Gedenken zum Antikriegstag: "Den Krieg nicht einfach wegschalten"
(iz) Anlässlich des Antikriegstages am 1. September luden der DGB Stadt Wilhelmshaven, das Jugendparlament und das Jugendteam „Haven84“ der St. Willehad-Gemeinde zur Mahnveranstaltung am Wilhelm-Krökel-Platz mit Kranzniederlegung und anschließendem Gedenkmarsch zum Synagogenplatz ein. Die Veranstaltung war gleichzeitig Auftakt zum Projekt „Unser Frieden“ von und mit Jugendlichen unserer Stadt.
Axel Opitz, Vorsitzender des DGB Stadtverbandes Wilhelmshaven, zog eine ernüchternde Bilanz des weltweiten Wettlaufs von Aufrüstung und Abschreckung, bei dem die aktuelle Bundesregierung eine traurige Rolle spielt. „Für dieses internationale Wettrüsten wurden im letzten Jahr weltweit unfassbare 1644 Milliarden Euro ausgegeben“, so Opitz. Deutschland steht auf dem 7. Platz der Länder mit den meisten Rüstungsausgaben. Der Verteidigungshaushalt liegt in diesem Jahr bei knapp 47 Milliarden Euro und weist mit einem Plus von über 5% die größten Zuwachsraten auf. Laut der von Angela Merkel unterstützen NATO-Zielvorgabe sollen es bis 2030 2% des Bruttoinlandprodukts sein, das entspräche einer weiteren Erhöhung des Wehretats um 20 Milliarden Euro.
Klare Worte fand Opitz zu den aktuellen Geschehnissen in Afghanistan: „Afghanistan steht für das Scheitern einer Politik, die an dem Irrglauben festhält, demokratische Staatlichkeit ließe sich mit militärischen Mitteln durchsetzen. Nach über 20 Jahren des Einsatzes internationaler Truppen in Afghanistan unter Führung der USA stehen das Land und seine Menschen am Abgrund“. Der Westen habe sich mit fragwürdigen Warlords verbündet und tatenlos zugesehen, wie die wechselnden Regierungen in Kabul die bereitgestellten Hilfsgelder in die eigenen Taschen umleiteten.
Opitz benannte die Eckpfeiler einer dringend notwendigen anderen Sicherheitspolitik: Entspannung und Kooperation statt Konflikt und Konfrontation – soziale statt militärische Sicherheit – Konfliktvermeidung und Krisenprävention – und: „Eine Sicherheitspolitik, die Fluchtursachen bekämpft, statt immer neue Fluchtursachen zu schaffen. Ständig steigende Militärausgaben lösen keine Probleme – im Gegenteil: Sie halten uns gerade in diesen Zeiten des Wandels davon ab, die drängendsten Problem zu lösen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken“. Die Gewerkschaften erwarten von der nächsten Bundesregierung, von allen daran beteiligten Parteien, dass sie klar Position beziehen für Abrüstung und Entspannung.
Daniela Surmann, Pastoralreferentin der katholischen Gemeinde St. Willehad, verurteilte in ihrer Rede, „wie rechtsradikale Mitbürger:innen mit unseren Gästen umgehen“. Sie erinnerte an „die christliche Botschaft des Abgebens und Teilens“ und ermahnte zur Solidarität mit Bedürftigen und Flüchtlingen: „Ich hoffe, dass das Christentum aus seinem Dornröschenschlaf erwacht!“
Nach der Kranzniederlegung am Krökel-Denkmal zogen die etwa 70 Teilnehmenden in einem Gedenkmarsch über die Marktstraße zum Synagogenplatz. Dort machte Oberbürgermeister Carsten Feist in eindrücklichen Bildern deutlich, wie der Krieg in Afghanistan und anderswo auf unsere Behaglichkeit trifft. In einem Tagesschau-Bericht über die Lage in Kabul habe er in den Gesichtern der Menschen gesehen, „was nach der nackten Verzweiflung kommt.“ Die Fernbedienung in der Hand, war sein erster Reflex: wegschalten. Doch: „Die Menschen dort fürchten nicht um ihre Existenz – sie fürchten um ihr Leben“, und davor könnten und dürften wir uns nicht wegducken.
Im vergangenen Jahr, so Feist, gab es weltweit 29 Kriege (Quelle: Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Uni Hamburg1). Weltweit sind 100 bis 150 Millionen Menschen auf der Flucht. Die Bilder davon erreichten uns in der Presse, im Fernsehen, im Internet – und lassen viele immer mehr abstumpfen. Parallel dazu sieht Feist mit Sorge „den Krieg der Worte in den sogenannten sozialen Medien“. Auch dort sei die alltägliche Verrohung zu beobachten, „Instagram, Facebook & Co. sind ein guter Nähr- bzw. Resonanzboden für kriegerische Auseinandersetzungen.“ Aktuell sei im Zusammenhang mit der Diskussion um die Sicherheit und Rettung der Ortskräfte, Frauenrechtler:innen und anderer akut bedrohter Menschen in Afghanistan zu lesen und hören, 2015 dürfe sich nicht wiederholen. „Diese Floskel ist an Dummheit kaum zu übertreffen“. Feist forderte dazu auf, in solchen Diskussionen „auch verbal mal ein wenig abzurüsten, denn man kann Menschen auch mit Worten vernichten“.
Beim Einsatz für Frieden und Menschenrechte sieht Feist Wilhelmshaven bzw. seine Bürger:innen gut aufgestellt, doch es gelte, achtsam zu bleiben.
In seiner abschließenden Rede erklärte Matthew von Fintel, Vorsitzender des Jugendparlamentes, er sei froh, in heutigen Zeiten aufzuwachsen. „Vor 80 Jahren hätten wir eine solche Demo gegen den Krieg nicht veranstalten können“. Seit 1946 habe es auf der Welt keinen einzigen Tag Frieden gegeben. „Die vielen Kriege scheinen geografisch weit weg zu sein, aber wir sind daran nicht unbeteiligt“. Unter der derzeitigen Bundesregierung (2016-2021) habe Deutschland Waffenexporte im Wert von 3 Milliarden Euro getätigt, allein 586 Mio davon durch Lieferungen an Saudi-Arabien.
Mit Blick auf die bevorstehenden Kommunal- und Bundestagswahlen erinnerte von Fintel daran, dass das Wahlrecht eines der wichtigsten Rechte ist. Antidemokratische Parteien zu wählen sei ebenso fatal wie nicht zu wählen. Das Jugendparlament lädt am 6. und 14. September zu Podiumsdiskussionen mit den Kandidierenden ein.
Die Podiumsdiskussionen des Jugendparlamentes finden im Rahmen der Projekttage „Unser Frieden“ statt. Termine:
4./5.9.: Graffiti Workshop im Haven84 (Schulgebäude Bremer Straße 84)
6.9.: Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl (19 Uhr, Pumpwerk)
14.9.: Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl (19 Uhr, Pumpwerk)
18./19.9.: Rap-Musik Workshop (Haven 84)
11.-15.10.: Missio Fluchttruck (Parkplatz Franziskusschule, bei Interesse E-Mail an haven84@mail.de)
9.11.: Veröffentlichung Song und Musikvideo der Band Watt’n Beat
9.11.: Eröffnung der Ausstellungen zu den Klassenprojekten der Cäcilienschule (St. Willehad-Kirche), nachfolgend Präsentation in der Banter Kirche und der Christus- und Garnisonkirche.
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