Kandidatenkarussell
Jun 071993
 

Menzel schrödert

SPD-Kandidaten zur Bundestagswahl: Iwersen, Menzel, Heußen, Siefken und – der Joker?!

(hk) Viele, die nach der SPD-Wahlkreis-Delegiertenkonferenz in der Stadthalle glaubten, daß die Partei das Diskutieren und Streiten verlernt hat, wurden in den letzten Wochen eines besseren belehrt: Es brummt in der SPD. Die Wahl des Bundestagskandidaten für den Wahlkreis 21 steht für den 16. Oktober auf dem Programm.

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Gabriele Iwersen

Nur knapp gelang es der Ehrenberg-Nachfolgerin Gabriele Iwersen 1990, den Wahlkreis für sich zu gewinnen. Ganze 1.232 Stimmen (1,1%) lag Frau Iwersen vor ihrem CDU-Mitbewerber Maaß.
Sich an dieses Ergebnis erinnernd, steht Wilhelmshavens OB Menzel auf, um gegen den aus dem friesischen Sande sich zu Wort meldenden Günther Heußen („2 Jahre war ich Soldat, das ist für die Region auch wichtig“) die „Wilhelmshavener Farben hochzuhalten“. Nun meldet sich auch noch, wenn auch mit leiser Stimme, Renke Siefken aus Marx zu Wort. Alle drei wollen für unseren Wahlkreis die SPD im nächsten Bundestag vertreten.
Das alles, ohne daß Gabriele Iwersen je erklärt hat, daß sie kein Interesse mehr an einer Kandidatur hat. Frau Iwersen, wohl auch etwas überrascht von der plötzlichen Konkurrenz: „Eigentlich kann es gar nicht angehen, daß jemand gegen mich antritt.“
Schon früh wird klar, daß Iwersen in Wilhelmshaven nicht nur gegen Eberhard Menzel antreten muß, sondern auch gegen die Wilhelmshavener Zeitung. Die läßt jedenfalls keine Chance aus, in Kommentaren und Aufmachern die Leistungen von Frau Iwersen möglichst schlecht darzustellen.
Vor dem Unterbezirksvorstand begründet Eberhard Menzel seine Kandidatur unter anderem damit, daß Gabriele Iwersen die Stimmen aus Friesland und Wittmund gegen sich habe. Eine Behauptung, die, wie uns SPD-Genossen aus Friesland und Wittmund berichteten (selbst wenn Heußen und Siefken kandidieren würden), gegenstandslos ist.

Mangelnde Präsenz an der Basis
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Eberhard Menzel

Eine weitere Begründung für die Gegenkandidatur lieferte Menzels Ortsverein Heppens: Dadurch, daß es Gabriele Iwersen nicht gelungen sei, Inhalte sozialdemokratischer Politik den WählerInnen näherzubringen, und durch ihre mangelnde Präsenz an der Basis, sei das Direktmandat nicht mehr gesichert.
Auf dem Unterbezirksparteitag der SPD am 5.6.93 bekommt Menzels „Schröderei“ erst einmal einen kleinen Dämpfer: Seine Rede wird von (vereinzelten) Pfiffen und Buh-Rufen begleitet. Im Gegensatz zu Gabriele Iwersen bekommt er nur einen mehr als schwachen Applaus. Der größte Teil der Basis ist stinksauer über Menzels Vorpreschen und über seine unkollegialen Attacken gegen Iwersen.
Die Ausführungen des UB-Vorsitzenden Peter Junklewitz, ungewohnt engagiert vorgetragen, finden nicht so die richtige Resonanz bei den GenossInnen. Auch er betreibt Wahlforschung: In Wittmund hat Frau Iwersen überhaupt keine Chance, Friesland ist dreigeteilt, und in Wilhelmshaven gibt es zwei Gruppen: Eine für Eberhard, eine für Gaby.
In Gesprächen auf dem Parteitag wird deutlich, daß es in den Ortsvereinen (noch) eine ordentliche Mehrheit für Gaby Iwersen gibt. Doch in dem mehr scherzhaft gemeinten Vorschlag eines Delegierten im Foyer des „Dreimädelhauses“ steckt auch eine gehörige Portion Resignation: „Die sollen doch eine Kandidatenfindungskommission gründen: Ehrenberg, Theilen und Hans-Jürgen Schmid von der WZ.“
Während viele SPD-Ortsvereine darüber klagen, daß sie nicht einmal einen Kandidaten für den Bundestag finden, gibt es in unserem Wahlkreis gleich vier. Ob die SPD hier oben ein solches Gerangel durchstehen kann, ohne den von der Bundespolitik ehe schon vorhandenen Schaden noch zu vergrößern, muß bezweifelt werden.

Grabenkampf

Durchstehen könnte die SPD es, wenn die Auseinandersetzungen auf einer politischen Ebene geführt würden. Doch das, was unser Oberbürgermeister in seinem Antwort-Leserbrief an den Geschäftsführer der Industriegewerkschaft Bau abgelassen hat, läßt vermuten, daß die Auseinandersetzung sich zu einem Grabenkampf entwickelt.

Holger Ansmann

Auch in der SPD gibt es Leute, die durch den KandidatInnentanz am WählerInnenhorizont Schaden für die SPD sehen. Und sie haben auch schon einen Joker für die Bundestagswahl in der Tasche: Holger Ansmann, ehemaliger Betriebsratsvorsitzender der AEG Olympia und immer noch auf Arbeitssuche – ein über die Grenzen Wilhelmshavens, Wittmunds und Frieslands wohlgelittener Mann – er könnte, bei Verlust des Mandates für Gabriele Iwersen, die Partei aus dem Dreck ziehen.

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