Kaiser Wilhelm
Okt 272005
 

Hofknicks

Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben…

(hk) Viele WilhelmshavenerInnen mochten am 16. September 2005 bei der Lektüre der Wilhelmshavener Zeitung ihren Augen nicht trauen und brachen (zumindest zum Teil) in lautes Lachen aus. Stand da doch zu lesen, dass „S.K.H. Christian Sigismund Prinz v. Preußen“ prominentestes Gründungsmitglied der in Wilhelmshaven gegründeten „Gesellschaft für wilhelminische Studien“ sei. S.K.H steht nun wirklich für „Seine Kaiserliche Hoheit“!

 Moselstr Nun mochte man denken, dass der WZ-Redakteur sich da einen Spaß draus gemacht hat – aber WZ-Redakteure machen keine Späße, wenn es um den Kaiser geht. Auf der Seite 3 der gleichen Ausgabe wird dann noch eine weitere Hoheit ausgemacht: S.K.H. Kuno Herzog von Oldenburg.Nahestr
Doch leider ist das alles gar nicht so witzig, wie es den Anschein hat, denn die „Gesellschaft für wilhelminische Studien“ (GfWS) hat es sich zum Ziel gesetzt, das angeknackste Image des letzten deutschen Kaisers zu reparieren. Es sei endlich an der Zeit, so ist aus dem majestätischen Zirkel zu hören, den Künstler und Kunstliebhaber, den Schöngeist Wilhelm II. der Öffentlichkeit näher zu bringen.
Nicolaus Sombart, der schon in seinem 1996 erschienen Buch „Wilhelm II. – Sündenbock und Herr der Mitte“ nur unvollkommen die Reinwaschung des Kaisers betrieb, in dem 2003 erschienenen Buch „Wilhelm II. und Wilhelmshaven“:
„Wilhelm II. – der perfekte Akteur als Herr der Mitte, erfuhr das Schicksal, Sündenbock des deutschen Missgeschicks zu werden. Dazu gehört das negative Bild, das von ihm überliefert ist. Die Schwierigkeit, es zu revidieren – und ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, liegt darin, dass es notwendig ist, dafür das Bild der deutschen Geschichte zu revidieren. In erster Linie das Bild, das von Bismarck ins kollektive Unbewusste eingeschrieben ist. Die Demontage des Bismarck-Mythos, inklusive einer Revision der Geschichte des zweiten Reiches, ist die notwendige Voraussetzung für eine angemessene Würdigung seines Opfers. Auch das gehört zu unseren Aufgaben, die wir Wilhelm II. Gerechtigkeit widerfahren lassen wollen. Vielleicht ist die Zeit endlich reif dafür.“
Oder wie es die WZ im Mai 2005 ausdrückte: „Die Ära von Kaiser Wilhelm II. ist als wilhelminisches Zeitalter in die Geschichte eingegangen und bislang eher einseitig betrachtet worden. Insbesondere die kulturgeschichtliche Dimension wurde bislang ganz erheblich vernachlässigt.“
AllerstrIn meiner Kindheit hörte ich oft den Satz, dass ja nicht alles, was die Nazis gemacht hatten, schlecht gewesen sei. So hätten sie doch zum Beispiel die Autobahnen gebaut.
Auf diesem Niveau versucht nun auch die GfWS „ihren“ Kaiser rein zu waschen.
Warum wird diese Gesellschaft gerade in Wilhelmshaven gegründet? Die fachliche Kompetenz dafür ist es sicherlich nicht. Denn weder Dr. Jens Graul noch J.M. Henneberg können sich hier als wirklich kompetent ausweisen. Es steckt wohl eher das ungeheuere Minderwertigkeitsgefühl Wilhelmshavens dahinter. Wilhelmshaven, eine Stadt ohne Gesicht und ohne Geschichte. Und dann auch noch so eng mit einem Kaiser verbunden, an dem die Geschichtsschreibung kaum ein gutes Haar lässt. Wilhelmshaven sieht hier wohl die Möglichkeit, den mit der Aufstellung des Denkmals Wilhelms I. (des Großvaters Wilhelms II.) beschrittenen Weg zur Restaurierung des Ansehens des Kaiserreichs zu weiterzuführen und zu verbreitern.
Und in Wilhelmshaven hat sich seitdem ja viel in diesem Sinne getan. Die Straßen in der östlichen Südstadt bekamen inoffiziell ihre alten Namen wieder und heißen jetzt Kaiserstraße, Wilhelmstraße, Kronprinzenstraße … Einmal im Jahr trifft sich die Zweitklassigkeit in Kaisers Gedenken zu einem „opulenten Frühstück“, man spricht plötzlich wieder von der Kaiserachse, wenn von der Grünanlage zwischen Ebert- und Viktoriastraße die Rede ist.
Auch der Wilhelmshavener Hafen würde dem Kaiser gefallen. Seit dort das Marinemuseum ansässig ist, hat sich das Bild des Hafens wieder ins Militaristische verwandelt. Besonders das Museumsexponat „Mölders“ (ausgerechnet ein Schiff mit dem Namen des von Hitler persönlich ausgezeichneten Legion-Condor-Kämpfers Werner Mölders) bestimmt seit einigen Monaten das ehemals doch eher friedliche Hafenbild.
Die kaiserliche Ausrichtung der städtischen Politik ist gleichzeitig auch ein Unterdrückungsmechanismus für die aufklärerische Arbeit von Gruppen und Arbeitskreisen, die sich nach vorne gerichtet mit der Geschichte der Stadt Wilhelmshaven befassen. Hier geht die Angst um, dass „letztendlich alles erstickt wird“ (Hartmut Büsing, Historischer Arbeitskreis).
Nun handelt es sich bei der GfWS, wie Gründungsmitglied Jörg Michael Henneberg (stellv. Vorsitzender der Oldenburgischen Landschaft) richtig bemerkte, nicht um einen „royalistischen Fan-Club“, es handelt sich bei den Mitgliedern (soweit sie dem Verfasser bekannt sind) nicht um Monarchisten, die wirklich wieder einen Kaiser an die Spitze des Staates setzen wollen. Aber die Herren um Henneberg und Graul treiben ein gefährliches Spiel – und das Image der Stadt Wilhelmshaven wird durch diese Aktionen gehörigen Schaden nehmen.

