilweise durch den landschaftlich besonders schönen Bereich am süd-westlichen Ufer führt. Was darf es denn nun sein? Ein Stadtsee wie die Binnenalster, umgeben von großen Gebäuden? Dieses eher urbane Wasser-Ambiente, das durchaus seinen Reiz haben kann, bietet schon der Große Hafen. Mit der geplanten Terrassen-Treppe vorm Küstenmuseum und Museums-Schiffen (Ratsbeschluss) wird diese Entwicklung konkretisiert.
Direkt angrenzend eröffnet gerade ein naturnah gestaltetes Banter-See-Ufer einen reizvollen Kontrast. Gleichzeitig werden durch das Nebeneinander von „urban“ und „Natur“ auch verschiedene touristische Zielgruppen angesprochen. Das Prädikat „Weltnaturerbe“ ist ein großes Pfund, mit dem Wilhelmshaven viel stärker arbeiten sollte als bisher. Die Projekte TWWP und Flussseeschwalbenkolonie werden in der Summe mit mehreren Millionen Euro aus Landes-, Bundes- bzw. EU-Mitteln gefördert. Einen dickeren „roten Teppich“ für nachhaltigen Welterbe-Tourismus kann man kaum ausrollen. Das ATLANTIC-Hotel hat die Zeichen der Zeit erkannt und bekennt sich als Nationalpark-Partner zu einer (auch ökonomisch) nachhaltigen Zukunft. Wenn die Verantwortlichen der Stadt diese Chance nicht ebenfalls ergreifen, sondern an dieser Stelle durch einen klotzigen Zweckbau konterkarieren und verspielen, wäre das ein weiterer trauriger Meilenstein in einer Kette von Entscheidungen jenseits eines klaren, schlüssigen Konzeptes.
Wohin mit der Stadthalle?
Für die Planung einer Stadthalle gibt es viele Aspekte zu berücksichtigen. Der Verein zum Erhalt Wilhelmshavener Baukultur e.V., dem versierte und erfahrene Fachleute für Stadtplanung angehören, hat hierzu Überlegungen und Analysen erarbeitet. Der auf der Website des Vereins veröffentlichte Bericht macht u.a. auch zeichnerisch deutlich, wie sich der Bau der Stadthalle am Banter See auf die Gesamtgestaltung auswirken würde. Alle, die an der Diskussion interessiert sind, vor allem aber die Mitglieder des Rates sollten sich vor der Entscheidung dieses erhellende Dokument zu Gemüte führen. http://baukultur-whv.org/stadthalle.html
1 Anmerkung (Aktualisierung): Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags stand laut einem Bericht in der Wilhelmshavener Zeitung dieser Termin für einen Ratsbeschluss im Raum, die Tagesordnung der Ratssitzung am 24.6. war noch nicht veröffentlicht. Nach Stand vom 22.6. steht nun zunächst keine Beschlussvorlage, sondern ein Antrag für eine Bürgerbefragung zum Standort der neuen Stadthalle auf der Tagesordnung.
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