Auszug aus einem Brief des Oldenburger Journalisten Klaus Dede an Oberbürgermeister Eberhard Menzel vom 23.7.2005
Wilhelmshaven ist heute eine Stadt mit einem enormen Freizeitwert vor allem für denjenigen, der irgendeinen Wassersport betreibt. Beeindruckend sind auch die umfangreichen Parkanlagen der Stadt, dann die wissenschaftlichen Einrichtungen, kurzum: Der ehemalige Kriegshafen macht einen sehr friedlichen und zivilen Eindruck, aber er verleugnet seine Tradition. Die ist nun in der Tat weitgehend identisch mit der Geschichte der deutschen Marine, insbesondere aber der Hochseeflotte Wilhelms II., und die war ein Instrument des deutschen Imperialismus und damit einer der Gründe, die zum Ersten Weltkrieg führten. Aber was übel gedacht war, endete mit der Revolution von 1918, führte also zum Sturz der Monarchie und damit zur Konstituierung der ersten deutschen Republik. Meinen Sie nicht, dass Wilhelmshaven stolz darauf sein könnte, der Ort zu sein, an dem die deutsche Demokratie ins Leben trat?
Was aber erinnert an das einzige Ereignis von nationaler Bedeutung, das in Wilhelmshaven stattgefunden hat?
Wenn ich das richtig sehe: nichts!
Warum schämen Sie sich dieses Vorgangs?
Wenn wir heute in einem demokratischen Rechtsstaat leben, wenn wir eine Verfassung haben, die uns allen den Auftrag gibt, im Innern die Menschenrechte, so weit das menschenmöglich ist, zu verwirklichen und sie nach außen hin wenigstens zu vertreten, wenn wir heute nicht nur im Wohlstand, sondern vor allem im Frieden mit allen unseren Nachbarn (und hier schließe ich Israel ein) leben, dann verdanken wir das den unbekannten Männern der “Thüringen“, die am 25. Oktober 1918 die Feuer aus den Kesseln der “Thüringen” rakten und so die Revolution auslösten, aber weder einem Kaiser Wilhelm, an dessen Händen das Blut von zwanzig Millionen Menschen klebt, noch einem Adolf Hitler, seinen Nachfolger im Amt und im Geiste. Wir haben also allen Anlass, den Heizern des Linienschiffs, die die Kamikaze-Fahrt der Hochseeflotte verhinderten, noch heute Dank zu sagen für ihre mutige Leistung, denn natürlich wussten sie nicht, ob sie nicht ebenso vor den Erschießungs-Pelotons der preußischen Militärjustiz landen würden wie Köbis und Reichpietsch ein Jahr zuvor (und zweihundert andere während des Zweiten Weltkrieges). Gibt es in Wilhelmshaven aber ein Denkmal, das an diese Helden unserer Demokratie erinnert? Haben Sie wenigstens eine Straße nach ihnen benannt?

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